Hochpustertal: Der 22-Minuten-Rekord auf der Kammabfahrt von Sillian
Kinder sehen Skigebiete durch ihre Augen. Sie entdecken Pistenteile, die Erwachsenen wegen Größe und Ungelenkigkeit verborgen bleiben. Nach ein, zwei Tagen in einem neuen Skigebiet sprechen Kinder von einem Wellenwaldstück, von der geilen Schanzenstrecke und der Geheimabfahrt – und unsereins kann ihnen weder dem Wort noch dem Weg nach folgen.
Da ist es ein Glück, wenn die achtjährige Tochter Rosemarie von einer normalen Piste schwärmt, die sie „am meisten liebt“ und „mit ihrem Papi fahren will“. Und so schnallt sich der Papa an der Bergstation der Thurntalerbahn II auf 2.405 Meter die Skischuhe enger, denn Rosemarie ist die sechs Kilometer lange Kammabfahrt von ganz oben bis unten gestern in zweiundzwanzig Minuten gefahren. Und ihre explosive Geste zeigt, sie gibt sich damit nicht zufrieden. Eintausenddreihundert Meter Höhendifferenz fast ohne Pause, der untere Teil wegen des warmen Märzwetters ein nasses Schneeband (aber sogar jetzt noch sauber bis unten präpariert).
„Komm, Papi!“ Erbarmungslos.
Der Sohn pfeift auf die Familien-Skizeit
Anfangs führt die Signature-Abfahrt des Skigebiets Sillian/Hochpustertal als Band flach auf dem Kamm. Der Papi schaut Rakete Rosemarie nach und freut sich über die gemeinsame Skizeit. Die ergibt sich nur, weil der zehnjährige Bruder nach dem zweiten Abend im Spielzimmer des Hotels klargestellt hat, dass er ab jetzt mit seinem neuen Freund Skifahren will. Im „Dolomiten Residenz Sporthotel“ wird von kreativem Basteln bis Cocktailmixen für Teenies und von Billard bis Wuzeln genug geboten, dass sich sogar fünfzehnjährige Adams aus Deutschland und zehnjährige Valentins aus Wien miteinander beschäftigen. Ab dann fallen nicht nur die angebotene „Winterwanderung für die ganze Familie“ und der Ausflug ins vier Kilometer entfernte Italien flach, sondern eben auch gemeinsame Skistunden.
„He, nicht überholen!“, fordert Rosemarie, als der Vater auf dem letzten Teil des Kammflachstücks an ihr vorbeigleitet – er beschleunigt gewichtstechnisch einfach besser. Sie nimmt Rennhaltung ein und fährt mit Karacho in den Steilhang der Abfahrt ein. Bei jedem Bogen kurzer Blick zurück, ob der Papi eh nicht wieder zum Überholen ansetzt. Der hat aber gerade nur Blick für die Berge: Von hier aus hat man unanständig gute Einsicht in die Dolomiten samt Drei Zinnen. Direkt auf der anderen Talseite liegt die Kammgrenze zu Italien. Die Piste taucht in den Wald ein, die Tochter stoppt für den Bruchteil einer Sekunde, wodurch der Vater ihre funkelnden Augen sieht. Ab hier wird sie ihr Wissen über Waldschleichwege gnadenlos gegen den klobigen Erwachsenenkörper ausspielen.
Plötzlich schießen ein Zehn- und ein Fünfzehnjähriger vorbei, ein „Hi, Papa!“ mischt sich mit aufstaubendem Schnee. Der kurze Moment war die zweite Vater-Sohn-Begegnung des Skitages. Bei der Hütte traf man sich auch beim Ski-Ab- bzw. -Anschnallen.
Der Osttiroler Geheimtipp
In jenem Alter, wenn sich die Selbstständigkeit und folglich die Freiheitssuche des Kindsvolks rasant entwickeln, braucht man ein Skigebiet, das übersichtlich genug, aber auch schon ein wenig anspruchsvoll ist. In dieses Profil passt Sillian/Hochpustertal perfekt: Die sieben Liftanlagen umfassen zwar ein großes Gebiet (bis ins Villgratental hinein), man kann mit den Kids aber gut abklären, wo man sich wieder trifft. Die Pisten sind meist mittelschwer (rot), einige einfacher (blau) und eine schwieriger (schwarz). Reizvoll sind die Offpist-Hänge neben den Pisten, auf denen auch Kinder einmal ungefährlich das Tiefschneefahren probieren können. Dank der Höhe (die meisten Pisten liegen über 1.800 Meter) ist es schneesicher und wegen der Lage im südlichen Eckerl des Landes ein „Geheimtipp“, wie die Auszeichnung von Skiresort.at besagt: „Testsieger 2024: Weltweit führendes Skigebiet bis 30 km Pisten“.
Als Rosemarie doch wieder einmal ein bisschen Piste statt Waldweg erlaubt, steht die Stoppuhr bei Minute vierzehn. Weshalb ab jetzt die Direttissima gefahren werden muss. Keine Zeit für zu viele Schwünge im weichen Talschnee. Keine Zeit für Schauen. Als aber, kurz vor dem Schlusshang, sogar der geliebte Bruder einmal bei ihr abschwingt, erlaubt Rosemarie dem Vater ein Foto vor der spektakulären Burg Heinfels, die über dem Pustertal thront. Gnädig.
Rekord wird morgen gebrochen
Neben solchen Pistenerlebnissen brauchen Familien für einen gelungenen Skiurlaub Hütten mit vernünftigem Essen, aber ohne übertriebenes Halligalli – gibt es hier, einige Einkehrmöglichkeiten sind sogar noch urig. Und vielleicht die Möglichkeit einer kleinen Auszeit. Die kann man sich im erwähnten Hotel einerseits im Wellnessbereich holen (der wirklich großzügig ist, mit eigenem Saunahaus im Garten, man erlebe den Saunameister). Oder aber naturverbundener bei einem Spaziergang oder Joggen entlang der Drau, die hier ein beschaulicher Fluss ist.
Die Schlusszeit beim Abschwingen war übrigens ein bisschen über zweiundzwanzig Minuten. „Fahrst du morgen mit mir noch einmal, Papi?“, fragt Rennrosie deswegen auf dem Weg von der Talstation zum Hotel, der durch einen eigens errichteten Tunnel unter der Bundesstraße führt, sehr praktisch für freiheitssuchende Kids.
„Ich fahr’ morgen auch mit“, ruft von hinten ein Bruder.
Anreise Mit Bahn gut zu erreichen; ab Wien über Lienz in knapp 7 Std., Abholung ab Lienz wird meist angeboten. oebb.at
Quartier Das „Dolomiten Residenz 4*s Sporthotel Sillian“ liegt direkt neben der Piste; großzügige Pool- und Saunawelt, große Speiseauswahl/Buffet und sehr viel Kids-/ Jugend-Programm. Preis-Bsp. Familienzimmer Landleben mit HP: ab 173 €/P pro Tag/Erw. (bis 3 J. gratis, bis 6 J. 47 €, bis 15 J. 50 % erm.) sporthotel-sillian.at
2.407 Meter ist der höchste Punkt des Skizentrums Sillian-Hochpustertal (7 Lifte, 22,4 km Piste). Tageskarte/HS Erw. 67 € (bis 5 J. gratis, 6-18 J. 33,50 €). hochpustertal-ski.at
Programm Abseits des Skifahrens gibt es viel zu machen: Langlauf, Biathlon, Mittelalterliches, Märkte, ... Info: osttirol.com
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