In Krakau eine Auszeit von der Hektik nehmen
Musik der 1920er-Jahre empfängt die Gäste des Klezmer Hois in Krakau. Auch die Möbel stammen aus der Zeit. Wojciech und Małgorzata Ornat haben sie von Antiquitätenhändlern und Flohmärkten zusammengetragen, weil sie die Welt wieder erstehen lassen wollen, wie es im Stadtteil Kazimierz, einem der größten jüdischen Zentren Europas, vor dem Zweiten Weltkrieg war. Hier in der Szekora-Straße, die eher ein Platz ist, lebten seit dem 15. Jahrhundert Juden. Damals war Kazimierz eine eigene Stadt. Nach und nach entstanden hier Synagogen und ein reges jüdisches Leben.
Um eben an dieses anzuknüpfen, erinnert nicht nur das Ambiente im Klezmer Hois an die 20er-Jahre – auch die Speisekarte im Restaurant könnte aus der Zeit stammen. Gefillte Fisch findet sich dort genauso wie eine Suppe mit Matzeknödel. Weil die Ornats im Zweitberuf noch Verleger sind, stapeln sich im Haus viele Bücher.
Das Grätzl, das während der Sowjetzeit eine No-go-Area war, wie ein Einheimischer erzählt, ist mittlerweile eines der hippsten Ausgehviertel der Stadt – an lauen Sommerabenden bekommt man hier kaum einen freien Platz.
Die Altstadt Krakaus ist nur zehn Gehminuten vom jüdischen Viertel entfernt. Die Universität, die älter ist als jene in Wien, prägt bis heute das Bild und das Leben der Stadt, so gibt es hier einige gemütliche Kaffeehäuser, wie das Massolit Books: Holz macht die Einrichtung in den einzelnen Zimmern heimelig und lädt dazu ein, sich mit einem Buch zurückzuziehen. Viele Studierende nutzen das.
Der Besuch des mittelalterlichen Marktplatzes, der zu den größten Europas gehört, ist Pflichtprogramm, betont Reiseleiterin Sylwia Jeruzal. Besonders reizvoll ist, dass der Platz nicht von internationalen Ketten umsäumt wird, sondern fast nur von polnischen Geschäften und Restaurants. In der Mitte stehen die herrlichen Tuchhallen. Sie sind eines der bedeutendsten Beispiele der Renaissance-Architektur in Mitteleuropa.
Die große Liebe der Reiseführerin, die auch Kunsthistorikerin ist, gehört Veit Stoß, der von 1477 bis 1496 in Krakau lebte: „Schauen Sie sich dieses Kreuz an“, sagt sie in der Kirche Maria Himmelfahrt. „Das sieht aus wie Holz, dabei ist es aus Stein gemacht. Auch der Corpus Christi ist ein erstaunliches Kunstwerk – selbst die Zähne, die man von der Ferne nicht sieht, sind detailgetreu nachgebildet. Und der Faltenwurf hat ein Eigenleben.“
Die Fabrik von Oskar Schindler, der während der deutschen Besatzung 1.200 Juden rettete, steht ebenfalls auf der Erkundungstour wie der Park Platy oder die Burg Wawel. Die Stadt wirkt entspannt, was auch Jeruzal liebt: „Krakau ist eher eine gemütliche Stadt, nicht so hektisch wie Warschau.“ Nur bei der Kajak-Rund auf der Weichsel wird es ein wenig hektisch – wer gerne auf dem Wasser ist, sollte sich das aber nicht entgehen lassen. Vom Fluss aus hat man einen ganz besonderen Blick auf die historische Stadt. Übrigens: Jetzt ist der beste Zeitpunkt für eine Krakau-Reise, weil es derzeit nicht von Touristen gestürmt wird.
Klimafreundliche Anreise
Mit der ÖBB von Wien in sechs Stunden erreichbar. oebb.at
Übernachten
Klezmer Hois, DZ ab ca. 40 €. klezmer.pl
Essen
Polnische Küche, neu interpretiert im Kogel Mogel. kogel-mogel.pl/
Kajakfahrt
Tour auf der Weichsel, 3 € p. P. kkw29.pl
Stahlwerk Nova Huta
Unterirdisch wurden hier Bunker für einen Atomkrieg gebaut, sehenswerte Tour durch die sowjetische Architektur – wäre eine wunderbare Kulisse für einen James-Bond-Film der 60er-Jahre. Englische Führung für rund 6 € p. P.: fundacjanh.org/en/
project-enha-trip/kombinat/
Museum Mocak
für Zeitgenössische Kunst. Noch bis Februar ist die Ausstellung: „Politik in der Kunst“ zu sehen. mocak.pl
Deutschsprachiger Guide
Sylwia Jeruzal ist in Krakau aufgewachsen und weiß über jede Ecke etwas zu erzählen, Führung ab 80 €.
Tel. +48 507 27 96 99
Mail: jers11@op.pl
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