Radfahren mitten durch Rom: „Und Sie leben noch?“

Mann steht mit Fahrrad vor der Caesar-Statue in Rom und macht seine Pose nach
Man ist mittendrin und wird gleichzeitig ignoriert: mit dem Fahrrad durch Rom

Freunde aus Italien hatten einen harmlosen Einwand auf mein Vorhaben: „Bist du verrückt? Du kannst in Verona Rad fahren, aber niemals in Rom! Das ist wirklich Wahnsinn!“ Aber natürlich könne ich das, entgegnete ich stur. Einen Monat später in Rom: Ich suche mir den Sonntag aus. Sonntags ist der Verkehr in Rom wie in Wien an einem geschäftigen Freitagnachmittag – für römische Verhältnisse also relativ ruhig. Der Concierge des Anantara-Hotels „Palazzo Naiadi“, der mir das Fahrrad besorgt hat, fragt mich zwar nicht, ob ich verrückt sei, aber er vergewissert sich, ob ich sicher sei, mit dem Rad fahren zu wollen. „Wir bieten auch eine Golf-Cart-Tour durch Rom für unsere Gäste an“, sagt er, um mich damit vielleicht umstimmen zu können. „Super!“, antworte ich, „das mache ich morgen.“ Nach den ersten Metern mutiere ich vom ordentlichen Fahrradfahrer zu etwas, dass es eigentlich gar nicht gibt: zu einem römischen Radfahrer. Rechtsabbiegerspuren werden zum Fast-Track der Geradeausfahrer.

Radfahren mitten durch Rom: „Und Sie leben noch?“

Der Palazzo Naiadi wurde auf einem Weltkulturerbe erbaut, den Fundamenten der Thermen des Diokletian. Im Untergeschoß des Hotels unter Glas zu besichtigen. Luxus in einem Palast, Vespa- und Oldtimer-Touren.

Es brummt und summt

Und Radler, die sich brav in die Geradeausspur einreihen, fühlen sich schnell wie in einem Bienenschwarm aus Autos. Überall brummt es und im Hirn summt es. Schnell wird klar: Rom ist Weltkultur, hat neunhundert Kirchen und dreizehn Obelisken, aber schlechte Straßen. Immer wieder Schlaglöcher und Kopfsteinpflaster, aber: Die Autofahrer sehen und umkurven dich. Elegant und gekonnt! Die Römer können sehr gut Auto fahren. Als Fahrradfahrer mogelt man sich hierzulande an der roten Ampel meistens nach vorne in die erste Reihe. Im Rom gibt es keinen Platz zum Durchmogeln, weil aus zwei Fahrbahnen drei gemacht werden, aber auch weil die erste Reihe stets besetzt ist. Für zehn bis zwölf Motorräder ist Platz, große und kleine, Scooter und Roller. Die Moto Guzzi, Vespa, Aprilia reihen sich auf wie zum Massenstart. Wenn es grün wird, heulen die Motoren als sei die einfache Via eine Rennstrecke.

Fluss Tiber mit Brücke in Rom, im Hintergrund der Petersdom

Der kleinste Staat der Welt beherbergt die größte Kirche: Petersdom und Vatikan sind eingeschlossen von der ehemaligen Welthauptstadt Rom. Etwa 120 Jahre lang baute man am Petersdom – der die Stilepochen Renaissance, Manierismus und Barock durchlebte

Vom Fahrradsattel aus gesehen ist man immer nah dran. Nicht nur an den Blechlawinen, auch an den wunderbaren Palazzi, den maroden Häusern in den engen Gassen ebenso wie an verführerischen Eisdielen. Einfach mal halten: kein Problem. Geparkt wird selbstredend direkt vor dem Pantheon oder Kolosseum.

In der Drei-Millionen-Stadt ohne Radwege treffe ich an diesem Sonntag auf acht Fahrradfahrer – Lieferdienste und die Radler am Tiber-Ufer nicht mitgerechnet. Ohne Radwege stimmt allerdings nicht ganz: Der Radweg entlang des Tiber ist wunderbar, die Strecke von der Tiberinsel bis zur Engelsburg kann man auf jeden Fall empfehlen.

Dort treffe ich Flavio: „Zum Spaß Fahrrad fahren ist gut, aber als Verkehrsmittel ist ein Rad einfach nicht cool. Ich fahre zur Arbeit mit der Vespa“, erklärt er. „Du musst wissen, wir Römer lieben unsere Vespa.“ Auch als Sportgerät sei das Fahrrad etwas anderes, sagt Flavio: „Mit Rennrädern in der Gruppe auf der Landstraße Speed machen: Ja, das ist cool!“ Aber seinen Drahtesel schweißtreibend vom Flussbett über steile Treppen nach oben schleppen? Über rund fünfzig Stufen, ohne Lift ... Nein, das gehe gar nicht!

Müde macht auch das Einbahnstraßengewirr. Also befahre ich Fußgängerzonen und Einbahnstraßen gegen die Fahrtrichtung. Ein Auto der Carabinieri kommt mir entgegen. Ich habe das Gefühl, ich werde nicht einmal ignoriert. Die Augen hinter den Sonnenbrillen interessieren sich nicht im Geringsten für einen Radfahrer, der mitten in Rom gegen Verkehrsregeln verstößt. Für die Schwarzhosen mit ihren eleganten roten Nahtstreifen ist der Straßenverkehr sowieso unwürdig. Doch auch die Stadtpolizei stört sich nicht daran, dass ich meinen Weg zur Spanischen Treppe im Gewühl der Fußgängerzone bahne. Radler gibt’s halt einfach nicht.

Anreise
Mit dem Nachtzug von Wien nach Rom. nightjet.com

Fahrradmiete
Pro Tag 13 €, E-Bike 25 €,  bicibaci.com, easybikerent.it

Restaurant
„Ineo“: Der deutschsprachige Chef  Heros de Agostinis führt von Rom nach Indien, von den Abruzzen nach Syrien, von Sizilien nach Peru, 
7 Gänge für 140 € anantara.com/palazzonaiadi

Unterkunft
Anantara-Hotel „Palazzo Naiadi“, moderner Luxus in einem Palast, Golf-Cart-, Vespa- und Oldtimer-Touren mit einem Fiat 500, DZ ab 350 € (anantara.com/palazzonaiadi)

Auskunft 
turismoroma.it, italia.it/en

Schließlich mache ich das Meisterstück und frage eine römische Politesse nach dem Weg zur Piazza Navona. Sie zeigt in die Einbahnstraße hinter ihr: „Fahren Sie am besten durch diese Straße. Das ist am einfachsten!“ Sie deutet wohlgemerkt gegen die Fahrtrichtung und wünscht noch „una buona giornata“. Abermals keinerlei Reaktionen: Niemand hupt, keiner schimpft. Ein paar Tage später erzähle ich dem Taxifahrer, der mich zum Flughafen bringt, von meiner ErFahrung in seiner Stadt. Er dreht sich ungläubig zu mir um, schaut mich an und sagt: „Wahnsinn! Und Sie leben noch!“

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