Gin ohne Tonic: Warum Soda gut dazu passt

Ein Glas klarer Schnaps steht neben Wacholderbeeren und Flaschen.
Gin Tonic ist so beliebt, dass es fast schon wieder fad wird. Es geht aber auch anders, wie Hendrick's Master Destiller Lesley Gracie weiß.

Für Queen Mum, Gott hab’ sie selig, wäre es vermutlich ein no go gewesen, Gin mit etwas anderem als Tonic zu mixen.  Die Mutter der heutigen Königin trank täglich – und zwar bis ins hohe Alter von 102 Jahren – ihren Gin Tonic, heißt es. Dass eine der heute wohl bekanntesten (und einfachsten) Spirituosen auch ohne die Zugabe des bitter-süßlichen Tonic Waters vielfältig in Cocktails eingesetzt werden kann, geht im anhaltenden Gin-Tonic-Boom fast unter.  Was schade ist, denn kaum eine Spirituose kann so unterschiedlich eingesetzt werden. Und auch an Mischmöglichkeiten gibt es mehr als nur Tonic und Zitrusfrüchte.

Was in den Gin kommt

Man sollte sich allerdings zuerst  dem Gin selbst zuwenden. Dass er so breit einsetzbar ist, liegt zum Teil an der Vielfalt der am Markt erhältlichen Gins. Und der jeweilige Geschmack ist wiederum die Folge der einzelnen Zutaten („Botanicals“), die ins Destillat eingebracht werden. Lesley Gracie legt das sehr breit an. „Man kann alles verwenden, so lange es Menschen essen können. Das Limit für Gin existiert nicht.“ Es komme nur darauf an, in welche Richtung man gehen wolle. 

Eine Frau im Labor gießt eine Flüssigkeit in einen Messzylinder.

"Britischer Gin"

Der zarten, kleinen Frau mit dem Markenzeichen fast knielanger, grauer Haare, die sie locker zusammengebunden hat, glaubt man das. Gracie ist  „Master Destiller“ der Hendrick’s Gin Destillery und damit jene Person, die für den Geschmack dieses  Gins verantwortlich ist.  Vor zweiundzwanzig Jahren hat die studierte Chemikerin in ihrem Labor im Firmensitz im Küstenstädtchen Girvan im Süden Schottlands an Aromen und Geschmäckern getüftelt. Elf Botanicals wählte sie aus.  „Einer dieser glücklichen Momente“, sagt sie rückblickend über die Komposition.  Destilliert wurde jahrelang ausschließlich in zwei alten, restaurierten Brennblasen ihres   Chefs Charles Gordon. Der Besitzer der schottischen Whisky-Destillerie William Grant & Sons, zu der Hendrick’s gehört, habe einen besonders „britischen“ Gin gewollt, erzählt Gracie. Weshalb   noch untypischerweise Gurken- und Rosenessenz dazukommt. Was wäre  britischer als Gurkensandwiches und Rosenduft? Seit damals hat die Gin-Macherin in ihrem Labor mit  Botanicals experimentiert und die  gewonnenen Flüssigkeiten gesammelt. Destilliert hat sie   fast überall, sogar auf dem Boden einer Hütte im Regenwald von Venezuela, in ihrer Reisedestille mit etwa eineinhalb Meter Durchmesser, die sie  beim Besuch in ihrem „Lab“ stolz zeigt. 

Purer Geschmack

Tonic wäre in diesem abgelegenen Dorf im Regenwald  schwierig zu beschaffen gewesen. Für Destiller wie Gracie – eine der wenigen Frauen in der Branche – zählt der pure Geschmack  während und nach dem Herstellungsprozess. Vielleicht mit ein Grund, warum  ihr Lieblingsdrink mit Sodawasser gemischt  wird.  „Ich trinke normalerweise etwas Einfaches, das die Botanicals zur Geltung bringt.“ Dazu kommen Holunderblüten, für die sie eine besondere Vorliebe in Drinks hat. Als „ausgewogen, erfrischend und perfekt am Ende eines Tages“ beschreibt sie ihn.

Mit Soda

Auf Soda schwören auch viele Barkeeper, und manche Gin-Experten bezeichnen dieses Gin & Soda gerne als „erwachsenen Gin Tonic“. In einem Mischverhältnis 1 : 1 oder 1 : 2 bleibe der ureigene Geschmack jedes Gins unverfälschter als mit Tonic. Bei Fruchtsäften (Gin & Juice) ist das naturgemäß nicht der Fall, offeriert  kreativen Gin-Freunden aber eine weitere Spielwiese. Da ist von Orangen- über Trauben- bis hin zu Zitrusfrüchte-Mischungen alles möglich. Sofern es mit dem jeweiligen Gin harmoniert.

Zitrus und Angosturabitter

Apropos Zitrusfrüchte – gänzlich ohne Tonic kommen auch Sours aus. Bei dieser Cocktail-Gattung wird eine Spirituose mit Zucker- und Zitrusgeschmack gemixt –  das passt  zu Gin. Und manchmal reichen sogar nur ein paar Tropfen des klassischen Cocktail-Würzmittels Angosturabitter für einen eher starken Gin-Drink: Es färbt die Spirituose rosa, was ihm den Namen „Pink Gin“ einbrachte (nicht zu verwechseln mit den pinkfarbenen Mode-Ginsorten, oft mit Beerenaromen). Der heute klassische Cocktailbitter Angostura war 1800 als Mittel gegen Tropenkrankheiten entwickelt worden, Seeleute fanden die Mischung mit Gin bekömmlicher. Und dass   die britische Marine „Pink Gin“ angeblich sehr lange als Mittel gegen Seekrankheit einsetzte, schließt den Kreis zum Gin Tonic. Immerhin hat auch er seine Wurzeln in der Krankheitsverhütung.

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