
Nachts in Hanoi und Saigon: Exzess und Müßiggang
Die Millionenmetropolen Hanoi im Norden und Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes sollten auch in der Nacht entdeckt werden. Beschaulich ist hier wenig – dafür aufregend. Ein Städtevergleich für Nachteulen.
Suppe um zwei Uhr morgens, Cà Phê Trúng (vietnamesischer Eierkaffee) um Mitternacht, Maniküre um 22.30 Uhr, Einkaufen am Markt weit in den Abend hinein.
Wer den Mythos verbreitet, New York sei die Stadt, die niemals schläft, war noch niemals in Hanoi oder Ho-Chi-Minh-Stadt (vormals Saigon). Hier haben die Nächte mindestens so viel zu bieten, wie die Tage. Soziales Zusammentreffen, Shoppen, Speisen, Kaffehauskultur erleben und Schlendern gehören hier zur Allnacht. Ja, richtig. Nicht der Alltag in den Metropolen im Norden (Hanoi) und im Süden (Ho-Chi-Minh-Stadt) Vietnams soll hier relevant sein. Nicht über Paläste und Pagoden, Ho-Chi-Minh-Denkmäler, koloniale Postämter und das Kriegsmuseum soll hier berichtet werden. Ja, auch dort gibt es einiges zu sehen. An dieser Stelle soll es aber um das wahre Wesen der Städte gehen.
Eine asiatische Weisheit besagt: „Das Gesicht des Menschen erkennst du bei Licht, seinen Charakter im Dunklen“. Das gilt auch für Städte. Und die Charaktere von Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht.
Saigon will mehr sein
Die südvietnamesische Hafenmetropole, besser bekannt unter ihrem früheren Namen Saigon, versprüht mehr moderne, kapitalistische Konsum-Freude, Exaltiertheit und Eskapismus (zumindest für Touristen und Touristinnen), als ihr verkitschter Ruf und das Regime der kommunistischen Einheitspartei glauben lassen will.
Von Statuensockeln und Plakatwänden mag Onkel Ho (Ho Chi Minh, marxistisch-leninistischer Präsident von 1945 bis 1969) auf die sozialistische Republik und seine Bürgerinnen und Bürger hinabschauen. Direkt daneben aber haben globale Konzerne wie H&M oder Bosch ihre Wolkenkratzer. Und in den Straßen gibt es noble Luxusrestaurants, versteckte American-Cocktail-Bars, Shops im Überfluss und die Partymeile Bui Vien. Wer sich nachts durch diese Straßen schiebt, möchte meinen, sie hätten das Wort Exzess geprägt.
Krabben, Drinks, Überfluss
Eindrucksvoll und überfordernd sind Hilfsbegriffe für die Beschreibung der Partystraße Bui Vien. Wer nachts in Ho-Chi-Minh-Stadt unterwegs ist, kommt daran kaum vorbei. Die Straße: laut, schrill und überreizend. Sie erlaubt gar nicht, ignoriert zu werden.
Bars quetschen sich aneinander, buhlen um die Aufmerksamkeit und den Besuch der Menschenmassen, die benebelt von den Eindrücken durch die Straße taumeln. Mit immer noch mehr Stroboskop-Lichtblitzen, bunten Scheinwerfern und plärrend lauter Musik jeglicher Façon und Richtung versucht jede Bar die Nachbarin an Reizen zu übertrumpfen. In und vor den Lokalen tanzen Frauen (in wenigen Bars auch Männer) auf Bühnen und Podesten in schwarzen, knallroten und pinken Lack- und Latex-Outfits, die bei Empathischen Klaustrophobie auslösen. Die visuelle und auditive Überstimulierung ist perfekt.
Dazwischen bieten die mobilen Essensstände alles, was das vietnamesische Steetfood-Repertoire hergibt – und noch mehr. Auf den ausklappbaren Auslagen der Wagen türmen sich lebende Meerestiere, wie Hummer und Krabben – die auch schon mal einen Fluchtversuch wagen (siehe Bild unten).
Wer genug hat von Reizüberflutungen, süßen Drinks und Zurschaustellung und es dem flüchtenden Krebs gleichmachen möchte, findet entspannteren Trubel in und vor den vietnamesischen Cà Phês, wo bis spät nachts viele junge Vietnamesinnen und Vietnamesen zusammentreffen.
Hanoi überzeugt
Hanoi, die Hauptstadt Vietnams, könnte wohl auch all das, was Saigon macht, muss aber scheinbar niemandem etwas beweisen. Sie ist cool und unkompliziert. Hanoi steht zu seiner Geschichte, vietnamesischer Tradition und Kulinarik – und ist trotzdem eine moderne Millionenmetropole. Gentrifizierung lässt sich nicht leugnen, allerdings wirkt Hanoi authentisch und unaufgeregt. Auch hier gibt es Ausgehmeilen und Party-Attraktionen, wie etwa die berühmte Trainstreet – durch dessen enge Gastgärten Züge rauschen. Die kleinen Häuser stehen direkt an den Gleisen. Daher isst und trinkt auch der Gast direkt an den Gleisen. Riesige Mengen an Plastikblumen und leuchtende Reklamen laden ein, hier das Spektakel zu erleben und sich bis zum nächsten durchfahrenden Zug den ein oder anderen Drink zu gönnen. Nur nicht zu viel – das Abenteuer in der Trainstreet ist nicht ungefährlich.
Noch geschäftiger aber wird es dann in der Altstadt. Auch hier reihen sich die Lokale und Bars aneinander. Die Straßen gleichen einem Fluss aus kleinen typisch südostasiatischen Plastikhockern. Man setzt sich, wo halt gerade Platz ist. Und dann lässt man sich treiben, trinkt vietnamesisches Bier und isst eine Schale Bún Chà (siehe Bild links). Bevor man weiter in die Bar- oder Beer Street zieht.
Und am Wochenende lässt sich vor dem Feiern wunderbar auf den Nachtmärkten schmökern.
Kurz: Hanoi ist deutlich außergewöhnlicher, daher reizender als Saigon. Und vielleicht – so ehrlich muss auch die älter werdende Reisende sein – eine Spur reifer.
Anreise
Flug von Wien via Doha nach Hanoi, -Kompensation via atmosfair.de: 225 €
Rundreise
11 Nächte mit Raiffeisen Reisen p. P. inkl. Flug ab 2.595 Euro. Highlights: Schifffahrt in der Halong-Bucht, das Mekongdelta, Altstadt in Hoi An, Kaisergrab von Minh Mang in Hue. Termine: Okt., Nov., Jän., Feb. und März. Infos in Raiffeisen- und GEO-Reisebüros, bestfortravel.com,
Tel.: 0800 66 55 74, Mail: info@raiffeisen-reisen.at
70
Millionen Motorräder, Mopeds und Scooter fahren durch Vietnams geschäftige Straßen.
Auskunft
vietnam.tr
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