Kulinarikreise durch Nordirland: Ein Schluck Whiskey am magischen Fluss
Bei einer Regenwahrscheinlichkeit von vierundneunzig Prozent und vielen Wolken, spricht man üblicherweise nicht von Urlaubswetter. In Nordirland fungiert der Niederschlag aber als eigene Sehenswürdigkeit. Das Gras ist grüner, die warme Suppe herzhafter und die Stimmen der Nordiren so kräftig, dass sie das Prasseln übertönen können.
Regen ist hier ein Teil des Lebensgefühls. Ian McKnight und Fiona Bryant verkörpern dieses besonders gut. Beide wollten schon immer etwas ganz anderes machen als ihre normalen Vierzig-Stunden-Jobs. Die richtige Zeit kam dafür während der Pandemie. Sie restaurierten die M.V. Kingfisher, gebaut im Jahr 1947 von den weltberühmten Schiffbauern Harland and Wolff in der historischen Werft von Belfast, wo auch die Titanic entstanden ist.
Doch ihr Ziel war es nicht nur, sich die Zeit während der Lockdowns zu vertreiben. Die zwei Freunde wollten auch den längsten Fluss Nordirlands, den Bann, zugänglich machen. Während einer Tour kann man so viel über die Geschichte der Kulturlandschaft erfahren, Essen verkosten und die Tierwelt entdecken. Wenn dann eine Robbe in der Nähe des Schiffs auftaucht, wird selbstverständlich auch die Whiskeyverkostung unterbrochen.
"No bad day at the river"
McKnight und Bryant wirken direkt verliebt, wenn sie über ihren Arbeitsplatz sprechen. „Aber nicht ineinander“, betont McKnight und lacht. Man sei nur ein Arbeitspaar. Ihre tatsächlichen Ehepartner verstünden am allerwenigsten, wie sie sich gegenseitig den ganzen Tag auf dem Fluss aushalten, erzählt er scherzend. „The river is magic, there is no bad day at the river“, versucht McKnight eine Erklärung. Damit das auch so bleibt, bemühen sich die beiden Müll und Verschmutzung im Gebiet entlang des Gewässers zu reduzieren.
Auf ähnlichen Spuren wandern auch andere Unternehmer in Nordirland. Die Wertschätzung gegenüber der Natur sowie der regionalen Kulinarik werden hier allgemein gerne mit touristischen Angeboten verknüpft. Auf der Broughgammon Farm kann zum Beispiel aus einer Vielzahl von Kursen ausgewählt werden und das Handwerk des Backens oder der Fleischerei erlernt werden. Im Café wird das „Farm-to-Fork“-Prinzip gelebt, das bedeutet sehr kurze Wege der Lebensmittel bis sie auf dem Teller landen.
Besonders zauberhaft vermittelt auch Brian Hoey das Konzept des „foraging“, also Nahrungssuche in der Wildnis.
Essbare Wildnis
Die Liebe zur Legendenbildung lässt sich hier ideal mit Erklärungen zu Kräutern, Pflanzen und Pilzen verbinden. Wie bestellt, beginnt es zu Beginn der Führung von Hoey wieder zu regnen. Der nächste Regenbogen lässt aber nicht lange auf sich warten. Er beherrscht die Kunst, Essbares zu identifizieren, erklärt zudem, wo und wie man die Pflanzen haltbar machen oder verkochen kann. So fermentiert er wilden Knoblauch: „Das ist meine Variante von Kimchi.“ Die Historie über wilde Lebensmittel und Heilpflanzen sei genau so wichtig, so Hoey, wie jene über das nordirische Erbe wie Gesang, Poesie und Geschichtenerzählen.
Legenden
Interessiert man sich für Geschichte, muss man in Nordirland aber vorsichtig sein. Neben wissenschaftlichen Erklärungen etwa zu Naturphänomenen, Untersuchungen von Geologen, Aufzeichnungen von Historikern, kriegen üblicherweise Sagen einen ebenso großen Platz in Museen und während Führungen eingeräumt.
Experten gehen beim Giant’s Causeway, der an der nördlichen Küste liegt, davon aus, dass die Entstehung des „Damms des Riesen“ auf die Abkühlung heißer Lava zurückzuführen ist. Die Legende besagt jedoch, dass der Damm vom Riesen Fionn McCumhaill gebaut wurde. Angeblich deshalb, um seinen schottischen Widersacher Benandonner zum Duell herauszufordern.
Über Dunluce Castle erzählt man sich wiederum, dass die Eigentümer in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Burg aufgegeben hätten, weil ihnen das Rauschen des Meeres zu laut geworden war.
Eine weitere wichtige Regel, die man auf einer Nordirland-Reise lernt: Whiskey kann man überall dazugeben und macht in der Regel alles besser. Ob in Süßspeisen oder im Kaffee, je nach Dosis schmeckt es nicht nur, sondern wärmt auch von innen. Wer sich zudem für den Produktionsprozess interessiert, lernt in Bushmills, wo sich die älteste Whiskey-Destillerie der Welt befindet, mehr.
Zu empfehlen ist es, sich nicht nur in den ländlichen Regionen durchzukosten, sondern auch einige Tage in der nordirischen Hauptstadt Belfast zu verbringen. In der Heimat der Titanic startet man am besten mit einer Foodtour – ausgehend vom St George’s Market. Um die Extrakilos wieder loszuwerden, kann für einen atemberaubenden Blick auf die Stadt im Anschluss am Belfast Castle zum Gipfel von Cave Hill wandern.
Anreise
Flüge gehen täglich von Wien nach Belfast. Nordirland kann ideal mit einem Mietauto erkundet werden. -Kompensation 8,85 €, etwa via climateaustria.at
Filmset
Seit viele Teile der Erfolgsserie „Game of Thrones“ in der Region gedreht wurden, werden etliche Touren zu diesem Thema angeboten.
Unterkunft
Killeavy Castle Estate liegt auf einer 350 Hektar großen, gemischten Farm- und Waldfläche im Slieve Gullion in der Grafschaft Armagh. Eine Autostunde von den Flughäfen Belfast und Dublin entfernt. Spabereich, exzellente Küche sowie etliche Attraktionen in der Nähe der Unterkunft.
Auskunft
ireland.com
Sollte der Regen nach mehreren Tagen Sightseeing und Reisen durch die Landschaft doch einmal stören, kann ein irisches Lied der Band „The Soggy Bottoms“ einen weisen Rat geben: It never rains in a pub. Zum Anstoßen ruft man Sláinte!
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