Trend Erwachsenen-Malbücher: Mal dich locker

Schwarz-weiße Malvorlagen sind die neuen Wegweiser zur Entspannung.
In einer digitalisierten Welt wird es schwieriger, aus dem Alltagsstress auszusteigen. Immer mehr Menschen schaffen sich Freiräume auf analoge Weise – mit Stift und Malbuch für Erwachsene.

Malen nach Zahlen war gestern. Längst geht es entspannungstechnisch nicht mehr um das einst gefragte Hobby, mit Hilfe nummerierter Flächen und Farben möglichst exakte Kopien von Gemälden schaffen.

Heute greifen Erwachsene zu Bunt- oder Filzstiften und malen Vorlagen mit floralen Ornamente, Fabeltieren oder geometrischen Formen nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen aus. Damit lassen sich nämlich kleine Freiräume in einer stressigen, digitalen Hochleistungs-Welt schaffen. Und zwar auf eine ganz altmodische Weise mit analogen Kulturtechniken wie Malen und Zeichnen.

Bestseller

Malbücher für Erwachsene boomen. Die filigranen Fantastie-Landschaften der schottischen Grafikerin Johanna Basford etwa wurden in den USA mit 1,4 Millionen Exemplaren innerhalb kürzester Zeit zum meistgekauften Buch auf der Internet-Plattform Amazon. "Ich denke, es ist sehr erholsam, etwas Analoges zu tun und sich selbst abzustöpseln", sagt Basford.

Auch die deutschen Übersetzungen "Mein geheimer Garten" und der Nachfolger "Mein Zauberwald" wurden Verkaufsschlager. "Wir können der Nachfrage gar nicht mehr nachkommen", sagt Christin Nase vom Verlag Knesebeck. Die zweite Auflage sei schon im Druck und ab Juni erhältlich. Kunden-Rückmeldungen bestätigen die Gedanken von Grafikerin Basford, sagt Nase. "Es sind Auszeiten für den Kopf." Flächen und Bilder nach Lust und Laune mit unterschiedlichen Farben auszumalen befriedige offenbar das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung.

Da ist der Weg zu Entspannungstechniken wie Zen-Meditation und Achtsamkeits-Übungen nicht mehr allzu weit. Dafür plädiert die französische Grafikdesignerin Emma Farrarons. "Achtsam sein heißt, dem jetzigen Moment die volle Aufmerksamkeit zu schenken und den Geist von allen Ablenkungen zu befreien." Und so wird das Ausmalen sogar zur Achtsamkeitsübung.

Entspannung

Kulturpessimisten, die angesichts Erwachsener mit Malbüchern von kreativem Niedergang und Neo-Biedermeier sprechen, können allerdings beruhigt sein. Studien zeigen, dass Achtsamkeitsübungen tatsächlich entspannende Effekte haben. Die sind heutzutage nötiger als sonst. Sie zeigten erst kürzlich sogar bei Depressionen derartige Erfolge, dass die Patienten ihre Medikamente reduzieren konnten, berichteten Forscher im Fachmagazins The Lancet.

Ob in Form von Meditation, zur Entspannung oder schlicht zum Spaß – eine Strategie, um aus dem alltäglichen Hamsterrad auszusteigen ist der Mal-Trend allemal. Schließlich ist aus der therapeutisch anerkannten Maltherapie bekannt, dass die Seele durch Bilder spricht. Der Kreis zum Ausmalen schließt sich insoferne, als es hier wie da um die Tätigkeit geht – nicht um das Produkt. Oder, wie Johanna Basford meint: Sich selbst in einem Wunderland aus tiefschwarzer Tinte wiederzufinden.

Trend Erwachsenen-Malbücher: Mal dich locker
Buch, Johanna Basford, Mein verzauberter Garten, Mein Zauberwald, Malbuch
Trend Erwachsenen-Malbücher: Mal dich locker
Buch, Johanna Basford, Mein verzauberter Garten, Mein Zauberwald, Malbuch
Trend Erwachsenen-Malbücher: Mal dich locker
Kreative Reise
Trend Erwachsenen-Malbücher: Mal dich locker
Achtsamkeitsmalbuch

Wie halten Sie es beim Telefonieren? Zeichnen Sie schwungvolle Kreise? Eher Spiralen? Oder doch lieber akkurate Kästchen? Was auch immer, Sie gehören zu einer eindrucksvollen Mehrheit. Der britische Psychologe Jack Goodman fand heraus, dass 65 Prozent der Menschen zum Stift greifen.

Diese scheinbar belanglose Nebentätigkeit ist nicht zu unterschätzen. Wer geometrische Figuren zeichnet, denkt eher rational, während Kreise und Ringer eher auf gefühlsbetonte Menschen deuten soll. Die vermeintlichen Kritzeleien sind aber eigentlich Tagträume, die während anderen Tätigkeiten ausgedrückt werden.

Laut einer britischen Studie fördern die kleinen Zeichnungen sogar die Aufmerksamkeit und helfen offenbar dabei, dass sich Inhalte im Gedächtnis festigen. Jene Studienteilnehmer, die während fiktiven Telefonaten herumkritzelten, schnitten bei den nachfolgenden Gedächtnistests besser ab, als die Kontrollgruppe.

Sogar zu einem eigenen Gedenktag haben es die Telefonkritzeleien – im Englischen doodle genannt – schon gebracht. In Großbritannien und Australien wird der "National Doodle Day" begangen, um die Aufmerksamkeit für Epilepsie zu erhöhen und Spenden zu sammeln.

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