Top-Psychoanalytiker veranstalten Kongress in Wien

Tiefer Blick in die Seele - Psychoanalyse wurde in Wien entwickelt
Die International Association for Psychoanalytic Self Psychology IAPSP veranstaltet ihre 41. internationale Konferenz in Wien.

Vor mehr als hundert Jahren hat Sigmund Freud seine Psychoanalyse in Wien entwickelt. Wien ist aber auch die Geburtsstadt des Psychoanalytikers Heinz Kohut, dem es im Frühjahr 1939 gelang, seine Heimatstadt zu verlassen und über eine Zwischenstation in England in die USA zu emigrieren. Kohut ist der Begründer der Selbstpsychologie.

Die International Association for Psychoanalytic Self Psychology (IAPSP), die sich vor allem mit der Lehre von Heinz Kohut befasst, veranstaltet ihre 41. internationale Konferenz vom 17. bis 20.Oktober 2018 in Wien, im Hotel Savoyen. Die Konferenzsprache ist Englisch.

„Wenn wir jetzt mit dem Kongress nach Wien kommen, dann ist die Welt derzeit – in anderer Weise, als Kohut es damals erlebt hat – wieder von vielfältigen Umbrüchen und einer Grundstimmung von Krisen gekennzeichnet. Der Kongress soll das Bemühen darstellen, kreative Antworten auf die Krisen unserer aktuellen Lebenswelt zu finden“, sagt Andrea Harms, Präsidentin des Wiener Kreis für Psychoanalyse und Selbstpsychologie (WKPS).

Bei der Suche nach kreativen Antworten in Zeiten der Krise wird die Konferenz an vier zusammenhängenden Themen aufgebaut:

- Die Geschichte der Psychoanalyse und der psychoanalytischen Selbstpsychologie in ihren sozialen, politischen und kulturellen Zusammenhängen.

- Die unverminderte Bedeutung der Beiträge Heinz Kohuts zu einer psychoanalytischen Entwicklungstheorie unter anderem im Kontext der Behandlung von Jugendlichen inmitten ihrer neuen Lebenswelt;

- Die Krisen unserer Zeit, auf die die Selbstpsychologie und verwandte zeitgenössische Behandlungsansätze Antworten suchen;

- Die Kunst und andere Quellen der Kreativität, die uns dabei helfen, Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

Herausforderung und Gelegenheit

„Politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umbrüche und In-Frage-Stellungen sind allgegenwärtig in der Welt, in der wir diesen internationalen Kongress planen. Sie finden nicht nur außerhalb des Behandlungsraumes statt, sondern kommen auch in unserer klinischen Arbeit zum Ausdruck“, sagt Harms. „Ziel des Kongresses ist es, diese Umbrüche und In-Frage-Stellungen auch über unsere eigene Betroffenheit hinaus als Herausforderung und als Gelegenheit für kreative Antworten zu erkennen: in der Behandlung, in unseren theoretischen Erwägungen, bei dem Bemühen um ein Verständnis des Menschseins und der Suche nach hilfreichen humanistisch geprägten Antworten auf die Unsicherheiten unserer aktuellen Lebenswirklichkeit.“

www.selbstpsychologie.at/

https://iapsp.org/iapsp/

 

 

Top-Psychoanalytiker veranstalten Kongress in Wien

Heinz Kohut um 1970

Kurz-Biographie: Heinz Kohut

„Mein Vater war Jude, meine Mutter ist es nicht. Ich entschied, dass ich es nicht bin.“

Heinz Kohut wurde am 3. Mai 1913 in Wien in eine großbürgerliche, assimilierte Familie hineingeboren. Obwohl die Familien beider Eltern in der Vergangenheit mehrere berühmte Rabbis aufwiesen, besuchten Kohuts die Synagoge nur noch an religiösen Feiertagen. Seinem Selbstverständnis nach war Kohut Wiener; seine Familie lebte hier schon drei oder vier Generationen lang. Aus einer Wohnung im Alsergrund übersiedelten die Kohuts nach Döbling, in die Paradisgasse 47.

1932 begann Kohut an der Universität Wien Medizin zu studieren.

1937 starb sein Vater Felix. Heinz begann mit seiner Analyse bei dem bekannten Psychoanalytiker August Aichhorn. Aichhorn machte bleibenden Eindruck auf Heinz Kohut: Er war kein streng klassischer Analytiker, hatte aber dafür den besonderen Vorzug eines jahrelangen Umgangs mit verwahrlosten Jugendlichen.

Im Oktober 1938 schloss Kohut sein Studium ab. Da jüdische Studenten nur noch eine Weile lang Prüfungen ablegen durften, musste er extrem schnell lernen und schaffte es sogar, auch noch die entsprechenden Zeugnisse zu erhalten.

Erst die historischen Ereignisse, sprich der Nationalsozialismus, machten es Kohut schmerzhaft bewusst, dass nicht seine tief empfundene Zugehörigkeit zur deutsch-österreichischen Kultur, sondern die zur jüdischen Bevölkerung zählt. Obwohl der Vater die Synagoge im neunten Wiener Gemeindebezirk besuchte, nahm ihn die Mutter immer wieder in die katholische Sonntagsmesse mit, was ihr die passendere Form von Religionsausübung zu sein schien. Kohut sagte dazu wörtlich: „Mein Vater war Jude, meine Mutter ist es nicht. Ich entschied, dass ich es nicht bin.“

Im Frühjahr 1939 gelang es Kohut, Wien zu verlassen. Nach einer Zwischenstation im Kitchener Flüchtlingslager und, als er eine Lungenentzündung bekommt, bei einem Onkel in England, traf er im März 1940 in den USA ein und fand in Chicago Aufnahme bei Siegmund Levarie, einem schon früher emigrierten Kindheitsfreund. Nachdem er in einem kleinen Spital im südlichen Chicago gearbeitet hatte, wurde er in die Ausbildung zum Neurologen an der Universität aufgenommen.

Kohut arbeitete ab 1952 vorwiegend als niedergelassener Psychoanalytiker in eigener Praxis, hielt aber noch Vorlesungen an der University of Chicago. 1957 präsentierte er nach einer Reihe von bedeutenden Artikeln seine erste grundlegende psychoanalytische Arbeit, den Essay „Introspektion, Empathie und Psychoanalyse“, der im Jahr 1959 veröffentlicht wurde.

Von 1961 bis 1973 brachte er sich organisatorisch intensiv in den Standesvertretungen ein, war zeitweise Vizepräsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung und wurde 1964/65 Präsident der “American Psychoanalytic Association”.

1965 hielt er seinen Vortrag „Forms and Transformations of Narcissism“ und es formierte sich eine erste Gruppe mit Paul Ornstein, Paul Tolpin, Michael Basch, Arnold Goldberg, John Gedo….im Jahr danach wurden Anna Ornstein, Marian Tolpin, Bernard Brandchaft and Robert Stolorow dazu eingeladen, die ja später auch für uns im WKPS große Lehrer wurden.

1971 erschien sein erstes Buch, die Monographie “The Analysis of the Self: A Systematic Approach to the Psychoanalytic Treatment of the Narcissistic Personality Disorders”. Seine Theorien über die narzisstische Wut wirkten als Sprengstoff und führten zu Spannungen im Chicagoer psychoanalytischen Institut.

Heinz Kohut starb am 8. Oktober 1981

1984 erschien, herausgegeben von seinem Kollegen Arnold Goldberg “How Does Analysis Cure?”, sein letztes Buch.

(gekürzte Fassung, zur Verfügung gestellt von Andrea Harms)

 

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