Nachhilfe aus dem Netz

Nachhilfe aus dem Netz
Mathe, Biologie und Chemie werden auch auf YouTube gelehrt. Wie sich Lernverhalten ändert.

Braungebrannt, gegelte Frisur und coole Sprüche wie "Wir erklären euch, wie der geile Scheiß funktioniert" – Alex und Nico wirken nicht wie typische Nachhilfelehrer. Und genau das dürfte ihren Erfolg ausmachen.

Auf ihrem YouTube-Kanal "The Simple Club" erklären die Studenten aus Baden-Württemberg kostenlos mittels Videos, was eine Differenzialgleichung ist oder was die Mendel’schen Gesetze bedeuten. Mehr als 200.000 Menschen abonnierten bisher die Videos zu Themengebieten aus Mathematik, Physik, Biologie und Chemie.

Möglichst schnell und auf die nötigsten Fakten reduziert – genauso wie junge Menschen kommunizieren, lernen sie durch diese Videos, erklärt Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung. "Die Kürze der Videos ist ein Ausdruck davon, dass Lernen heute supereffizient und Wissen unmittelbar nutz- und einsetzbar sein soll. Jede Form von Hintergrund-wissen wird dahingehend abgewertet." Lernen als interaktiver Prozess hat bei dieser Art von Wissensvermittlung keinen Platz: "Es werden keine individuellen Lernziele verfolgt oder auf die Interessen von Menschen eingegangen." Dass Inhalte heute verstärkt standardisiert vermittelt und abgeprüft werden, bezeichnet er als zeitgeistiges Phänomen.

Lachen und lernen

Nachhilfe aus dem Netz
screenshot youtuber
Experimente mit Zitronen, die Strom erzeugen oder Binomische Formeln, wie sie YouTuber „DorFuchs“ (Bild) in seinen Liedern erklärt – die Nachhilfe-Videos im Internet sind originell und passen sich an die Rezeptionsweise junger Menschen an. Denn "die können nicht mehr in Argumentationsketten denken, sondern sie brauchen eine starke Symbolik und ästhetische Unterstützung der Botschaften", sagt Ikrath.

Was die Videos besonders erfolgreich macht: Die Protagonisten kommunizieren mit dem Zuseher scheinbar auf Augenhöhe. Es kommt vor dem PC nicht in zur klassischen Lehrer-Schüler-Situation, es wird weder korrigiert noch kritisiert. Und das kommt vielen Jugendlichen entgegen. Denn: "Sie fürchten sich zunehmend vor Emotionalität, die aus einer direkten Konfrontation entstehen kann, etwa wenn die Mutter anruft und sie nicht wissen, ob es eine gute oder schlechte Nachricht ist", sagt Ikrath und beruft sich auf eine Studie der renommierten US-Soziologin Sherry Turkle: "Sie wollen alles schriftlich haben, um selektiv reagieren zu können." Moderne Kommunikationsmedien machen es möglich.

Lerntypen

Für Konrad Zimmermann vom Nachhilfeinstitut Lernquadrat stellt sich nicht die Frage, ob ein Buch oder Video besser Wissen vermittelt kann: "Was Verständnisfragen und Zusammenhänge betrifft, brauchen die unterschiedlichen Lerntypen auch unterschiedliche Zugänge und Vermittlungswege. Hier ist der Mensch als Vermittler bisher unersetzbar."

Genau aus dieser Situation entwickelte der ehemalige US-Finanzanalyst Salman Khan bereits vor elf Jahren Lehrfilme fürs Internet. Er wollte seiner Cousine Nachhilfe geben, doch da beide in verschiedenen Städten lebten, mussten sie telefonieren. Daraus entstand die Idee, Videos zu gestalten und auf YouTube zu stellen. Mittlerweile gibt es unter dem Namen "Khan Academy" 4000 Videos zu Themen aus Mathematik, Naturwissenschaften und Geschichte. Sein Credo: kostenlose Bildung für alle an jedem Ort der Welt. Statt Frontalunterricht sollen Lerninhalte mittels Technik vermittelt werden.

Nachhilfeexperte Konrad Zimmermann betont, dass es vor allem wichtig ist, Menschen für ein Thema zu begeistern. "Lehrer haben nicht die Aufgabe, Wissen in Kinderköpfe zu stopfen sondern junge Menschen zum selbstständigen Denken und Handeln zu verführen."

Und das funktioniert erst, wenn die Beziehung zum Lehrer oder zur Lehrerin da ist – so kann Wissen übertragen werden.

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