
Belgien: Eine Rundfahrt im radverliebten Flandern mit einem Experten
Das Radfahren ist in Belgien so eng mit dem Leben verwoben wie die alten flämischen Meister oder die Bierkultur. Wer zwischen Mechelen und Löwen über stilles, flaches Land radelt, kommt auf seine Kosten. Experte Johan gibt Tipps.
Johan also. Das Du-Wort liegt nicht nur daran, dass Johan grundsympathisch ist oder man sich in der Rad-Community duzt. Der Vorname geht auch schneller über die Lippen als Herr Vanswijgenhoven. Südwestlich der Stadt Löwen (Leuven) „fietst“ der passionierte Radler durch einsame Landstriche und Wälder, entlang von Wasserkanälen und durch Dörfer mit Kopfsteinpflasterstraßen, den KURIER im Windschatten.

Radweg am Kanaal Leuven-Dijle.
©Stefan HoferGar nicht weit von der turbulenten Hauptstadt Brüssel entfernt, ist man hier in einer komplett anderen, beschaulichen Welt unterwegs. Was sofort auffällt: Flandern ist flach. So flach, dass man die breiten Täler gar nicht als Täler erkennt. Flandern also. Was verbindet man damit?
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Kunstsinnige schwärmen von der glorreichen Zeit der flämischen Meister. Pieter Bruegel, Jan van Eyck oder Peter Paul Rubens – sie schufen ihre Werke vom 15. bis zum 17. Jahrhundert und sitzen heute im Olymp der Malerei. Ein Citytrip nach Gent, ohne den Genter Altar zu besichtigen? Geht gar nicht! Sportinteressierte wiederum schätzen die unglaubliche Radbegeisterung der Belgier. Zwei der traditionsreichsten Eintagesrennen werden hier ausgetragen: Lüttich–Bastogne–Lüttich (in der Wallonie) ist der älteste der insgesamt fünf europäischen Klassiker, die Flandern-Rundfahrt ist aber sogar noch populärer. Und selbstverständlich kommt der größte Radrennfahrer des 20. Jahrhunderts, Eddy Merckx, aus Belgien. Grund genug, um sich in Flandern umzuschauen und zu fietsen, was Rad fahren bedeutet.
25 Mal das Feinste
Eddy Merckx ist er zwar keiner, aber auf „17.000 bis 20.000 Rad-Kilometer“ im Jahr kommt der passionierte Biker Johan auch. Und das ist ausgesprochen viel. Zudem ist er zweifacher Familienvater. Was davon Priorität hat, verrät er nicht, am liebsten radelt er gemeinsam mit seiner Familie. Für Visit Flanders entwickelt er Radtouren. Ein Vorzeigeprojekt ist „Flanders’ Finest Fietsroutes“. Die 25 dafür ausgewählten Radrouten haben jeweils ein Thema, es gibt Schlösser-, Friedens- oder Städterouten.

Radweg in Flandern: Flach, still, schön.
©Stefan HoferAls Startpunkt oder Quartier eignen sich schöne Städte wie Mechelen oder die Uni-Stadt Löwen. Von Brüssel aus sind sie schnell erreichbar, bieten viel Kultur und noch mehr Gastronomie. In Löwen wird der Oude Markt gerne scherzhaft als längste Theke der Welt bezeichnet – reiht sich doch ein Lokal an das nächste.

In flämischen Innenstädten sind Fahrräder omnipräsent.
©Stefan HoferWie kommt man vor Ort zu einem Fahrrad?
Einerseits organisieren das manche Hotels für ihre Gäste, in Mechelen ist das zum Beispiel beim Hotel Martin’s Paterhof der Fall. Diese Unterkunft ist eine Empfehlung: Die Gäste schlafen in einer ehemaligen, entweihten Kirche mit gotischen Fenstern im Zimmer. Das Frühstück nimmt man im Kirchenschiff ein, statt dem Weihwasserbecken gibt’s eine Espressomaschine.
Wer spontan sein möchte, geht zum „Fietsatelier Mechelen“ und leiht sich ein Rad. In Löwen wiederum ist der Verleih beim Bahnhof (Fietspunt Löwen Station) für Zugreisende praktisch. Johan hat sein eigenes, babyblaues Bike mit Rennradlenker dabei.
Viele „Knoten“ voraus
Nun geht’s raus aus der Stadt, aus Löwen. Am ersten Tag wird eine Schleife nördlich der Stadt gedreht (die „Dieric Bouts“-Tour), am zweiten Tag steht die Meerdaal-Route am Programm. Jeweils rund dreißig Kilometer, für Flamen eine kurze Spazierfahrt.
Den Luxus eines Guides hat nicht jeder. Die Belgier haben sich daher etwas – aus österreichischer Sicht – Ungewöhnliches ausgedacht, wie man offline den rechten Weg findet. An Weggabelungen stehen Tafeln mit Nummern. Das sind fietsknooppunten, wie Vanswijgenhoven sagt.

Tafel zeigen die "Knotenpunkte" an.
©Stefan HoferUnd da kommt der schmale, wasserfeste Papierstreifen ins Spiel, der am Lenker baumelt. „Wenn du nach Knoten fährst, brauchst du nur den Zahlen auf dem Zettel folgen beziehungsweise diese mit den Schildern abgleichen.“
Unterwegs stellt sich das als recht praktikabel raus, das schaffen auch schon Kinder. Blöd ist nur, wenn man sich einmal ein Schild übersieht und falsch abbiegt. Dann sollte man am besten ein Stück zurück und sich wieder richtig einfädeln. Tipp: Vor allem die Meerdaal-Route ist großartig, geht es doch durch viele kleine Orte und den Nationalpark Wälder von Brabant.
Unterwegs bleibt Zeit, um Essenzielles zu klären: Die Flamen sind zwar die niederländischsprachigen Einwohner von Flandern, die Region ist aber (der nördliche) Teil Belgiens. Apropos Sprache.

Feines Essen wird in Mechelen im De Fortuyne serviert.
©Stefan HoferInfos
Anreise Mit Austrian Airlines oder Brussels Airlines nach Brüssel; vom Airport fahren Züge in nur 11 Min. nach Mechelen. CO2-Kompensation via atmosfair.de: 14 €
9 Ikonen-Radwege Themen sind z. B. die Küste, die Schelde oder die Kunststädte. 9 Ikonen Radwege
Unterkunft
– in Mechelen: 4*-Martin’s Paterhof, martinshotels.com
– in Löwen: Park Inn by Radisson Leuven, radissonhotels.com
Essen
– De Fortuyne: Lokal mit delikaten Überraschungsmenüs im Zentrum Mechelens.
– Ongefilterd: Hippes Gastropub in Löwen.
Auskunft visitflanders.com, auf Facebook @Flandern und auf Instagram @visitflanders.de
Ein kleiner Flämisch-Sprachkurs
Beim Stopp im grünen Gastgarten von „De Smererij“, einer ehemaligen Schmiede, erklärt Johan einige Phrasen, um als Urlauber in Flandern voranzukommen. „Wer ein Bier bestellt, ordert een pintje, und bekommt ein kleines Pils“, sagt Johan und zeigt es vor. Zum Essen bestellt man in Flandern gerne een kleine met mayonnaise, eine kleine Portion Pommes frites mit Mayo. Dazu wünscht man sich mit Smakelijk!, guten Appetit. Und wer sich im Small Talk schwertut, der redet auch hier übers Wetter: „Hoe is het weer?“ (Wie ist das Wetter?), sagt Johan und lacht.
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