Ghana: Die grandiose Reise in das unbekanntere Afrika
Es sollen bis zu eintausend Sklaven gleichzeitig in diesem Keller gewesen sein, sagt der Guide. Seine Gruppe schaut sich im zweihundert Quadratmeter kleinen Gewölbe im Cape Coast Castle um. Es ist dunkel, winzige Löcher in den Mauern lassen kaum Licht und Luft in die feuchten Räume, eine Rinne verläuft quer über den Boden. Bis zu zwölf Wochen seien sie hier eingesperrt gewesen, dann brachte sie ein Schiff zu den Plantagen in der Neuen Welt.
Die Hälfte der Menschen starb schon davor. Während der Guide die Sklavengeschichte umreißt – von Menschenräubern über Foltermethoden bis Kolonialverbrechen – verlassen einige den Kerker und gehen in den großen Hof des Castles, wo man das tobende Meer im Golf von Guinea sieht. Das Cape Coast ist eine der vierzig einstigen Sklavenburgen und gut erhalten. Weißer Muschelkalk mit dunkler Geschichte.
Ghana ist exotischer
Plötzlich weiß man genau, warum man in Ghana ist.
Wer sich für Westafrika entscheidet, weiß vielleicht nicht, warum. Für Menschen, die Reisen als Horizonterweiterung begreifen, ist es der nächste große Schritt. Wenn man einmal Europa verlassen hat und auch Gegenden mit hoher touristischer Infrastruktur wie Südostasien kennt, landet man irgendwann in Afrika. Und ist nach Safaris oder Kulturstätten neugierig, was es noch gibt. Warum dann nach Ghana?
Das Land ist eine der wenigen funktionierenden Demokratien auf dem Kontinent und wirtschaftlich der Musterschüler in Westafrika. Hierher kommt man nicht wegen der Tiere oder des Strandurlaubs. Sondern wegen Geschichte, Kultur und wegen der Menschen.
Ist das ein Slum?
Die Reise beginnt ziemlich sicher in der Hauptstadt Accra. Die wichtigsten Plätze und Sehenswürdigkeiten hat man in zwei Stunden erledigt, danach beginnt das Leben.
Etwa in den Bars der Oxford Street, wo man sich beim Gedanken ertappt, dass vieles hier nicht anders ist als daheim. Schon alleine deswegen sollte man die Altstadt besuchen, die in Accra aus zwei Teilen besteht: der einst holländische – Ussher Town; und der englische – Jamestown.
Die dort ansässige James Town Boutique bietet walking tours, bei denen man schnell dem Leben nahekommt: in der Boxschule, auf dem staubigen Fußballplatz, im Plausch mit Menschen, die in den engen Gassen kochen, waschen, spielen. Sie werfen einem ein breites „Welcome to Ghana!“ zu. Man fragt sich, ist das hier ein Slum, alle verneinen, hier sei einfach das dichte, enge Leben eines sehr alten Stadtzentrums.
In drei Tagen hat man den Überblick und kann sich auf die Reise machen – entlang der Küste, die immer noch Goldküste genannt wird, obwohl das der britische Kolonialname war – aber Ghana trat 1957 auch als erster Staat der Subsahara dem Commonwealth bei.
Surfen oder Geschichte?
Wo an dieser Küste man länger bleibt, entscheiden die Vorlieben: Es gibt fantastische Surfspots, traumhafte Strände – und die Geschichte der Sklaverei. Wegen ihr kommen zunehmend Besucher aus den USA auf der Suche nach ihren Wurzeln, der heritage tourism boomt.
Neben dem Cape Coast Castle ist vor allem jenes in Elmina sehenswert, mit 540 Jahren gilt es als ältestes Kolonialbauwerk der Subsahara. Besonders beeindruckend ist in der Kleinstadt die Ankunft der Fischer, wobei man auch hier nicht das saubere Idyll mediterraner Häfen erwarten darf. Hier geht es um Leben und Überleben. Hier wird man beeindruckt.
Im Hinterland
Einige Abstecher weg vom Meer sollte man jedenfalls unternehmen – so man nicht ohnehin auf Rundreise ist. Der Natur begegnet man zum Beispiel im Nationalpark Kakum oder im Monkey Sanctuary Tafi Atome.
Und immer wieder stößt man auf das Thema Kakao: Weltweit kommen siebzig Prozent davon aus Westafrika – einen Besuch auf Plantagen oder bei jenen Initiativen, die eine nationale Produktion von Schokolade ankurbeln, sollte man mitnehmen. Ebenso die Manufakturen der allgegenwärtigen beads: Die Glasperlen sind tief in Ghanas Geschichte verwurzelt, mit ihnen wurde gezahlt, Farben und Formen zeigen Stellung und geben Botschaften, etwa ob jemand noch unverheiratet ist.
Vieles, das man erlebt, wirkt im aufstrebenden Ghana wie Tradition ohne moderne Bedeutung. Ist es meist aber nicht, etwa die dörflichen Strukturen mit ihrem Ältestenrat, die man noch immer hochhält – man sollte dem Chief des Dorfes immer seine Aufwartung machen. Oder die riesigen Begräbnisfeiern, auf die man täglich stößt – Stichwort Hunderte rote, schwarze und weiße Plastiksessel.
Apropos Tod: Jedenfalls sollte man bei Keku Henson in Gomoa Mpota vorbeifahren. Der Särgemacher hat viel über das Leben in Ghana zu erzählen: Viele lassen sich dort in Särgen bestatten, die ihrem Beruf, Hobby oder ihrer Persönlichkeit nachempfunden sind. Oft werden die Särge auch erst von Hinterbliebenen ausgesucht. Diese Gespräche seien immer gleichzeitig „sad AND fun“, erklärt Henson. Er lacht dabei.
Auch das erklärt Ghana eigentlich ganz gut.
Info
Package. Akwaba Afrika bietet mehrere Reisen nach Ghana, z. B. eine 15-tägige Kulturreise „Ghana auf Augenhöhe“. Start Accra, Besuch sozialer Projekte, des Mount Gemi, der Voltaregion sowie Waldreservate und kleiner Dörfer. Ganzjährig buchbar, ab 3.570 € p. P., Info: akwaba-afrika.de
An- und Einreise. Flüge z. B. mit Brussels Airlines oder Turkish Airlines (je ein Umstieg), -Kompensation ab 82 € via atmosfair.de
Ein Visum ist erforderlich, eine Impfberatung wird empfohlen
100 Cedi sind 7,67 €. Die Währung wird in 100 Pesewas unterteilt
Auskunft. visitghana.com
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