Johannas Fest: Die Kunst des Beschenkens

Es gibt nicht nur die Kunst des Schenkens, sondern auch jene des Geschenke-Empfangens.

In unserer Wohlstandsgesellschaft türmen sich meist unter dem Christbaum die liebevollst verpackten Geschenke. Wäre weniger mehr oder gar gar nichts ideal? „Bitte keine Geschenke“, flehte mein vor zwei Jahren völlig unerwartet verstorbener Bruder. Pierre machte beim Vortragen seiner Bitte ein Gesicht, als hätte er schreckliche Zahnschmerzen.

Als seine engste Verwandte hatte ich die traurige Aufgabe, seinen Nachlass zu regeln. Dabei merkte ich, dass er anscheinend wirklich alles hatte, außer Platz. Er selbst gehörte der Schenker-Riege der garantierten Freudenspender an. Anscheinend hatte er schon das ganze Jahr nachgedacht, Präsente besorgt, instagramable verpackt und dazu noch liebevolle, begleitende Texte verfasst. Nicht der materielle Wert stand im Vordergrund, sondern die geniale Idee. Sie war stets Resultat intensiver Beschäftigung mit den zu beschenkenden Personen und damit deren Wertschätzung.

Apropos materieller Wert: Die Ausgaben sollen für die Geber nicht existenzgefährdend sein, die Weihnachtsgeschenke sollten aber auch nicht Ramsch aus den „Alles 1 Euro“-Shops sein. Da kaschiert dann auch die edelste Verpackung nicht die Minderwertigkeit der Gaben.

Nachhaltig, aber noch geiziger handeln die Recycling-Spezialisten. Das sind jene, die Geschenke, die sie selbst bekommen haben und nicht schätzen, weitergeben, ehe diese in ihrer Wohnung zum Staubfänger werden. Selbst wenn es sich um ein teures Designerstück handelt, muss es beim neuen Empfänger kein Entzücken hervorrufen. Schließlich können die Farben gar nicht passen oder im Fall von Kleidungsstücken der Stil und die Größe. Und dann gibt es noch die Big Gatsbys: Ihre Geschenke reichen je nach individuellem Kapital vom edlen Schmuckstück über die Statement-Handtasche bis zur Einladung zu einer Kreuzfahrt auf einem Luxusschiff.

Es gibt aber nicht nur die Kunst des Schenkens, sondern auch jene des Geschenke-Empfangens. Deutlich gezeigte Begeisterung für die erhaltenen Präsente, das ist es, was deren Spender glücklich macht. Man muss nicht gleich in Jubel oder Freudentränen ausbrechen, aber auf keinen Fall sollen wir die positiven Emotionen zurückhalten.

Gegenseitige Wertschätzung ist der wahre Wert von Geben und Nehmen und das nicht nur zu Weihnachten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen und Freunden ein frohes Fest!

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