Arles: Das wichtigste Fotofestival der Welt
Es herrscht eine ähnliche Stimmung wie in Venedig während der Kunst- beziehungsweise Architekturbiennale: Kunstinteressierte und Künstler, Studierende und Kreative nehmen die Stadt in Beschlag. Alles scheint (welt-) offen zu sein – auch viele Gebäude, die für den Rest des Jahres nicht zugänglich sind. Die ganze Stadt ist Kulisse für eine große, großartige Show.
Seit 1970 wird das südfranzösische Arles jeden Juli zur europäischen Hauptstadt der Fotografie. Die Rencontres de la Photographie sind ein jährlicher Fixpunkt und verlässlicher Kompass für all jene, die sich für Fotokunst interessieren. Gut 50 Ausstellungen arrivierter Künstler, aber auch aufstrebender Talente sind bei diesem Fotospektakel zu sehen – in den Museen und Galerien der Stadt, aber auch in Kirchen, Klöstern und in alten, morbiden Palais.
- Das umfassende Programm der Rencontres de la Photographie ist hier abrufbar. Neben den Ausstellungen gibt es ein Begleitprogramm mit Workshops, Vorträgen und Führungen. Der Tagespass kostet im Juli und August
35 €, online 33 €. Jugendliche haben freien Eintritt. - Tipp: Besuch der 1985 gegründeten Fondation Vincent Van Gogh, die Van Goghs Werke aktuellen Arbeiten gegenüberstellt. Für den Besuch sollten Sie etwa zwei Stunden einplanen. Mehr Infos finden Sie hier.
Fotos von der Straße
Von 1. Juli bis 29. September laufen heuer die Rencontres, ein Ehrenplatz im Programm wird der amerikanischen, 2015 verstorbenen Reportagefotografin Mary Ellen Mark eingeräumt. Die Espace Van Gogh zeigt ihre Bilder von Menschen am Rande der Gesellschaft. Sexarbeiterinnen in Indien, Teenager, die auf den Straßen von Seattle leben, Patienten einer Nervenheilanstalt. Ein weiterer Schwerpunkt ist japanischen Fotografinnen gewidmet. Sophie Calle, die 2023 das einzigartige Licht der unterirdischen römischen Cryptoporticus-Stätte wiederentdeckte, ist mit der Schau „Finir en Beauté“ vertreten. Regisseur Joel Coen kuratiert die Schau zu Lee Friedlander, einem der bedeutendsten Vertreter der amerikanischen Straßenfotografie der Nachkriegszeit.
Die Schauplätze der Ausstellungen sind sensationell: Lee Friedlander wird etwa im La Tour, dem futuristischen, silbrig glänzenden Turm von Stararchitekt Frank Gehry zu sehen sein. Der Turm ist weithin sichtbares Zentrum der Luma Foundation, einem einzigartigen Kunst- und Kulturareal, das die Schweizer Pharmaerbin und Kunstmäzenin Maja Hoffmann errichten hat lassen. In Hallen, in denen einst Lokomotiven gewartet wurden, stellen nun Künstler aus. Im Park ist eine riesige, rosa Skulptur von Franz West zu bestaunen, die den originellen Titel „Krauses Gekröse“ trägt. Oder Le Cloître Saint-Trophime: In der historischen Klosteranlage der Stadt waren im vergangenen Jahr bei den Rencontres Szenen und Fotos aus Filmen der großartigen Agnes Varda zu sehen.
- Anreise: Per Bahn über München, Mannheim, Paris, Avignon. Fahrzeit knapp 15 Std. oebb.at. Oder mit dem Flugzeug nach Marseille und per SNCF weiter nach Arles. CO2-Kompensation via atmosfair.de: 19 €
- Auskunft: arlestourisme.com und myprovence.fr
Ach ja, die Stadt selbst: Arles per se ist schon Kunst. Mit ihrem Amphitheater (das heute für Stierkämpfe genutzt wird), mit den Konstantinsthermen, der Nekropolis, dem Römischen Theater. Und dem Van Gogh-Museum, das sich auf die Spuren des Malers begibt. Van Gogh verbrachte hier nur wenige Monate, aber diese waren ereignisreich. Er wurde immer manischer und verzweifelter, malte wie besessen und schnitt sich einen Teil seines linken Ohres ab.
Hoteltipps in Arles
- Das schickste Hotel der Stadt ist das „L’Arlatan“, ein Boutiquehotel, das auch zum Reich der Maja Hoffmann gehört. Ein wilder Mix aus knallbunten, gelb gemusterten Fliesen des kubanischen Künstlers Jorge Pardon. Auch die weißen, lasergecutteten Plastiklampen sind von ihm. Dazu exzentrische Wandbemalung, überall Fotos und Filmplakate, Mid-Century-Möbel. Schon dort einen Drink zu nehmen oder zu essen macht gute Laune. Im Haus befindet sich auch ein Michelin-Stern-gekröntes Restaurant und im Innenhof ein Pool.
- Der klassische Hotel-Kontrapunkt zum „L’Arlatan“ ist das „Nord-Pinus“. Ein Traditionshotel im Stadtzentrum von Arles, in dem einst Prominente wie Ernest Hemingway, Pablo Picasso oder Jean Cocteau Quartier bezogen. Heute sind die Zimmer modernisiert und trotzdem behaglich, der Charme des alten Grandhotels ist spürbar. Abends vor dem „Nord-Pinus“ auf dem Place du Forum zu sitzen und einen Pastis oder Chablis zu trinken, das hat schon was. Vielleicht hat ja am Nebentisch einst Ernest seinen Whisky genossen.
Restauranttipps in Arles
- Ein Tipp für jene, die provenzalisch essen möchten: In der Rue Porte de Laure serviert das Restaurant „Le Criquet“ authentische regionale Speisen: Auberginenpüree, gebratenes Lammkarree oder Bourride (ein Fischgericht) mit Aioli. Superb! Keine Website, Instagram: @le.criquet.arles
- Drum Café: feines, mediterranes Essen. luma.org
- Im Zentrum isst man gut im Camargue Social Club
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