Weissensee: Unterwegs mit Kräuterkundler und Haubenkoch
Wer den Weissensee besucht, ist sofort begeistert von der Ruhe, die diese Gegend ausstrahlt. Zwei Drittel des Seeufers sind unverbaut, man kann ihn zu Fuß umrunden, Motorboote sind verboten.
Frisch ist es, die Wolken hängen tief in den umliegenden Wäldern, der Regenschirm wird sicherheitshalber eingepackt. Zum Schwimmen ist das klare Wasser noch zu kühl (das ist der Weissensee ja sowieso). Ein Spätfrühlingstag, ideal zum Wandern – und Kräuter sammeln.
Doch welche Pflanzen wachsen um diese Jahreszeit und welche sind genießbar? Das wissen zwei Experten: ein Ökologe und ein Koch. Treffpunkt ist beim Genießerhotel „Die Forelle“ in Techendorf, einer Ortschaft am Nordufer des Sees. Eine Sackgasse führt zum Hotel, Durchzugsverkehr gibt es nicht.
Gastgeber Hannes Müller – Hotelier, Vier-Hauben-Koch und Landwirt – hat sich durch und durch der Regionalität und Ursprünglichkeit verschrieben. Er und Landschaftsökologe Michael Machatschek laden zur Kräuterwanderung ein.
Die Resi-Tant war schuld
Weit ist es nicht zum Ziel. Aus dem Haus raus auf die Seewiese – und schon steht man mitten im Kraut. Der studierte Landschaftsökologe zupft ein paar Wiesenschaumkraut-Blüten. Die sehen in Salaten sehr schön aus und wirken blutreinigend.
„Begonnen hat alles mit der Tante Resi, sie war Sennerin auf der Alm“, erzählt Machatschek. Als Kind verbrachte er jedes Jahr drei bis vier Wochen bei der Tant’, die übrigens auch hervorragend jodeln konnte, auf der Alm oberhalb des Wolfgangsees in Salzburg. Später blieb er einen ganzen Sommer lang.
Resi – die (fast) alles, was Natur und Jagd hergab, in wertvolles Essbares umzuwandeln wusste, ihm vieles über Heilkräuter erzählte und darüber, wie man medizinische Tinkturen herstellt, legte somit den Grundstein für seinen weiteren Werdegang.
Der Himmel über dem Weissensee reißt auf, die Sonne zeigt sich.
Machatschek, auch Buchautor, schneidet mit einem scharfen Messer Wiesenbocksbart und reicht die noch geschlossenen Knospen zum Kosten. Der Geschmack erinnert an Spargel. Danach zeigt er auf wilden Kümmel. „Wer jeden Tag ein paar Körner davon isst, schützt sich vor Gefäßerkrankungen“, versichert er.
Befruchtende Zusammenarbeit
Der eine weiß zu zupfen, der andere zu rühren. Auf der Suche nach Ursprünglichkeit und altem Wissen um Kräuter und Natur hat Gastgeber Hannes Müller Machatscheks Bücher gelesen. Daraus ist vor einigen Jahren eine kulinarische Zusammenarbeit entstanden.
Anreise
ÖBB-Railjet ab Wien Hbf nach Spittal-Millstättersee. Von dort mit dem Regionalzug nach Greifenburg-Weissensee, oebb.at.
Per Bahnhofshuttle (vorher reservieren) zur Unterkunft
Schlafen und Essen
Genießerhotel Die Forelle mit 4-Hauben-Restaurant, Techendorf 80, 9762 Weißensee. +43 4713 2356, dieforelle.at, urlaub@dieforelle.at
Kochwissen
– Kräuterwandern und Kochworkshops, Infos: dieforelle.at
– Online-Workshop: „Kochen mit Kräutern“ mit V ier-Hauben-Koch Hannes Müller. 7hauben.com
Auskunft
weissensee.com
www.slow-food.at
kaernten.at
Von der Wiese in den Topf
Dem Hotelier ist wichtig, mit dem zu kochen, was in seiner Heimat wächst und die jeweilige Jahreszeit bietet. Und das mit der Landwirtschaft zu verbinden, die er betreibt. Was er nicht selber ernten und produzieren kann, bezieht er von den Bauern oder Fischzüchtern der Umgebung. Es ist ein sehr wertschätzendes Miteinander.
Der lehrreiche Kräuterspaziergang geht dem Ende zu. Die Körbe sind nun voll mit Leimkraut (für Müller eine der besten Wildpflanzen und -kräuter überhaupt), Birkenblättern, wildem Kümmel, Huflattich, Bachehrenpreis, Bärenklau, Bibernellenwurzel und Mädesüß. Der Kopf ist voll mit neuem Wissen.
Nun kommt Teil zwei: Die gesammelten Kräuter und Pflanzen werden – in recht einfachen Schritten – zu mehreren Mittagssnacks verkocht. Da gibt es Wraps mit jungen Birken- und Lindenblättern gefüllt und vieles mehr (siehe Rezepte).
Rezept: Sauerteig-Blinis mit Leimkraut
Portionen: 6
200 g Sauerteig, Wasser, Salz, 2 Eiweiß, 3 EL Butterschmalz,
18 Stk. Leimkraut, Schotten (geräucherter Molkekäse, ersatzweise Ricotta)
Für die Mayonnaise:
2 EL Joghurt, 1 Eiweiß,
200 ml neutrales Rapsöl,
1 TL Baumflechten gemahlen
(Moosflechten sammeln, 1 h in Wasser auskochen, anschließend trocknen, zu Pulver vermahlen)
Mayonnaise
Der Reihe nach Joghurt, Eiweiß, Salz und Rapsöl in ein hohes, schmales Gefäß geben. Mit dem Mixstab von unten nach oben ziehen. Mit dem Flechtenpulver würzen. In Spritzsack füllen, kühlen
Blinis
Sauerteig mit etwas Wasser strecken, bis die Konsistenz dick-cremig ist. Eiweiß mit Salz aufschlagen und vorsichtig unter den Sauerteig heben. In 2 EL Butterschmalz langsam beidseitig braten. Das Leimkraut in 1 EL Butterschmalz kurz anbraten, salzen. Flechtenmayonnaise auf dem Blini auftragen, Leimkraut darauf und mit Schotten bestreuen
Auch wenn Kräuter nicht schwer im Magen liegen – danach ein bisserl zu ruhen tut gut. Es lässt sich fantastisch entspannen in dieser Umgebung. Wer lieber schwitzt: Direkt aus der Sauna in eines der hauseigenen Boote steigen und über den See rudern.
Abends im Restaurant mit den Panoramafenstern serviert Kellner Franz Hausschwein mit Sellerie und Nussbutter. Er zeigt auf die saftige Wiese auf der anderen Seite des Weissensees und erzählt, dass dort drüben die Schweinderl leben.
„Ich streichle Schweine lieber, als dass ich sie esse. Aber die hier, die haben’s wirklich schön und schmecken himmlisch“, meint eine Dame am Nebentisch. Sechs saisonale Gänge später ist man restlos glücklich.
Doch nicht alles dreht sich hier um Kräuter. In der „Forelle“ gibt’s auch Schafe, derzeit sind es zweiundsechzig, darunter Franky, Leni und Henriette. Sie grasen auf der Wiese direkt vor den Hotelzimmern. Ziemlich fein, aufzuwachen, Aug’ in Aug’ mit einem Lamperl vor der Nase.
Wenn die Hotelwiese abgegrast ist, ziehen die Krainer Steinschafe ein Stückerl weiter den See entlang. Und die wissen sowieso, was auf den Wiesen gut schmeckt.
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