Wenn ein Partner nicht reicht

Wenn ein Partner nicht reicht
Die Neugier an Alternativen zur Monogamie wächst. Beziehungen mit mehreren Partnern gleichzeitig sollen mehr Bedürfnisse erfüllen – der Alltag wird dadurch aber nicht leichter.

Michael Schrems teilt sein Bett mit zwei Frauen – seiner Ehefrau und seiner Freundin. "Möglich ist das bei uns nur, weil die beiden Frauen auch eine Beziehung miteinander haben", sagt der Gründer der "Schwelle 7", Verein für alternative Lebens- und Liebesbeziehungen. Immer mehr, vor allem junge, Menschen interessieren sich für die Idee, sich von der Monogamie zu lösen und Beziehungen mit mehreren Menschen gleichzeitig zu führen. In den 90er-Jahren wurde dafür der Begriff "Polyamorie" geprägt. "Viele zweifeln am alten Konzept der Ehe und wollen es anders machen als ihre Eltern", erklärt Schrems.

Von einem "überfälligen Untergang der Monogamie" spricht der Alterswissenschaftler Aubrey de Grey in dem Buch "Wie funktioniert die Welt?" (erschienen bei Fischer). De Grey vergleicht das Festhalten an der Monogamie mit dem an der Heterosexualität vor nicht allzu vielen Jahrzehnten. In einer Welt, in der Fortpflanzungsleistung keine Triebkraft mehr darstellt, sei Sex überwiegend eine Freizeitbeschäftigung – und damit vergleichbar mit Schachspielen. "Entweder haben wir jetzt etwas gegen die Frechheit unseres regelmäßigen Schachpartners, der auch mit anderen spielt, oder wir haben auch beim Sex keinen entsprechenden Widerwillen mehr."

Mehr Partner, mehr Probleme

Ganz so einfach sei es nicht, erklärt Schrems aus Erfahrung: "Die Probleme werden nicht weniger, wenn man mehr Partner hat." Eine polyamore Beziehung sei sehr zeit- und emotionsaufwendig. "Das ist immer ein potenzielles Minenfeld, dass sich einer der Beteiligten benachteiligt fühlt." In seiner Beziehung achten alle drei Beteiligten darauf, ausgewogen zweisam und dreisam Zeit miteinander zu verbringen.

"Eifersucht ist in polyamoren Beziehungen das größte Thema. Da geht es um die Angst, ersetzt zu werden, nicht so gut zu sein wie der andere oder sich wie das dritte Rad am Wagen zu fühlen." Nur wenige können mit einer solchen Situation umgehen. Das sei nur möglich, wenn die richtigen Menschen aufeinandertreffen und alle Unklarheiten ausräumen können. "Bei uns war Eifersucht anfangs ein massives Thema und es hat fast acht Monate gedauert, bis wir ein harmonisches Miteinander erreicht haben."

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Nicht nur Sex

In polyamoren Beziehungen gehe es nicht ausschließlich um Sex, betont Schrems. "Es geht schon auch um das Verliebtsein. Wenn Liebe kein Thema ist, dann handelt es sich eher um eine offene Beziehung." Bei Polyamorie gehe um das Zugeständnis, dass ein Mensch eine größere Bedeutung spielt.

"Jeder hat eigene Vorstellungen davon, wie er Polyamorie leben möchte. Viele haben Partner an verschiedenen Orten und treffen sie verschieden oft." Die Beteiligten sind entweder in einem Netzwerk von mehreren Beziehungen oder es handelt sich um mehrere Menschen, die in sich geschlossen eine Beziehung miteinander führen.

Keine perfekten Deckel

Der Glaube, dass ein Partner zu einhundert Prozent zu einem passen muss, nährt den Zweifel an der Monogamie. Die Erwartungshaltung, dass der Partner einen in jedem Eck seiner Persönlichkeit glücklich machen muss, nährt die Unzufriedenheit und das Bedürfnis sich nach Alternativen umzusehen. "Es gibt keinen Deckel, der perfekt passt", sagt Schrems.

In der polyamoren Lebensweise deckt man die Lücke zu den einhundert Prozent mit zusätzlichen Partnern ab. "Es gibt für jeden Lebensaspekt den richtigen Partner." So könne etwa sein, dass man in einer Ehe zwar glücklich ist, jedoch gewisse sexuelle Neigungen nicht ausleben kann. In einer polyamoren Beziehung freuen sich die Partner füreinander, wenn sie auf allen Ebenen auf ihre Kosten kommen.

"Es braucht viel Offenheit, Selbstreflexion und Verständnis, um dem anderen ohne Eifersucht zu gönnen, dass er in jedem Moment seines Lebens so glücklich ist, wie er sein kann." Nicht umsonst würden bis zu 70 Prozent der Menschen, die sich für Polyamorie interessieren, aus Akademikerkreisen stammen.

Treue

So wird bei diesem Lebenskonzept der Begriff Treue auch anders interpretiert. "Es ist so schade, dass viele Beziehungen wegen eines Seitensprungs zerbrechen. Wegen einer halben Stunde Spaß gibt es eine Trennung von Haushalt, Freundeskreis und oft leiden auch noch Kinder darunter."

In polyamoren Beziehungen ist man treu, indem man sich an Abmachungen hält. Im Gegensatz zur Theorie von de Grey sieht Schrems die Monogamie nicht am Ende. "Polyamorie ist keine Weiterentwicklung, sondern nur eine Alternative. Es gibt nur einen kleinen Prozentsatz an Menschen, der das Konzept mit all seinen Facetten wirklich leben kann." Und nicht zuletzt: "Jede Beziehung hat ihre Schattenseiten – auch dieses Modell."

Buchtipp "Schlampen mit Moral. Eine praktische Anleitung für Polyamorie, offene Beziehungen und andere Abenteuer" von Dossie Easton und Janet Hardy. Erschienen beim mvg Verlag, 16,99 €.

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