Wie drei Kinder aus Syrien den Schulbeginn erleben

Wie drei Kinder aus Syrien den Schulbeginn erleben
Alltag nach der Flucht: Mohammad, Suleiman und ihre Schwester Amina wurden in Wien eingeschult.

Mohammad kennt den Weg zur Schule. Seine jüngere Schwester Amina und sein älterer Bruder Suleiman folgen ihm zur Straßenbahnhaltestelle im 9. Bezirk. Die drei Geschwister sind bepackt mit Schultasche, Handarbeitskoffer und Turnbeutel – einiges davon haben sie geschenkt bekommen.

Es ist der zweite Tag, an dem sie zur Volksschule fahren. Mohammad ist zehn Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Sein elfjähriger Bruder Suleiman wurde in die vierte Klasse eingestuft. Sie haben durch ihre Flucht viel Schulzeit verloren. "Ich war nur vier Monate in der Schule, dann kam der Krieg und wir sind geflohen", erzählt Mohammad. Bereits im Juni, kurz nachdem sie in Österreich angekommen waren, besuchte er mit seinem Bruder hier die Schule, begann Deutsch zu lernen. Das fällt Mohammad nicht schwer. Manchmal übersetzt er auch für seine Geschwister, was ihn stolz macht.

Alles neu

Während manche Menschen noch mit müden Gesichtern in die Straßenbahn einsteigen, strahlen die drei Geschwister und freuen sich auf den Schultag. Einige ältere Kinder in der Bim unterhalten sich über Lehrer und Stundenpläne, für sie ist der Schulbeginn Routine. Für Mohammad ist vieles neu: "Ich freue mich vor allem aufs Rechnen", sagt der Zehnjährige. Seine Klassenlehrerin und Mitschüler, die er am Montag kennengelernt hat, findet er nett. "Manche in der Klasse sprechen sogar Spanisch, Französisch und Arabisch." Für die sechsjährige Amina ist der zweite Schultag ohnehin besonders aufregend – sie besucht die erste Klasse.

Fragt man die Kinder, wie es ihnen in der Schule zu Hause, in Syrien, gegangen ist, weichen sie aus. Lieber erzählen sie davon, dass sie hier in Wien bereits im Kino, Tiergarten und im Schwimmbad waren. Auch das Straßenbahnfahren findet Mohammad aufregend. Er mag es, hinauszusehen, während Häuser, Autos, Bäume und Menschen vorbeiziehen. Nach fünf Haltestellen gibt er das Zeichen: Aussteigen.

Seit fünf Monaten leben die drei Kinder mit ihren Eltern und der jüngsten Schwester, die gerade in den Kindergarten gekommen ist, in Österreich. Aufgewachsen sind sie in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Dort arbeitete ihr Vater als Chefkoch in einem Restaurant. Die Familie führte ein gutes Leben, wohnte in einem großen Haus. Doch dann kam der Krieg. Wie er sich auf ihr Leben auswirken sollte, war für die Familie anfangs nicht absehbar, erzählt der Vater. Doch eines Tages ging auf seinem Arbeitsweg eine Bombe hoch. Ihn packte die Angst und er wollte nur noch eines: seine Familie in Sicherheit bringen. Zunächst aufs Land. Sie packten einige wenige Habseligkeiten, erspartes Geld und flüchteten zu Verwandten.

Flucht nach Österreich

Da das schwere Geschütz der Kämpfer auch nicht vor den Dörfern haltmachte, plante die Familie ihre Flucht. Mithilfe von Schleppern kamen sie über die Grenze in die Türkei – in fensterlosen Bussen. Als kurdische Syrer hatten sie es dort allerdings auch schwer. Der Vater schlug sich nach Österreich durch. Drei Monate lang riss der Kontakt ab. Letztlich konnte er seine Frau und die Kinder nach Österreich holen.

Derzeit ist die Familie in einem Flüchtlingshaus der Diakonie Österreich untergebracht. Zu sechst teilen sie sich ein Zimmer, circa 20 Quadratmeter groß – hier hat niemand Privatsphäre. Badezimmer und Küche sind am Gang – diese wird mit allen Bewohnern im Stockwerk geteilt. Mohammads Vater möchte gerne wieder als Koch arbeiten und seiner Familie eine eigene Wohnung bieten. Das Gesetz lässt den Asylwerber aber nicht.

Die Schulglocke läutet. Nach zwei Stunden ist der Unterricht vorbei. In den Garderoben tummeln sich Erst- und Viertklässler. Alle wollen zu ihren Eltern, die vor der Türe warten. Mohammad sucht nach seiner Schwester Amina. Bruder Suleiman steht schon bereit. Etwas müde, aber fröhlich kommen alle drei aus der Schule. Auf dem Weg nach Hause achtet Mohammad besonders auf seine Schwester, zieht sie sanft an der Schultasche weiter auf den Gehsteig zurück als die Straßenbahn einfährt.

Amina hat zum Schulstart schon große Pläne: "Wir haben heute Spiele gespielt, aber noch nichts gelesen. Ich möchte endlich lesen lernen." Das will sie später auch einmal anderen Kindern beibringen: Ihr Berufswunsch ist es, später einmal Lehrerin zu werden.

Schulsachen: Sachspenden wie Schultaschen, Federpennale, Stifte und Hefte können in allen Caritas-Läden (Carla) abgegeben werden. Infos unter: www.carla-wien.at. Gutscheine für Schulsachen z.B. von Thalia, Frick oder Libro können an die Diakonie Österreich geschickt werden. Adresse: Diakonie Österreich, Schwarzspanierstraße 13, 1090 Wien.

Wohnraum: Viele Schulkinder leben mit ihren Eltern auf engsten Raum in Flüchtlingshäusern. Wer privaten Wohnraum in Wien oder Niederösterreich zu Verfügung stellen möchte, kann ein eMail mit den ersten Informationen zum Wohnangebot an wohnraum@diakonie.at schicken. Mehr Informationen sowie wichtige Fragen und Antworten zum Thema "Wohnraumspende" finden Sie unter: fluechtlingsdienst.diakonie.at/wohnraumspende

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