Alt ist nicht gleich alt
Der jung verstorbene Pharao regierte vor 3.300 Jahren. Damit liegt er etwa im Mittelfeld der Pharaonenzeit, die vor mehr als 5.000 Jahren begann.
Es sind diese kaum fassbaren Zeitachsen, die bei einer Ägyptenreise Schwindel erzeugen. Die Jahrtausende fliegen einem nur so um die Ohren, die mittelalterliche Zitadelle Saladins, von der aus man über die Zehn-Millionen-Stadt Kairo blicken kann, wirkt da fast schon modern.
Apropos Zeit: Der seltsam deplatziert wirkende Uhrturm im Hof der Muhammad-Ali-Moschee in der Zitadelle war ein Geschenk des französischen Königs Louis-Philippe I. – er wollte sich damit für den Obelisken von Luxor bedanken, der heute in Paris auf der Place de la Concorde steht. Es war ein schlechter Tausch. Die Uhr hat nie funktioniert.
Neues Zuhause für alte Schätze
Die Schätze Tutanchamuns finden jedenfalls bald eine neue Heimat: im neu erbauten Grand Egyptian Museum. Die Eröffnung des riesigen Komplexes am Stadtrand von Gizeh wurde zwar mehrfach verschoben, aber das Atrium und die große Treppe kann man schon jetzt besichtigen. Es lohnt sich: Klarer als hier wird man das Aufeinanderprallen verschiedener Zeitebenen in Ägypten kaum erleben.
In der luftigen Halle mit Glasdach steht eine elf Meter hohe und über drei Jahrtausende alte Ramses-Statue. Geht man die breite Treppe zwischen den altägyptischen Statuen und Säulenfragmenten hinauf, öffnet sich durch eine riesige Glasfront der Blick auf die nahen Pyramiden von Gizeh.
Anfassen ja, klettern nein
Die Stadt ist an diese Nekropole der Pharaonen schon längst ganz nah herangerückt. Nur eines der sieben Weltwunder der Antike hat bis in unsere Zeit überdauert – und nun steht man direkt davor. Die Hand auf den warmen Stein der Cheopspyramide zu legen, wie schon Abertausende Menschen zuvor, fühlt sich fast unwirklich an.
Warnschilder – und das Gewusel der fliegenden Händler und selbst ernannten Reiseführer – holen einen aber schnell in die Realität zurück: „Auf die Pyramiden klettern streng verboten!“
Graffitti mit Geschichte
Etwas ruhiger geht es auf dem fünfundzwanzig Kilometer entfernten, weitläufigen Areal der Pyramiden und Grabanlagen von Sakkara zu. Auch hier bekommt die Zeit eine neue Bedeutung. Denn manche Besucher hinterließen auch hier, bei der Stufenpyramide des Djoser, ihre Inschriften – allerdings schon vor mehr als 3.000 Jahren. Einige der Bauwerke standen zu diesem Zeitpunkt bereits seit über 2.000 Jahren.
Too much information
Führt die Reise nach Luxor, rund fünfhundert Kilometer nilaufwärts, schwirrt einem endgültig der Kopf. Zwischen den hohen, mit Reliefs verzierten Säulen der Tempel von Luxor und Karnak versucht man, so gut es geht, den Ausführungen des Reiseführers zu folgen.
Nicht einfach: Gefühlt hieß jeder zweite Pharao Ramses und auch die zahlreichen Gottheiten sind auf alle (un-)möglichen Arten miteinander verwandt, verbandelt oder für denselben Bereich zuständig.
Grabkammern und ein Wiedersehen
Im Tal der Könige, nahe Luxor, schlängelt sich eine Karawane von Golfwägen die Straße zu den steilen Felsklippen hinunter, die die rund fünfundsechzig bisher entdeckten royalen Gräber beherbergen. Lange Gänge führen zu den in den Fels gehauenen Grabkammern.
Sie sind komplett mit Malereien in den Originalfarben bedeckt. An manchen Stellen sieht es so aus, als hätte der Künstler den Pinsel gerade erst weggelegt – und nicht bereits vor Tausenden von Jahren.
In der Alabasterwerkstatt „Hapi for Alabaster“ nahe dem Tal der Könige gibt es dann ein Wiedersehen mit dem jungen Wasserträger, der das Grab des Tutanchamuns entdeckte. Dasselbe Foto, das im Ägyptischen Museum bleibenden Eindruck hinterlassen hat, hängt auch hier an der Wand. „Er war mein Großonkel“, erzählt der grauhaarige Shopmanager stolz, während er seine graue Galabija glatt streicht. Wieder so ein Moment, in dem die Zeit ganz plötzlich relativ wird.
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