Was die erste Liebe so besonders macht

Was die erste Liebe so besonders macht
Das Projekt einer Bloggerin zeigt, dass uns die erste Liebe oft nicht loslässt. Eine Psychologin erklärt, warum.

Sie war vierzehn, als es zum ersten Mal so richtig Klick machte: Händchen halten im Schulhof, abends heimlich SMS schreiben, erste Küsse, erste Schmetterlinge, erste Berührungen. Nach drei Monaten machte er Schluss. Einfach so, ohne Erklärung. "Noch heute kämpfe ich in jeder Beziehung mit Verlustängsten", sagt Petra, mittlerweile 28. Ihre erste Liebe hat sie geprägt – vermutlich für ihr ganzes Leben.

Welch tiefe Spuren die erste Beziehung hinterlassen kann, beweist derzeit eine junge Bloggerin aus Kalifornien. Für ihr "Unsent Project" sammelt Rora Blue Nachrichten, die Menschen ihrer ersten Liebe schicken würden – aber es nie getan haben. "Meiner Meinung nach ist Liebe das Mächtigste, das existiert. Da gibt es keinen Vergleich", erklärt die 19-Jährige ihre Idee. "Logischerweise ist das erste Mal, dass wir uns verlieben, etwas, das wir niemals vergessen."

Was die erste Liebe so besonders macht
Rora Blue

Den ersten Aufruf startete Blue im vergangenen März auf ihrem Blog (www.rorablue.com): Sie wollte nicht nur wissen, was die Menschen ihren ersten Lieben – anonym – zu sagen hatten, sondern auch, welche Farbe sie der Nachricht geben würden. "Ich wollte die Liebe künstlerisch darstellen", erzählt sie. "Farben faszinieren mich. Ich finde, sie sind ein starker Weg, um verschiedene Emotionen zu vermitteln. Es interessiert mich, mit welchen Farben Menschen Liebe assoziieren."

Was die erste Liebe so besonders macht
The Unsent Project Rora Blue

Fazit nach 26.000 Einsendungen: Die Farbpalette der Liebe ist genauso vielseitig wie das, was Menschen ihren Verflossenen mitteilen würden. "Die Nachrichten decken alle Emotionen ab: lustig, herzzerreißend, herzerwärmend...", stellt Blue fest. Herzzerreißend wie jener Text, der an einen gewissen James gerichtet ist: "Wenn ich deine Augen nicht sehen kann, möchte ich meine nicht öffnen". Oder jene für Colin: "Ich weiß, es ist abgedroschen, aber zu Weihnachten wünsche ich mir dich. Du bist mein Zuhause." Lustiger ist die Botschaft für Michael: "Warum hast du das mit deinen Haaren gemacht?" Und die Ex von Hunter ist einfach nur wütend: "Hör auf, mich anzurufen. Ich versuche, über dich hinwegzukommen." Unter all den Nachrichten ist eine, die Rora Blue nicht mehr aus dem Kopf geht: "Es tut mir leid, dass ich mich betrunken hinter das Lenkrad gesetzt habe. Es tut mir noch mehr leid, dass du auf dem Beifahrersitz gesessen bist. Ich vermisse dich jeden Tag."

Was die erste Liebe so besonders macht
The Unsent Project Rora Blue
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Tausend erste Male

Ob Sehnsucht, Reue, Wut oder tiefe Zuneigung – die erste Liebe bleibt den meisten Menschen ein Leben lang im Gedächtnis. Das bestätigt eine Umfrage der Online-Partnerbörse ElitePartner unter 10.000 Singles: Jeder vierte Alleinstehende zwischen 18 und 29 hält die erste Liebe demnach für "die schönste" bzw. für "etwas ganz Besonderes" – 28 Prozent der Männer, 21 Prozent der Frauen.

"Auch wenn die erste Liebe selten lange hält, bleibt sie für die meisten Menschen unvergesslich", sagt auch die Psychologin Jasmin Ruprecht. Sie kennt die Gründe für das Phänomen: "Die erste Beziehung ist unsere erste Liebeserfahrung außerhalb der Stammfamilie. Erstmals liebt uns jemand, der nicht Mama oder Papa ist, um unserer selbst willen. Außerdem ist man noch völlig unbelastet von negativen Erfahrungen, kann also mit keinem Vorgänger vergleichen."

Auch die vielen "Premieren" seien schuld am emotionalen Ausnahmezustand. "Bei der ersten Liebe gibt es tausend erste Male: das erste Treffen, der erste Kuss, die erste Liebeserklärung, das erste Mal, die erste Sehnsucht, das erste Mal Schmetterlinge im Bauch – Chaos und ein bisher nicht gekannter Hormoncocktail im Blut. Diese ersten Male erleben wir nur ein einziges Mal." Und deswegen nehmen wir sie später als so besonders wahr.

Was die erste Liebe so besonders macht

Viele vergleichen ihre Beziehungen mit der ersten – ein schwerer Fehler, warnt Ruprecht. "Unser Gehirn neigt dazu, vergangene Erfahrungen zu idealisieren. Vor allem von jungen Menschen wird die erste große Liebe im Nachhinein nicht real, sondern glorifiziert gesehen. Wer dieses Ideal sucht, wird der ersten Liebe lange nachtrauern. War die erste Liebe prägend, werden wir sie in jeder neuen Beziehung wieder suchen – mit wenig Erfolg."

Trend "Rekindling"

Den vor allem in den USA starken Trend zum "Rekindling" ("Wiederauflebung") sieht die Psychologin deshalb kritisch. Durch Facebook ist es einfach geworden, verflossene Lieben wieder aufzustöbern; in den USA gibt es sogar eigene Web-Portale, die die Suche nach der Jugendliebe erleichtern sollen. Auf www.reunion.com finden sich Hunderte Namenslisten von Abschlussklassen aus allen Bundesstaaten. 35 Millionen Menschen haben sich bereits angemeldet – in der Hoffnung, vergangene Gefühle wieder aufzufrischen.

"Doch fast jeder, der versucht hat, die erste Liebe wieder aufzuwärmen, hat es enttäuscht bleiben lassen", berichtet Ruprecht. Anders ist es, wenn man noch immer mit der ersten Liebe zusammen bzw. verheiratet ist – so wie Beate und Christian (siehe unten). Ruprecht: "In diesem Fall sind beide Partner gemeinsam gewachsen. Auch beim Zusammenbleiben hilft die verklärte Erinnerung an die vielen ersten Male. Paare mit guten Beziehungen schaffen es, diese Erinnerungen immer wieder aufleben zu lassen und neu zu beleben."

Rosa Brille abnehmen

Wer der ersten Liebe hinterher weint, hat nur eine Möglichkeit: realistisch bleiben und den "Fall" als schöne Erfahrung in die gedanklichen Akten legen. Ein Beispiel könnte man sich an jener Person nehmen, die sich ebenfalls an Rora Blues "Unsent Project" beteiligt hat. Was sie ihrem Ex zu sagen hat, ist nicht traurig, nicht wütend, nicht gleichgültig. Sondern einfach nur schön: "Du bist immer noch eine meiner besten Entscheidungen."

Im vergangenen September feierten Beate und Christian ihre Traumhochzeit. Das Besondere: Die Braut heiratete an diesem Tag nicht nur ihre große, sondern auch ihre erste Liebe. Die damalige Schülerin war 16, als sie den zwei Jahre älteren Christian im Führerscheinkurs traf – und sich "Hals über Kopf" in ihn verliebte. Kurze Zeit später wurden sie ein Paar. "Ich wusste, dass ich ihn so schnell nicht mehr hergebe. Dass er meine große Liebe ist, hat sich mit der Zeit bestätigt. Natürlich haben wir uns sehr jung kennengelernt und natürlich hätte auch alles anders kommen können – aber anders heißt nicht besser", sagt Beate rückblickend.

Was die erste Liebe so besonders macht
Hochzeit Beate Christian

In all den Jahren hatte die 24-Jährige nie das Gefühl, etwas zu versäumen. Dass Christian ihr erster Freund war, sieht sie jetzt sogar als Vorteil für die Beziehung. "Es passt einfach mit uns. Vielleicht, weil wir nicht vergleichen, uns nicht mit Ex-Partnern messen oder sehnsüchtig zurückdenken. Wir sind einfach. Die Leichtigkeit unserer Jugendliebe haben wir jetzt mit in die Ehe genommen." Ihre Formel für die einzige, ewige Liebe: "Wir machen einander das Leben leicht, jeder dem anderen, gemeinsam. Wir helfen, unterstützen, verstehen, bemühen uns, werfen nicht vor und müssen nicht mit dem Kopf durch die Wand."

Wer versäumten Gelegenheiten nachläuft, sollte die eigene Partnerschaft in Frage stellen, findet Beate. "Meist sind es nicht die fehlenden Erfahrungen, sondern eher die kränkelnde Beziehung, die einen unglücklich macht." Auch, wenn es viele Menschen nicht glauben können: "Ich für meinen Teil weiß, dass ich nichts verpasst habe. Ich habe genau das getan, was sich richtig angefühlt hat – und das werde ich niemals bereuen."

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