Neue Satelliten-Flotte: Überflieger mit Durchblick

Neue Satelliten-Flotte: Überflieger mit Durchblick
Eine Flotte von Radar-Satelliten wird schon bald jeden Winkel der Erde im Blick haben.

Die Verschmutzung der Meere messen und die Chlorophyll-Verteilung dazu. Nachschauen, um wie viel der Supervulkan im Nordwesten Neapels den Boden anhebt. Oder herausfinden, ob wieder ein Flüchtlingsschiff im Mittelmeer in Not geraten ist. Alles in Quasi-Echtzeit, versteht sich. Das kann das Satelliten-Programm "Copernicus". In der Nacht von Montag auf Dienstag soll wieder einer der Umwelt-Wächter ins All geschossen werden. Der Start war ursprünglich schon für das Wochenende geplant, musste dann aber wegen ungünstiger Wetterbedingungen und einer technischen "Anomalie" verschoben werden. Montag um 23.02 Uhr MESZ soll jetzt der vierte Versuch unternommen werden.

"Sentinel-1B" wird rund um die Uhr und bei jeder Wetterlage Aufnahmen von Land- und Meeresoberflächen in Europa, Kanada und den Polarregionen liefern. Mit an Bord: Hightech aus Österreich. Und auch bei der Auswertung der Daten sind wir dabei.

Nur ein weiterer Späher, der unsere Erde umkreist und irgendwann Weltraummüll werden wird, könnte man meinen. Irrtum! Die Sentinel-Flotte (siehe Grafik) ist das bisher komplexeste Programm zur Erkundung unseres Planeten. Dutzende Satelliten werden letztlich zusammenarbeiten, um die Erde rundum abzulichten. Es ist der Kern der wissenschaftlichen Plattform "Copernicus".

Sechs Missionsfamilien

Insgesamt sind sechs Missionsfamilien geplant. Alle zwölf Satelliten der Typen Sentinel 1 bis 6 sollen bis 2021 in die Umlaufbahn gebracht werden. Sentinel 2A beispielsweise ist der "Satellit für die Bauern": Seine Daten erlauben Rückschlüsse auf Wachstum und Gesundheit der Pflanzen und ermöglichen Ernteprognosen.

Getragen wird "Copernicus" von der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Weltraumbehörde ESA. Und es fasst Satelliten, Messstationen und unzählige Gigabyte an Beobachtungsdaten zu einem weltumspannenden Netzwerk zusammen. Die Informationen sind für Wissenschaftler, Politiker, die Industrie – einfach alle, die Interesse am Zustand der Umwelt haben – kostenlos zugänglich.

Das sei das ambitionierteste Programm zur Erdbeobachtung, das jemals konzipiert worden ist, sagte der zuständige ESA-Manager Josef Aschenbacher der Süddeutschen Zeitung, als der erste der Radar-Satelliten vor zwei Jahren ins All geschossen wurde. "Es existiert nichts Vergleichbares." Nach dem europäischen Satelliten-Navigationssystem "Galileo" gilt "Copernicus" als zweites Flaggschiff der europäischen Weltraumpolitik.

"Sentinel" – das bedeutet "Wächter", und genau das sollen die Radar-Satelliten auch sein. Beispielsweise können sie aus 700 Kilometern Höhe die Eismassen an den Polen überwachen – egal, wie das Wetter ist. Objekte ab einer Größe von fünf Metern sind für die Himmelsaugen kein Problem. Die Beobachtungen sind so energieaufwendig, dass die Instrumente in der höchsten Leistungsstufe nach jeweils 25 Minuten abgekühlt werden müssen. Dann werden einfach Bilder mit geringerer Auflösung gemacht.

Sieben Jahre im Einsatz

"Sentinel-1A" und sein baugleicher Schwester-Satellit "Sentinel-1B", der jetzt gestartet wurde, spielen ebenfalls eine zentrale Rolle: Sie sollen mindestens sieben Jahre im Einsatz sein und unter anderem vulkanische Aktivitäten ins Visier nehmen, weiters Erdbeben, Erdrutsche und Überschwemmungen. Außerdem werden sie das Meer beobachten, um Behinderungen durch Meereis oder Ölverschmutzungen frühzeitig zu erkennen.

Die Bilder der Satelliten könnten sich, läuft alles nach Plan, bei Katastropheneinsätzen als ausgesprochen hilfreich erweisen. Dann, wenn nämlich Informationen in kurzer Zeit benötigt werden – die "Sentinel-1"-Bilder sind innerhalb von 60 Minuten verfügbar. Weiterer Vorteil: Weder Finsternis noch Wolken können den Radarblick der Satelliten trüben.

Info: https://sentinel.esa.int

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