Bitte erzieht eure Kinder!

Bitte erzieht eure Kinder!
In ihrem Buch warnt Familiencoach Martina Leibovici-Mühlberger davor, Kinder ohne Regeln aufwachsen zu lassen.

Wenn Elena ihren Willen nicht durchsetzt, fängt sie an zu toben. Mit Enttäuschung kann sie nicht umgehen. Doch sie ist nicht zwei Jahre alt, sondern neun.
Es gibt immer mehr Kinder außer Rand und Band, stellt KURIER Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger fest. Ihre Tochter gab ihr den Anstoß zu ihrem Buch „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden. Warum wir nicht auf die nächste Generation zählen können“. Die Neunjährige riet ihr: „Du musst den Eltern doch nur sagen, dass sie sich um ihre Kinder einfach richtig kümmern sollen. Die Kinder sind nicht krank, die spinnen nur. Die Eltern müssen ihre Kinder einfach nur erziehen.“

Bitte erzieht eure Kinder!
honorarfrei!
Leibovici-Mühlberger schrieb keinen klassischen Elternratgeber, sondern eine Warnung: „Eltern übernehmen ihre Rolle nicht mehr. Sie wollen ihre Freunde sein, sie packen sie in Watte, sie lassen sie das tun, wozu sie Lust haben. Sie machen aus den Kindern verwöhnte kleine Prinzessinnen und Prinzen. Und sie haben Angst vor klaren Ansagen – genau das fehlt der heutigen Jugend. Die Eltern verweigern den Kindern die Erziehung.“

Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier sieht das als Phänomen der Elterngeneration: „Die Eltern sind keine Vorbilder mehr für die Kinder, sondern die Kinder sind die Vorbilder der Eltern. Die wollen auch unvernünftig und cool sein. Wir erleben eine Infantilisierung der Gesellschaft.“

Die Konsequenzen sind bereits deutlich, zitiert Leibovici-Mühlberger eine langjährige Pädagogin: „Früher hatten wir in einer Klasse drei bis vier Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten. Heute haben wir drei bis vier Kinder, die nicht schwierig sind.“

Angst vor dem Kind

Sogar Eltern, die alles richtig machen wollen, verschlimmern die Situation: „Wir haben das autoritäre Verhalten verbannt und kein neues gefunden. Es geht Eltern nur noch darum, dass ihre Kinder glücklich sind“, kritisiert Leibovici-Mühlberger. Sie bemerkt viel Angst und Ohnmacht: „Eltern haben Angst, zu streng zu sein. Kinder dürfen ja nicht eingeschränkt werden. Also bestimmen sie nicht einfach, dass die Hausübung gemacht werden muss, sondern bemühen sich, dass sie Spaß macht. Und bevor sie etwas falsch machen, tun sie lieber gar nichts.“ Oft hätten Eltern ein schlechtes Gewissen wegen Zeitmangel oder einfach keine Kraft, um sich Konflikten zu stellen.
Das Problem fängt früh an, bestätigt Elternberaterin Sabine Niederhuber: „Das Kind will mitten in der Nacht spielen statt zu schlafen? Die Finger ins Glas stecken statt zu trinken? Ich habe das Gefühl, Eltern haben Angst vor der Reaktion des Kindes. Jeder will Weinen und Raunzen vermeiden. Dabei ist es so wichtig, dass Kinder mit Frustrationen umgehen lernen.“

Bei Teenagern ist ein ähnliches Muster erkennbar, beobachtet Ines Berger als AHS-Lehrerin und Elternberaterin: „Es wäre besser, Eltern würden ihre Kinder stärken, mit einem Konflikt in der Schule umzugehen, statt sofort selbst hinzulaufen. Und eine schlechte Mathenote ist oft nur eine schlechte Mathenote und kein Grund, gleich die Lehrer zu beschuldigen.“

Zu früh delegieren Eltern Entscheidungen an (kleine) Kinder und zu spät trauen sie ihnen zu, sich auf eigene Beine zu stellen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Jugendliche ernst nehmen

Dabei erlebt Berger das große Bedürfnis von Jugendlichen, ernst genommen zu werden: „Sie brauchen Erwachsene als Gegenüber, die etwas zu sagen haben – und sich Zeit nehmen.“ Auch Leibovici-Mühlberger beobachtet, „dass Jugendliche verzweifelt nach Führung suchen und dadurch für politische Randbewegungen anfällig sind. Da sagt ihnen jemand, wo es lang geht“.

Der Zwang zur Individualisierung sei eine Belastung, so die Beraterin: „Zu viel Freiheit überfordert die Jugend.“ Auch der Druck aus der Wirtschaft steige, betont Heinzlmaier: „Es werden Sachen verlangt, an denen viele scheitern werden – oder sie sich noch mehr zu Ego-Wesen entwickeln.“

Um so wichtiger ist es, ehrlich zu den Kindern zu sein, so Leibovici-Mühlberger: „Unser Getue um Selbstverwirklichung und entspanntes Gewährenlassen ist bloß aufgesetzt. Am Ende wartet auf das Kind eine kompetitive Leistungsgesellschaft.“

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