Techno in den Alpen: Das Grand Lighthouse Festival in Bad Gastein
Nach und nach treffen feierlustige Menschen in Bad Gastein ein, man hört Rollkoffer die vielen Stiegen rauf und runter klappern, ein Mann im knallpinken Retro-Skianzug balanciert auf seinen Schultern gleichzeitig ein Paar Ski und einen Pelzmantel mit Leoparden-Print. Vor einem Souvenirgeschäft, mit Kaiserin Sisi in der Auslage, steht ein Herr im Frack und raucht. Die Künstlerin Wencke Pond trägt eine glitzernde Hose mit Pailletten und einen Pokemon-Pulli. Sie und der Galerist Mario Soldo versprühen eine Coolness, die man eher in New York oder Berlin als in einer Salzburger Kleinstadt vermuten würde. Doch Bad Gastein war immer schon mehr: Berlin der Berge, Monte Carlo und Manhattan der Alpen hat man das Dorf schon genannt, das sich gerne als Metropole verkleidet. Hier passt vieles nicht zusammen und deswegen so vieles doch wieder ins Konzept.
Die Kunstausstellung „Gipfelglück“ war Teil des Grand Lighthouse-Festivals, das im Jänner erstmals in Bad Gastein stattfand. Das „Lighthouse“ hat sich vor allem mit dem Flagship-Event in Kroatien einen Namen unter Ravern gemacht. Veranstalter Hennes Weiss und Alexander Knechtsberger haben in den vergangenen Jahren nach Kapstadt, Johannesburg und Sansibar expandiert – und jetzt mit der winterlichen Ausgabe des Boutiquefestivals auch im österreichischen Bad Gastein eine Bleibe gefunden.
Die Künstlerin Wencke Pond hat einige Jahre in Gastein gewohnt und kommt immer gerne zurück: „Ab Salzburg, wenn der Zug in die Berge fährt, da geht mir richtig das Herz auf.“ Pond arbeitet mit alten Printmedien, die sie neu zusammensetzt. Für die Ausstellung in Gastein hat sie alte Motive der Alpen gesammelt, die Drucke sind teilweise fast hundert Jahre alt, und kombiniert sie mit popkulturellen Elementen: Darth Vader schaut finster ins Gasteinertal, Planet der Affen findet auf der Skipiste statt und über dem Grand Hotel de l’Europe hat die Künstlerin eine Discokugel aufgehängt. Für ihre Arbeit geht sie auf „Schatzsuche“. Wer kreativ sein will, müsse flexibel bleiben, sagt sie. So ergeben sich neue Möglichkeiten und Anstöße in der Kunst.
Anreise
Mit dem Zug von Wien über Salzburg, Fahrzeit etwas mehr als 4,5 Stunden. Von März bis Juli 2025 wird zwischen Schwarzach und Bad Gastein aufgrund der Sperre des Tauern-Eisenbahntunnels Schienersatzverkehr eingerichtet. oebb.at
Übernachten
– Haus Hirt: Feines Boutiquehotel mit familiärer Atmosphäre. Thomas Mann soll hier übernachtet haben.
– Unterkunftspakete sind im Festivalticket nicht inkludiert. Skiclub-Mitglieder erhalten Rabatt-Codes im Badeschloss, der Boutique Residenz, dem Miramonte und Comodo
4 Skigebiete gibt es: Schlossalm-Angertal-Stubnerkogel, Sportgastein, Graukogel und Dorfgastein-Großarltal
Lighthouse Festival
Die nächste Winter-Ausgabe des Festivals findet von 23. bis 26. Jänner 2025 statt. Line-up und Programm werden demnächst angekündigt. Es soll organisatorische Verbesserungen geben, heißt es. Im Zentrum stehen aber wieder das Grand Hotel de l’Europe, eine Poolparty und Après-Ski. Tickets und Infos gibt es hier
Auskunft
gastein.com
Auch der Kurort besteht aus Versatzstücken verschiedener Welten und verschiedener Zeiten – der Geist der Monarchie, die Avantgarde der Jahrhundertwende, die Spuren brutalistischer Architektur wie das in den 1970er-Jahren erbaute Kongresshaus im Zentrum. Bad Gastein wurde oft totgesagt und halb aufgegeben. Jetzt ist wieder viel los. Die mondäne Vergangenheit scheint mit einer gewissen Logik ins Heute zu führen. Wer nach Bad Gastein kommt, erliegt schon bei der Ankunft am Bahnhof einem Irrtum, sagt die Gasteinerin Elisabeth, die bei einem Stadtspaziergang wirklich alles über den Kurort zu erzählen weiß. „Die Abwesenheit von Lederhosenarchitektur foppt einen – man glaubt, in einer Stadt zu sein.“ Dabei sei Bad Gastein eigentlich ein kleines Dorf in den Bergen, wie es in Österreich so viele andere auch gibt. Aber eben nicht ganz. Denn urbane Clubkultur vor alpiner Kulisse, für die junge Hipster mit Glitzer im Gesicht hinpilgern, das funktioniert dann doch nicht überall.
Party im Pool
Am ersten Tag des Festivals wird die Felsentherme beschallt. Dort mischt sich das Partyvolk aus den Städten mit den Gasteinern. „Na mei Musi is des ned“, raunt ein älterer Herr im Bademantel im Vorbeigehen, bleibt dann doch sitzen und schaut dem Treiben im Pool interessiert zu. Am Beckenrand ist ein DJ-Pult aufgebaut, im Pool nippen die Gäste an Getränken und nicken zur elektronischen Musik. Hier wird langsam klar, warum sich das Event „Boutiquefestival“ nennt. Denn das, woran viele denken, wenn man Festival sagt, fehlt völlig. Keine Zelte, kein Gatsch, kein lauwarmes Dosenbier. Feiern, aber gediegen, verstrahlt, aber im Bademantel – das scheint hier das Motto zu sein.
Dass Menschen beim Raven im warmen Poolwasser planschen, ist für Bademeister Robert nichts Neues. Schon seit den 1980er-Jahren habe es Poolpartys in der Felsentherme gegeben, damals war noch sein Vater Bademeister. Er ist froh, dass sich immer noch etwas tut, in „seinem“ Gastein. Nur aufs Aufräumen freut er sich nicht und deutet auf die leeren Getränkedosen, die sich am Beckenrand ansammeln.
Raven wie Wes Anderson
Das Gravitationszentrum des Festivals ist das große Grand Hotel de l’Europe im Stadtzentrum von Gastein. Zu Monarchiezeiten war es eines der größten und modernsten Hotels in Österreich-Ungarn. Die Stadtführerin Elisabeth lässt diese Vergangenheit aufleben, wenn sie von Kaisern und Dichtern erzählt, die nach Bad Gastein kamen, von Sigmund Freud und Thomas Mann. Letzterer rümpfte allerdings über den „Kurpöbel“, „Nazitum“ und „Volksgetümmel“ die Nase und reiste bald wieder ab, nicht ohne in einem Brief zu schreiben: „Bin froh, hier wegzukommen.“ Und das, obwohl die Kurort-Kulisse doch sehr an den Zauberberg erinnert. Später kamen Falco, Liza Minnelli und Bono nach Bad Gastein und traten im Grand Hotel auf. Von außen ist es unverkennbar der Zwilling des fiktiven Grand Budapest Hotels. Das von Regisseur Wes Anderson im gleichnamigen Film entworfene Grandhotel gibt es also wirklich – zumindest als Schablone und Inspiration. Hier flammt die Stimmung wieder auf, die Bad Gastein den Ruf einbrachte, das Manhattan der Alpen zu sein. Drinnen, im „Wiener Saal“, wirft das Stroboskoplicht Schatten der Luster an die Wände, an denen Ölgemälde von österreichischen Kaisern und griechischen Musen hängen. Dazwischen drängen sich junge Menschen in Neonfarben und Netzhemden auf dem Dancefloor.
Wer vom Festival mehr mitnehmen will als harte Beats und Rauscherfahrung, muss sich früh genug für die anderen Programmpunkte anmelden. Yoga oder der Anti-Kater-Brunch sind schnell ausgebucht. Das Festival setzt außerdem auf „Location Hopping“. Weil Bad Gastein in den Hang gebaut ist, heißt das: Wer zwischen den Venues wechseln will, legt an einem Partyabend viele Höhenmeter zurück. Vom Grand Hotel geht es über Stiegen den Wasserfall hinauf zur Villa Bergfriede, einer alten Hütte, der als Pop-up-Location neues Leben eingehaucht wurde. Um Mitternacht ist allerdings immer noch nichts los, der Türsteher versucht sich wach zu halten, und der Berliner DJ spielt sein Set vor einem leeren Raum, während vor dem Grand Hotel alle Schlange stehen. Ein bisschen wirkt alles improvisiert und chaotisch und nicht alle Gäste sind vom Konzept überzeugt. Noch drehen sich die Rädchen nicht reibungslos. Doch es ist ein Anfang. Und es passt zu diesem Ort, an dem sich Alt und Neu überlagern und Widersprüche nicht stören, sondern dazugehören.
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