Tradition trifft Tourismus: Ein Besuch bei Weberinnen in Kenia

Tradition trifft Tourismus: Ein Besuch bei Weberinnen in Kenia
Das ostafrikanische Land ist bekannt für seine Savannentiere, hat aber auch Handwerkskunst und sehr freundliche Menschen zu bieten. Wie eine Gruppe Frauen sich ein soziales Netzwerk geknüpft hat.

Rund zwanzig Frauen tanzen in farbenreichen Gewändern und Flip-Flops über den rötlich-erdigen Boden, während sie ein Lied auf Swahili singen. Sie drehen sich um die eigene Achse, schwingen die Hände in die Höhe, wackeln mit den Hüften. Ihre Bewegungen sind keineswegs synchron, jede von ihnen macht etwas völlig Eigenes: Während eine nach links läuft, steppt eine andere nach hinten, wieder eine andere schräg nach vorne. Und trotzdem ist die kurze Performance, in all ihrem Chaos und all ihrer Lautstärke, stimmig. 

Diese besondere Begrüßung erwartet Reisende, die den etwas versteckten Weg zu den Weberinnen von Godoma, im Südosten Kenias, finden. Jeden Montag treffen sie sich an einem Platz zwischen kleinen Hütten und Hühnerkäfigen. Sie sind aber eigentlich nicht zum Tanzen da, sondern um bunte Körbe und Untersetzer aus Sisal - eine Naturfaser aus Agavenblättern - zu flechten. Ihre fertigen Werke verkaufen sie vor allem an Bekannte und auf Märkten.

Tradition trifft Tourismus: Ein Besuch bei Weberinnen in Kenia

Frauen weben bunte Körbe und Untersetzer aus Naturfasern -  und helfen zusammen.

Von klein auf gelernt

Viele der Weberinnen, die sich 2021 zusammengeschlossen haben, sind Profis in der traditionellen Kunst. So auch die vierzigjährige Hope Wakesho, die bereits mit fünfzehn Jahren begonnen hat: „Als Kind habe ich immer meiner Mutter zugeschaut. Da habe ich beschlossen: Das will ich später auch machen“, erinnert sie sich und lächelt schüchtern.

Arbeiten ihre Kolleginnen und sie, sitzen sie bei oftmals hohen Temperaturen im Schatten eines Baumes auf Bänken oder Boden zusammen. Während sie die bunten Fäden mit geschickten und schnellen Handbewegungen miteinander verknüpfen, scheinen manche von ihnen nur für sich zu sein. Andere plaudern nebenbei, lachen immer wieder auf.

Wakesho gefällt die Atmosphäre in der Gruppe. „Wir unterstützen uns und sind geduldig miteinander. Braucht jemand Hilfe, helfen wir“, sagt sie. Das ist aber nicht der einzige Grund, aus dem sie sich den anderen Frauen angeschlossen hat: „Wir verdienen auch mehr Geld.“

Vom Korbflechten leben, das ist nicht einfach. Einerseits ist Sisal für die Weberinnen oft nur teuer oder weit weg erhältlich, fressen ihn nahe der Nationalparks doch oft die Elefanten auf. Auch die synthetischen Farben gibt es nicht überall. Und letztlich gilt es, die Körbe auch wirklich zu verkaufen.

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Godoma, Kenia

Weniger Armut

Gemeinsam geht all das einfacher. Außerdem erhält die Gruppe seit einem Jahr Unterstützung: Sie ist Teil eines Projekts der Taita Taveta Wildlife Conservancies Association (TTWCA) und der African Wildlife Foundation, das die Armut der Bevölkerung und damit Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren lindern soll. Haben die Menschen bessere Jobs, gehen sie nicht mehr auf die - eigentlich bereits seit 1977 verbotene - Jagd nach Elefanten und Co, so die Idee.

Die Weberinnen erhalten nicht nur materielle Unterstützung, sondern auch Weiterbildungsmöglichkeiten - in Form von Perlenstick-Workshops etwa oder einer eigenen Modell-Sisalfarm. Geld dafür kommt unter anderem aus den Niederlanden - von der Tui Care Foundation, eine vom deutschen Touristikunternehmen Tui finanzierte Stiftung.

Hope Wakesho und ihre Kolleginnen flechten auch zu Hause weiter, wann immer sie Zeit haben. Für die meisten bedeutet das: zwischen Haushaltsaufgaben und Kinderbetreuung. Traditionelle Geschlechterrollen und auch Teenager-Schwangerschaften sowie geschlechterspezifische Gewalt kommen in Kenia, wo es eine starke Arm-Reich-Schere gibt, noch häufig vor.

Wakesho aber ist bereits etwas gelungen, was für viele Kenianerinnen nur schwer vorstellbar ist: Sie ist heute in ihrer Familie die Hauptverdienerin, kann für Essen und das Schulgeld der Kinder zahlen. Ihr Mann unterstütze sie jetzt bei ihrer Arbeit, sagt sie.

Mit seiner Hilfe, jener der anderen Weberinnen sowie den neu erlernten Techniken flechte sie mittlerweile etwa zehn statt früher fünf Körbe pro Monat. Und es könnten bald noch mehr werden. Während die Frauen den Sisal aktuell noch händisch verdrillen - erst danach kann er verflochten werden -, soll das in Zukunft eine Maschine für sie übernehmen.

Tradition trifft Tourismus: Ein Besuch bei Weberinnen in Kenia

Die Weberin Hope Wakesho hat erreicht, was nur wenige Frauen  in Kenia schaffen: Sie ist heute die Hauptverdienerin der Familie.

Mehr Sichtbarkeit

Im Marketing gibt es ebenfalls noch viel zu tun. Derzeit ist ein eigener Onlineshop in Planung. Spätestens dafür müssten aber auch die Jungen mit ins Boot, bisher besteht die Gruppe ausschließlich aus Frauen über fünfunddreißig.

„Das Korbflechten ist eine alte Tradition“, weiß Alice Lenjo von der TTWCA. Viele Junge hätten ihren Müttern und Großmüttern - wie einst Hope Wakesho - dabei zugesehen: „Und viele haben erkannt, dass sie damit wenig erfolgreich sind. Warum also sollten sie mitmachen?“ Wenn sich das mit dem Erfolg erst mal ändere, werde das Handwerk auch für Jüngere wieder attraktiver, glaubt Lenjo.

Dazu kommt, dass der Treffpunkt der Weberinnen aktuell eher schwer zu finden ist, kaum ein Tourist verirrt sich zu ihnen. Dabei gibt es hier großes Potenzial, wimmelt es in der Region doch geradezu von Safari-Urlaubern.

In Zukunft will man daher mit Straßenschildern und besseren Standorten auf sich aufmerksam machen sowie verstärkt mit den Hotels in der Umgebung zusammenarbeiten. Bereits jetzt kann man die Produkte der Frauen in so manchem Souvenirshop kaufen, wobei sie über diesen Umweg jedoch weniger Geld verdienen.

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Die bunten Produkte der Weberinnen

Die Weberinnen besuchen

Mehr haben sie davon, wenn Touristen sich bei der TTWCA melden und dann persönlich bei ihnen vorbeikommen und einkaufen. Das hat jenen Vorteil, dass man die Weberinnen so auch kennenlernen und ihnen bei der Arbeit zusehen kann, die sie einem mit Freude erklären.

Und: Es gibt nicht nur eine bunte Begrüßungs-, sondern auch eine Abschiedsperformance, die dazu einlädt, mitzutanzen. Die Frauen sehen dabei aus, als würden sie sich tänzerisch miteinander verflechten.

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