Neue Domains: .wien und .tirol am Start
Nach mehrjähriger Vorbereitungs- und Diskussionszeit geht die Vergabe der neuen Top Level Domains (TLDs) in die nächste heiße Phase. Am Mittwoch um 21.59 endete die Bewerbungsfrist. Auf die geschätzten 1500 bis 2000 Antragssteller kommt nun der Spießrutenlauf des Evaluierungsprozesses zu. Da die ICANN nicht alle Anträge gleichzeitig bearbeiten kann, werden in einer ersten Tranche zunächst 500 Bewerber abgearbeitet. Die Auswahl derselben mutet jedoch einigermaßen kurios an.
"Digitales Bogenschießen" umstritten
Die ICANN hat sich nämlich für das sogenannte Prinzip des „digitalen Bogenschießens“ entschieden. „In einem noch nicht bekannten Zeitfenster wird ein exakter Zeitpunkt festgelegt, zu welchem die Bewerber per digitalem Knopfdruck auf einer ICANN-Webseite ihre Teilnahme signalisieren sollen. Diejenigen, die am nächsten an diesem Zeitpunkt dran sind, landen unter Berücksichtigung regionaler Quoten schließlich im ersten 500er-Block“, erklärt Nic.at-Geschäftsführer Richard Wein auf Nachfrage der futurezone.
Das seltsame Verfahren hat die ICANN offenbar deshalb gewählt, da ein reines Zufallsprinzip mit dem strengen Lotterie-Verbot am kalifornischen Hauptsitz nicht vereinbar ist und die ICANN in diesem Fall auch nicht nach dem „First come – First serve“-Prinzip vorgehen wollte. Kritiker befürchten nun aber, dass die nun gewählte Methode zu Chaos und Manipulationsversuche – etwa durch etwaige Script-Programme – führen wird. Dass sämtliche Bewerber ohne technische Hilfsmittel brav beim festgelegten Zeitpunkt auf die Webseite klicken werden, scheint jedenfalls schwer vorstellbar.
Land Tirol überlegte es sich anders
Nicht zuletzt derartige Chaosszenarien bei gleichzeitig hohen Kosten für die Bewerbung haben österreichische Interessenten bisher davon abgehalten, sich für eine der frei wählbaren Internetendungen zu registrieren. Auch dem Land Tirol, das im Herbst vergangenen Jahres noch überlegte, sich für die .tirol-Domain selbst zu bewerben, war das finanzielle Risiko für die Einführung der neuen Endung schließlich zu hoch. „Hier geht es ja auch um öffentliches Steuergeld und nach Diskussion der Chancen und Risken haben wir uns dagegen entschieden, eine Bewerbung abzugeben“, erklärt Christian Klingler von der Tirol Werbung gegenüber der futurezone.
Dass es in absehbarer Zeit wohl dennoch eine .tirol-Domain genauso wie .wien geben wird, liegt daran, dass sich in beiden Fällen ein Privatkonsortium für die neuen Top Level Domains bei der ICANN beworben haben. Ganz ohne Unterstützung des Landes Tirol bzw. der Stadt Wien müssen aber auch die Privatbewerber nicht auskommen. In beiden Fällen wurden die Einreichungen schließlich mittels Support-Schreiben der jeweiligen Landes- bzw. Stadtverwaltung unterstützt, was bei geografisch eindeutigen Domains als Voraussetzung für eine positive Zuteilung durch die ICANN gilt.
Weitere österreichische Anträge nicht ausgeschlossen
Ob es neben .tirol und .wien noch weitere TLD-Anträge aus Österreich gibt, wollte nic.at-Geschäftsführer Wein nicht ausschließen. Die Verwaltungsstelle der .at-Domain zeichnet für den technischen Support von insgesamt zwölf europäischen Bewerbungen verantwortlich. Neben .tirol und .wien zählen auch die Städte-Initiativen für .brussels, .berlin und .hamburg zu den nic.at-Kunden. Weitere Bewerber versuchen mit .gmbH, .voting, .versicherung und .reise ihr Glück.
Bis die neuen Top Level Domains wirklich in Betrieb genommen werden können, wird es aber in jedem Fall noch dauern. Laut ICANN-Zeitplan soll am 11. Juli feststehen, welche Einreichung in der Evaluierung wie weit vorne gereiht ist. Da die finale Evaluierung und Umsetzung von da an weitere 6-8 Monate dauern wird, werden die ersten neuen Domainendungen vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2013 benutzt werden können. Bewerbungen, die nicht im ersten 500er-Block abgearbeitet werden, müssen vermutlich noch länger auf eine Inbetriebnahme warten – von Einspruchsverfahren bei mehreren Bewerbern für die gleiche Domain mal abgesehen.
Kommentare