Online-Matchmaking: Liebe bleibt unberechenbar

Online-Matchmaking: Liebe bleibt unberechenbar
Können Algorithmen vorhersagen, ob sich zwei Menschen ineinander verlieben? Neue Erkenntnisse zeigen: Nein. Aber es ist kompliziert.

Nichtraucherin sollte sie sein, immer pünktlich, keinen Alkohol trinken und unbedingt Fleisch essen. Don Tillman, der sozial eher unterdurchschnittlich begabte Genetiker aus dem Erfolgsroman "Das Rosie-Projekt", hat genaue Vorstellungen von seiner Frau fürs Leben. Um die eine herauszufiltern, erstellt er einen 16-seitigen Fragebogen und verteilt ihn an potenzielle Partnerinnen. Am Ende, passionierte Leser erinnern sich, kommt alles ganz anders: Don verliebt sich in Rosie – Barkeeperin, notorisch unpünktlich, Raucherin, Veganerin. Gefühle haben Ratio und Logik ganz einfach ausgetrickst.

Die wissenschaftliche Grundlage zur Liebesgeschichte von Graeme Simsion aus dem Jahr 2013 liefert nun eine Psychologin von der University of Utah. In ihrer Studie "Is Romantic Desire Predictable?" ging Samantha Joel der Frage nach, ob ein Algorithmus die große Liebe voraussagen kann – und kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Denn jene Personen, die einander bei einem Speed-Dating-Experiment anziehend fanden, hätte der Computer – die Probanden mussten zuvor einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen – nur in den allerwenigsten Fällen (weniger als ein Prozent) gematched, also zusammengetan. "Wir können nicht vorhersagen, ob du jemanden mögen wirst, bevor du ihn getroffen hast", resümiert die Studienleiterin. Auch Don und Rosie, so viel ist sicher, hätte kein Algorithmus der Welt füreinander bestimmt.

Die Chemie fehlt

Für Menschen, die online nach einer Beziehung suchen, ist Joels Erkenntnis nicht die beste Nachricht – basieren doch nahezu alle großen Partnerbörsen auf verschiedenen Matchmaking-Systemen, der modernen Form des Verkuppelns: Singles, die sich auf einer Dating-Plattform registrieren, füllen einen umfassenden, von Psychologen zusammengestellten Fragebogen zu ihrem Charakter, ihren Vorlieben und Vorstellungen aus. Anschließend verbindet – matcht – ein Algorithmus jene User, die eine hohe Übereinstimmung haben. Aus der Paarforschung weiß man, in welchen Bereichen Partner einander ähneln sollten (Bedürfnis nach Nähe, Einfühlsamkeit) und wo Unterschiede von Vorteil sind (Dominanz, Temperament). Matchmaker könnten lediglich als Wegbereiter fungieren, betont Christiane Lénard, wissenschaftliche Leiterin der Partneragentur Parship: "Wir öffnen dem Glück die Tür. Dass es dann eintritt, dafür können wir nicht garantieren."

Matchmaking im großen Stil wurde vor drei Jahren in der Sat.1-Reality-Show "Hochzeit auf den ersten Blick" (neue Folgen ab 12. November) betrieben: Vier Experten stellten auf Basis von wissenschaftlichen Tests Singles zusammen, die einander vor dem Standesamt das erste Mal begegneten. In dem aufwendigen Verfahren wurde unter anderem getestet, ob die zwei Singles einander riechen können – etwas, das beim Online-Dating (noch) nicht möglich ist. "Im Prinzip kann Matchmaking nur Partnervorschläge bereithalten", sagt Sandra Köhldorfer, Psychotherapeutin und Psychoanalytikern. Sie war eine der vier Experten, die vor der Kamera Amor spielten. "Denn das Gesamtbild – die Chemie, der Geruch, der Gang, die Mimik, das Sprachbild, der Charme und der Humor – fehlt. Gerade anhand dieser Wahrnehmungen ließe sich erspüren, ob der andere zu einem passt." Ein auf dem Papier perfektes "Match" sei noch lange kein Garant für gemeinsames Liebesglück, betont Köhldorfer: "Oft ist der Trugschluss: Wenn wir gematcht wurden, dann muss doch alles passen und es kostet ab nun keine Mühen. Als müsste man danach nichts mehr in das Kennenlernen investieren. Tauchen erste Unterschiede auf oder passt der andere doch nicht ins Idealbild, sind Enttäuschungen meist vorprogrammiert."

Verlieben, da sind sich Wissenschaftler einig, ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Ob die Funken fliegen, die "Chemie" stimmt, kann selbst der ausgeklügeltste Persönlichkeitstest nicht antizipieren. "Dennoch gibt es Erklärungen, die zu Verliebtheit führen können", sagt Köhldorfer. "Beim ‚Funken‘ spürt man meist ein wunderbares Gemisch aus Ähnlichkeiten und Unterschieden. Wir wollen uns im anderen wiedererkennen – und ergänzen." Auch der richtige Zeitpunkt spiele beim Verlieben eine wesentliche Rolle: "Man muss innerlich, meist unbewusst eine Grenze erreicht haben und bereit für ein neues Leben sein."

Selbst Hugo Schmale, 85-jähriger Psychologe und Parship-Gründer, beschreibt Liebe als "etwas Magisches, das man nicht messen kann". Warum sein Matching-System dennoch Zigtausende Singles glücklich gemacht hat? "Was wir machen können, ist Liebe eine größere Wahrscheinlichkeit zu geben."

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