Quer durch die Schweiz: Die helvetische Zauberformel gibt den Takt an
Die Menschenmenge wartet gespannt. Einige der Zuschauer haben sogar ihre Kamera gezückt. Sie wollen den entscheidenden Moment festhalten, eine Weltsensation miterleben.
Was sie an diesem Tag in den Bahnhof des malerischen Dörfchens Zweisimmen im Berner Oberland gelockt hat? Nicht etwa die Ankunft von Prominenz, an diesen Anblick haben sich die Schweizer schließlich längst gewöhnt.
Stattdessen warten die Schaulustigen sehnsüchtig auf: einen Zug. Genauer gesagt den Golden Pass Express. Denn dieser kann nach jahrelangem Tüfteln der Schweizer Spitzentechniker seine Spurbreite ändern – und zwar in Zweisimmen. Was das heimelige Dörfchen zu einem Mekka für wahre Zugfans werden ließ.
Doch nicht nur Zugenthusiasten können sich für diese Weltneuheit begeistern. Immerhin wurde so der Weg zwischen Interlaken und Montreux ohne Umstiege geebnet – ein Vorhaben, an dem rund hundert Jahre lang gearbeitet wurde. „Mit Schweizer Langsamkeit“ also, wie Niklaus Mani, Market Manager des Montreux Oberland Bernois-Railway, lachend bemerkt. Seit Dezember 2022 fährt der Golden Pass Express dafür nun mehrmals täglich. Und das entlang einer Route, die den Passagieren die vielen Facetten der Schweiz in rund dreieinhalb Stunden durch Panoramafenster vor Augen führt.
Wer seine Fahrt im Golden Pass Express im Wintersportort Interlaken beginnt, der hat die bekanntesten Gipfel der Schweiz direkt im Blick: Eiger, Mönch und Jungfrau thronen über dem Ort. Bergland und Seen ziehen an einem vorüber, bevor in Zweisimmen dank Drehgestell auf Schmalspur „umgesattelt“ wird.
Dann geht es immer tiefer in die französische Schweiz, durch die Tallandschaft des Pays-d’Enhaut bis an die Riviera in Montreux, wo sich der Genfer See – oder der Lac Léman, wie es die Schweizer sagen würden – beinahe anfühlt wie das Meer in Südfrankreich. Denn nicht nur die Landschaft hat sich während der Reise verändert, sondern auch die Mentalität. Savoir-vivre inklusive.
Ein steiler Zahn
Die gute Nachricht: Der Golden Pass Express ist nur ein Teil eines ausgeklügelten Verkehrsnetzes, das Besuchern alle Highlights der Schweiz eröffnet. Die „drei Bs“ nennen Touristiker die Zauberformel, die für Bahn, Bus und Boot steht. Wer einmal quer durch die Schweiz möchte, der steigt also am besten gleich in Zürich in den Regionalzug. Dieser bringt einen in die wohl schönste Stadt des Landes: Luzern.
Bevor man aber ins Stadtleben eintaucht und über die berühmte Kapellbrücke flaniert, geht es hinauf auf den Berg. Wo auch schon der nächste Superlativ wartet: Die Pilatus-Zahnradbahn ist die weltweit steilste ihrer Art. Die Frage, wer es erfunden hat, erübrigt sich wohl. Im Tal liegt der Vierwaldstättersee, dessen Dimensionen man am besten am Deck eines Bootes erlebt. Wie praktisch, dass dieses einen zurück nach Luzern bringt.
Höhenluft schnuppert man in Interlaken, wo die berühmten Gipfel über 4.000 Meter ragen. Mit dem Luzern-Interlaken-Express ist man in nur eineinhalb Stunden dort. Lust auf Alpenromantik? Dann steigt man in die historische Bergbahn, die gemächlich auf die Schynige Platte tuckert. Der perfekte Ort, wenn man einmal auf Augenhöhe mit Eiger, Mönch und Jungfrau sein möchte.
- Klimafreundliche Anreise:
Direkt per Bahn von Wien nach Zürich in knapp 8 Std. oebb.at - Swiss Travel Pass:
Der Pass deckt alle Fahrten in Zügen, Bussen und Schiffen ab. Plus: freier Eintritt in 500 Museen. swissrailways.com - Reise:
Grand Train Tour Suisse: 6 Tage von Zürich nach Genf, Termine: 17.8., 19.9. und 12.10.2024, ab 2.495 €, Infos in Raiffeisen- und Geo-Reisebüros, Tel.: 0800/66 55 74, info@raiffeisen-reisen.at - Auskunft: myswitzerland.com
Was uns wieder zum Golden Pass Express bringt, an dessen Route es vieles zu entdecken gibt. Ebenso wie in Montreux, wo sich auch Charlie Chaplin Zuhause fühlte. Ob seine Villa, die mittlerweile ein Museum geworden ist, oder die wehrhaften Mauern des Château de Chillon – alles lässt sich mit dem Bus erreichen. Und natürlich sollte eine Kreuzfahrt auf dem Genfer See nicht fehlen, bevor man wehmütig noch ein letztes Ticket löst: jenes, das einen zurück nach Wien bringt.
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