Frühlingstrip: Wo Italien am geilsten schmeckt
Wir entdecken sie zufällig, die Trattoria in der ruhigen Seitengasse. Wir spazieren an ihr vorbei, als wir uns im Fischerdorf Scopello vor dem Abendessen noch ein wenig die Beine vertreten und an den niedrigen Häusern mit den üppigen Glyzinien und grazilen Zitrusbäumen vorbeispazieren, die süße Abendluft einatmen und beobachten, wie sich die Ruine auf der Hügelkuppe in der Dämmerung dunkel färbt. Von außen wirkt das Lokal unscheinbar: kleine, quadratische Tische mit kurzen Decken, unverzierte Wände. Und so zögern wir. Sollten wir doch zum belebteren Dorfzentrum, zur Musik und den üppig dekorierten Restaurants?
Aber der Genuss, haben wir auf unserer Reise durch die größte Insel des Mittelmeers schnell erkannt, ist in seiner Einfachheit raffiniert. Der erste Kaffee, den wir uns nach der Übernahme des Mietautos in einem Straßencafé gönnen, ist so mild, dass man ein Dutzend bestellen möchte, und so stark, dass ein einziger reicht. Das Himbeer-Nocciolone-Eis, das wir in der kleinen Eistheke Vernaci im Küstenort Castellammare del Golfo kaufen, so intensiv, dass man es ganz langsam schlecken muss. Und als wir vom Foodtruck am Beginn des Nationalparks Dello Zingaro ein Tomaten-Mozzarella-Baguette kaufen, können wir nicht weiterlaufen. Wir müssen innehalten und uns auf einen nahen Felsen setzen, um den Geschmack richtig aufnehmen zu können: die knackige Brotkruste, die saftigen Tomaten mit getrocknetem Oregano besprenkelt, der milde Mozzarella und darunter, der perfekte Kontrast: salzige Sardinen. Bei jedem Bissen rinnt ein wenig Olivenöl übers Kinn und man erkennt, dass es zum Glück nicht viel braucht.
Zubereitung: 40 min
Ruhezeit: 12 Stunden
Portionen: 4
Zutaten
2 mittelgroße Melanzani
3 Stangen Sellerie
1 Handvoll entkernter Oliven
1 Zwiebel
200 ml Tomatenmark
Kapern
Pinienkerne
Olivenöl, Weißweinessig, Salz, frische Basilikumblätter
- Melanzani würfeln und braten. Abtropfen und abkühlen
- Zwiebeln dünn schneiden, anbraten. Abtropfen, beiseitestellen
- Selleriestangen stückeln, blanchieren und anbraten. Kapern und halbierte Oliven beimengen und kochen. Tomatenmark, Zucker, Essig und etwas Wasser, danach Melanzani und Zwiebeln hinzufügen und abschmecken; mit Pinienkernen und Basilikum garnieren
- Für den besten Genuss ein paar Stunden ruhen lassen
Der Duft des Mittelmeers
Nun, an unserem fünften Abend, treten wir also durch die Glastür des unscheinbaren Restaurants. Der Duft von gebratenem Fisch und brutzelndem Knoblauch trifft auf das Gelächter der Gäste, das rasante Geklapper aus der offenen Küche und das Lachen des Kellners: “Bonasera!“ Da ist sie einmal mehr, die sizilianische Herzlichkeit. Ob wir am nächsten Tag noch zum Galadinner bleiben möchten, hatte die Hotel-Rezeptionistin am ersten Abend gefragt. Der Festsaal sei eigentlich schon lange ausreserviert, aber ein Plätzchen würde sich schon finden. Und tatsächlich war dann der edel gedeckte Tisch tags darauf ganz vorne im Wintergarten mit Blick auf den Ätna gewährte, für uns reserviert. Das warme, hauchdünn geschnittene Roastbeef war um frisches Frühlingsgemüse gewickelt, die Trüffelsauce lief üppig über die Teigtaschen, das Lamm zerfiel im Mund und zur Nachspeise gab es saftige Pistazienroulade.
Der Geschmack von Gold
Pistazien zieren auch das Hauptgericht, für das ich mich in Scopello entscheide: Spaghettone Nero mit Garnelen, Stracciatella-Creme und – eben – Pistazien. Sie sind das „grüne Gold Siziliens“, die länglichen Nüsse, die an den Hängen des Ätna wachsen und die durch den nahrhaften Vulkanboden farblich sowie geschmacklich besonders intensiv sind. Doch farbintensiv ist im frühlingshaften Sizilien nicht nur die Pistazie, das trifft auf die gesamte Insel zu. Wir treffen auf sattgrüne Felder mit gelben, roten und pinken Wildblumen. Ein türkisfarbenes Meer, das mit azurblauem Himmel verschwimmt. Rote Eisenbrocken inmitten der schwarzen Vulkanerde des Ätna. Und, natürlich, die bunten Maurischen Köpfe in den Souvenirshops und Keramikläden, die von der dramatischsten Liebestragödie der Insel erzählen.
Der Manie der Liebe
Einst, so eine Version der Legende, verliebte sich eine junge sizilianische Frau in einen arabischen Kaufmann. Die beiden begannen eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Doch dann erkannte die Frau, dass der Kaufmann in seiner Heimat eine Familie hatte – und ermordete ihn im Schlaf. Damit ihr Geliebter jedoch für immer bei ihr bleiben würde, schlug sie ihm den Kopf ab, stellte ihn auf ihren Balkon und pflanzte Basilikum darin an. So üppig wucherte das Basilikum darin, dass die Passanten neidig wurden und bunte Blumentöpfe in gleicher Form schufen. In der Hoffnung, dass ihr Blumen ebenso wachsen würden. Frische Basilikumblätter garnieren nun auch die Vorspeise, die uns der Kellner serviert: Siciliana Caponata, ein feiner süß-pikanter Melanzanisalat (siehe Rezept links unten) der nach heißen Sommertagen in italienischen Olivenhainen schmeckt.
Natürlich ist Sizilien heute italienisch. Es ist die italienische Sprache (oder unsere brüchigen Kenntnisse davon) mit der wir uns mal besser, mal schlechter verständigen; es sind typisch italienische Gerichte, die angeboten werden: Pasta, Eis, Cannoli. Doch die sizilianische Kultur, und das macht sie so faszinierend, wurde von so viel mehr geprägt: Von den Griechen, den Römern, den Byzantinern, den Arabern, den Normannen. Die hektische sizilianische Hauptstadt Palermo trägt besonders Zeugnis davon und am besten kommt die Verschmelzung der Kulturen am Palazzo Reale zur Geltung, mit seinem normannischen Turm, der Renaissancefassade und den arabischen Deckengewölben. Nicht sattsehen konnten wir uns an dem Palast, als wir uns nach der Erkundung in einer kleinen Bar gegenüber bei Cappuccino und Arancina stärkten.
- Anreise
Austrian Airlines fliegt von Wien nach Palermo od. Catania in circa 2 Stunden
-Kompensation via atmosfair.de: 18 € - Beste Reisezeit
März bis Mai und September bis November - 4.000 Tonnen sizilianische Pistazien werden im Ätna-Gebiet im Schnitt geerntet. Der Vulkanboden sorgt für intensive Farbe und Geschmack
- 10 Prozent des italienischen Olivenöls wird in Sizilien produziert. Es gilt als besonders fruchtig
Die Farbe einer Orange
Natürlich, die Arancina! Fast hätten wir sie übersehen: die frittierten, orangefarbenen (deshalb der Name: kleine Orange, Anm.) Reisbällchen mit heißer Füllung. Mal mit Fleischragout und Erbsen, mal Spinat und Mozzarella; mal spitz, mal kreisrund. Aber immer der ideale Mittagssnack. Sie sind stärkend genug für den Nachmittagsausflug, doch nicht so üppig, dass man bis zum Abendessen nicht wieder hungrig wäre. Und dann, endlich, wird sie serviert, die schwarze, mit Tinte schwarz gefärbte Pasta; al dente. Die perfekt angebratenen Garnelen. Vermengt mit feiner Stracciatella-Creme. Abgeschmeckt mit frischen Pistazien. Wie von selbst tragen uns die Beine abends darauf zu der Trattoria im ruhigen Fischerdorf. Diesmal wird vor dem Eintreten nicht gezögert.
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