Warum Taiwan ein Paradies für Veganer ist
Unzählige Fahrräder stehen unter leuchtenden Werbetafeln mit chinesischen Schriftzeichen. Ein Auto hupt, ein Mann im Regencape sprintet bei Rot über die Straße und weiter zum Eingang des nächsten Gebäudes: trotz der tief hängenden Regenwolken ragt das Taipei 101 majestätisch in den Himmel. Von 2004 bis 2009 war es mit seinen 508 Metern das höchste Gebäude der Welt. Dann wurde es vom Burj Khalifa in Dubai abgelöst. Für Taiwaner bleibt es nichtsdestotrotz ein Wahrzeichen – nicht nur wegen seines traditionellen, pagodenähnlichen Designs, sondern auch wegen seiner Funktion als sozialer Treffpunkt.
In den unteren Geschossen des Taipei 101 befinden sich zahlreiche Geschäfte und Restaurants. Eins davon ist das Din Tai Fung, welches für seine Suppen-Dumplings – xiao long bao genannt – berühmt ist. Neben Lonely-Planet-Touristen aus aller Welt essen hier hauptsächlich echte Taiwaner. Durch eine Glaswand kann man den eingespielten Köchen beim Zubereiten der Teigtaschen zuschauen. Der klassische Dumpling enthält Schweinefleisch und Suppe. Aber auch die mit verschiedenen Pilzsorten und Glasnudeln gefüllte, vegane Variante ist sehr beliebt.
Immer der Swastika hinterher
„Laut Statistik entscheiden sich bei jeder Mahlzeit des Tages zirka zehn Prozent aller Taiwaner (rund 23,5 Millionen Menschen) für ein vegetarisches oder veganes Gericht“, berichtet Cheng Huang, Oberkellner im Din Tai Fung. Ein fleischloses Restaurant zu finden sei zudem nicht schwer – selbst ohne Chinesischkenntnisse. Man müsse nur nach einer linksgerichteten Swastika Ausschau halten. Das uns in der umgedrehten Form als nationalsozialistisches Hakenkreuz bekannte Zeichen ist buddhistischen Ursprungs und wird auch heute noch genutzt, um vegetarische und vegane Produkte und Restaurants nach außen zu kennzeichnen. Wer eine Swastika an der Hauswand entdeckt, kann also davon ausgehen, dass dort kein Fleisch verarbeitet wird.
Nachhaltigkeit leben
Dass es höchste Zeit für Umwelt- und Tierschutz ist, haben auch die Taiwaner verstanden und sind rechtzeitig auf den Zug der Nachhaltigkeit aufgesprungen. Sie werben mit Teekultur und Slow Travel und beweisen gleichzeitig, dass Wirtschaftswachstum und umweltpolitische Verantwortung einander nicht ausschließen müssen. Mittlerweile gilt Taiwan sogar weltweit als Musterbeispiel für nachhaltige und umweltbewusste Entwicklung. Offenheit und Fortschritt gepaart mit dem Erhalt der traditionellen taiwanischen Kultur, das ist auch das Motto des 29-jährigen Ah-Q. Der taiwanische Jungkoch führt seit 2017 das vegane Restaurant Flourish im Zentrum von Taipeh. Auf der Speisekarte stehen innovative Gerichte wie Futomaki Sushi mit braunem Reis, Frühlingsrollen mit Tempeh und Okraschoten in Sesampaste. Eine hausgemachte Kombucha mit frischen Beeren dient als Durstlöscher bei Hitze.
Der junge Koch stammt ursprünglich aus Tainan, der ehemaligen Hauptstadt Taiwans im Südwesten der Insel. Nach dem Studium kam er nach Taipeh, um Arbeit zu finden. Dass er Manager eines veganen Restaurants sein würde, hätte Ah-Q vor ein paar Jahren nicht geglaubt. Damals aß er selbst noch Fleisch und arbeitete im Kaja Kaja Café, das mangels Erfolgs schließen sollte. Anstatt aufzugeben, überzeugte er seinen Chef, die Karte neu zu gestalten und nur noch vegane Gerichte anzubieten. Gesagt, getan. Seitdem floriert das Restaurant wie nie zuvor. Für Ah-Qs visionären Einsatz belohnte ihn sein Chef mit der Leitung des Flourish. Hier kocht er nun – ausschließlich vegan, glutenfrei und in Bioqualität, versteht sich.
Einfach Fleisch weglassen
„Dass an jeder Straßenecke ein veganes Restaurant darauf wartet, getestet zu werden, war nicht immer so“, berichtet Jesse Duffield. Der 39-Jährige aus Neuseeland kam vor vierzehn Jahren nach Taiwan, um an einer internationalen Schule in Hsinchu, dem taiwanischen Silicon Valley, Physik zu lehren. Damals kannte er noch keinen einzigen Veganer. Mittlerweile ist er einer von mehreren Zehntausend und Teil einer gut vernetzten Community. Fast alle seine Freunde leben vegan, der Trend scheint in vollem Gange. „Ich bin damals hierhergezogen, weil ich gehört hatte, dass die Taiwaner im asiatischen Vergleich am freundlichsten sind und man als Veganer gut über die Runden kommt“, schildert er. Er isst grundsätzlich lieber Curry nach indischer oder Thai-Art, lässt sich gelegentlich aber auch ein traditionelles, taiwanisches Gericht schmecken. Indem er Fleisch durch Tofu und Gemüse ersetzt, verwandelt er einen traditionellen Hotpot im Handumdrehen in ein veganes Fondue.
„Asiatische Gerichte vegan zuzubereiten ist ziemlich leicht“, bestätigt Ah-Q. Da kaum Milchprodukte verwendet werden, muss man einfach nur das Fleisch weglassen und darauf achten, dass keine tierischen Fette enthalten sind. Sein Lieblingsgericht ist Mapo Spicy Tofu mit fermentierten Bohnen, aber ohne Schweinehackfleisch, wie es das chinesische Originalrezept vorgibt.
Bewegte Geschichte
Wegen seiner geografisch vorteilhaften Lage wird Taiwan als das Herz Asiens bezeichnet. Diese führte in der Vergangenheit immer wieder zu Streit um den Inselstaat. China betrachtet ihn bis heute als unabtrennbaren Bestandteil des chinesischen Territoriums, weswegen auch der Titel „Republik China auf Taiwan“ verwendet wird. Taiwan selbst sieht sich als souveränen Staat, von dem sich Festlandchina durch die Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 abgespalten habe. Seine völkerrechtliche Stellung ist weiterhin ungeklärt und nur eine Minderheit der Staatengemeinschaft unterhält – zugunsten von Peking – diplomatische Beziehungen mit der Regierung in Taipeh.
An der Stellung Taiwans als veganes Zentrum Asiens bestehen hingegen keine Zweifel. Noch besser geht es nach Ah-Qs Meinung aber immer. Sein Ziel ist, Taipeh zur ersten veganen Hauptstadt zu machen, in der es mehr vegane als normale Restaurants gibt. Das Flourish durch weitere Filialen auszuweiten, steht für ihn bereits fest. Die Umwelt werde es ihm danken, davon ist er überzeugt. Neben Jesse und Ah-Q hatte auch Stone einen nachhaltigen Riecher. Zunächst verkaufte er seine Bio-Produkte auf dem Shihtong Markt im Viertel Shuanglian in Taipeh. Weil es so gut lief, eröffnete der 60-Jährige bald einen reformhausähnlichen Laden mit einer gemütlichen Essecke. Bei ihm gibt es nur beste Qualität und sogar aus Europa importierte Produkte von Demeter, Boyodo und Naturata. In deutschen Wanderschuhen serviert Stone seinen Gästen das Tagesgericht, immer ein schelmisches Lächeln im Gesicht – so als wisse er, dass er es richtig macht: vegan, nachhaltig und trotzdem taiwanisch.
Klimafreundliche Anreise
Eva Air fliegt nonstop von Wien nach Taipeh (etwa 11,5 Stunden). -Kompensation via climateaustria.at: 63,72 Euro/Person. Österreicher benötigen für einen Aufenthalt von max. 90 Tagen kein Visum. evaair.com
Reisezeit/Wetter
Taiwans Klima ist im Norden subtropisch (durchschnittlich 22 Grad), im Süden tropisch (durchschnittlich 24 Grad). Beste Reisezeit: März bis Mai und September bis November
Unterkunft
– Zwischenstopp für eine Taiwan-Rundreise: Das elegante 5*-Hotel Palais de Chine liegt direkt am Hauptbahnhof von Taipeh. Im Hotel befindet sich mit dem „Le Palais“ das einzige 3-Sterne-Restaurant Taipehs. DZ ab 146 Euro/Nacht, palaisdechinehotel.com
– Shoppen und Nachtleben: Das Amba Ximending (4 *) auf der Wuchang Street in Taipeh DZ ab 82 Euro/Nacht, amba-hotels.com/en/ximending/
– Wandern und Radtouren:
Das Silks Place (5*) im Taroko Nationalpark DZ mit Frühstück ab 230 Euro/Nacht. silksplace-taroko.com.tw/en
Anschauen
– Der älteste Tempel Taipehs (254 Jahre) liegt im Stadtteil Manka und ist der Göttin der Barmherzigkeit gewidmet
– In der Dihua Straße befand sich früher der größte Markt der Stadt. Noch heute bietet sie Einblick in traditionelle chinesische Gewerbe
– Das Nationale Palast-museum beherbergt die weltweit größte Sammlung chinesischer Kunst und liegt am nördlichen Stadtrand Taipehs. npm.gov.tw/de/
Weitere Auskünfte
Deutschsprachige Webseiten: taiwantourismus.de taiwanheute.tw
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