Bearbeitete Fotos
Es sind vor allem junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren, die ihrem Selfie gleichen wollen. Denn Bearbeitungsprogramme ermöglichen es heute jedem und jeder, ein perfektes Bild von sich selbst zu produzieren: Die Haut wird weichgezeichnet, die Nase geschrumpft, die Augen werden vergrößert und die Lippen aufgepolstert.
Fast 90 Prozent der befragten Mediziner glauben, dass dieses Phänomen in den kommenden Jahren zunehmen wird. Und sie sind davon überzeugt, dass gefilterte Bilder, die in den sozialen Medien gepostet werden, die Ansprüche der Generation Instagram an den eigenen Körper verändern. „Bearbeitete Selfies verschieben vor allem bei jungen Patientinnen die Wahrnehmung des eigenen Aussehens, was oft zu unrealistischen Vorstellung davon führt, was ein chirurgischer Eingriff an Ergebnissen liefern kann“, sagt Alexander P. Hilpert, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Düsseldorf. Er sieht Mediziner in der Verantwortung, Patienten darüber aufzuklären, was im Bereich des Machbaren und ethisch Vertretbaren liegt.
Das Phänomen ist auch in Österreich bekannt, wie Josef Thurner weiß. Er ist stellvertretender Fachgruppenobmann der Österreichischen Gesellschaft für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie und nennt eine Zahl: „Bei der Gruppe der Unter-30-Jährigen kommen 40 Prozent aller Patienten mit derartigen Vorlagen in meine Praxis“, erzählt er.
Deren Grundlage seien neben dem optimierten Selbst auch die Körpermaße der Influencer: „Man muss sich doch nur die Fotos auf Instagram ansehen: Die Körper sind extrem dünn, dazu haben die Gesichter eine extreme V-Form, mit hohen Backenknochen und einem Kussmund“, sagt Thurner. Der Druck, der durch diese Plattformen entsteht, werde vor allem für junge Frauen immer größer.
Hajnal Kiprov, eine auf Unterspritzungen spezialisierte Dermatologin, erklärte sich den Trend in einem früheren KURIER-Interview so: „Die Frau fühlt sich noch immer sehr von ihrem Aussehen abhängig – sowohl beruflich als auch privat. Früher musste sie möglichst attraktiv sein, um schnell verheiratet zu werden. Vielleicht hat sie noch immer das Gefühl, möglichst attraktiv bleiben zu müssen.“
Aber es ist noch mehr: Die Generation der Millennials ist laut Thurner geradezu von der Selbstdarstellung über Selfies geprägt. Das Leben spiele sich häufig nur noch in den sozialen Netzwerken ab; mit weitreichenden Folgen: „Was auf den Fotos dargestellt wird, ist für sie die Realität. So wie die Menschen dort aussehen, ist für sie die Norm.“
Das betrifft nicht nur das Äußere, sondern sämtliche andere Lebensbereiche: „Jeder auf Instagram ist an den tollsten Stränden, jeder hat das tollste Leben, jeder ist reich – was überhaupt nicht der Realität entspricht.“ Für den durchschnittlichen Nutzer sei nicht erkennbar, ob ein Bild bearbeitet wurde oder die darauf abgebildete Person eine Schönheitsoperation machen hat lassen.
Extreme Vorstellung
Thurner versucht deswegen, individuell auf Patienten einzugehen, um ihnen zu erklären, was sinnvoll und realistisch ist. „Zumindest 80 Prozent kann man so weg von extremen Vorstellungen lenken“, erklärt der Facharzt. Der Wunsch nach Schönheits-OPs bleibe aber: „Mit einem tollen optischen Auftritt habe ich einen besseren Eintritt in unsere nicht mehr natürliche Welt.“ Dennoch ist er überzeugt, dass Menschen, die ständig ihrem eigenen Idealbild hinterherlaufen „tendenziell unglücklicher sind“.
Unangefochtene Selfiekönigin ist übrigens Kim Kardashian. Ihre besten Selbstporträts hat sie in einem Bildband zusammengefasst. Passender Name: „Selfish“, zu deutsch: selbstsüchtig.
Dass der neue Look von Caroline W. ein Ausdruck der Selbstsucht sein könnte, darüber hat diese sich noch keine Gedanken gemacht. Sie findet ihn einfach „nur schön“. (von Claudia Lepuch)
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