Hommage an die Mütter der Psychoanalyse

Eine neue Ausstellung will die männerzentrierte Entstehungsgeschichte der Psychoanalyse zurechtrücken.

Ein Maler und ein Restaurator spielten wichtige Rollen, als Monika Pessler und ihr Team die neue Ausstellung im Freud Museum in Wien konzipierten. Die beiden kratzten nämlich so lange an den Farbschichten, bis sie jene fanden, die zu Freuds Zeiten in der Berggasse 19 aufgetragen waren. Alles, weil die Damen jene Atmosphäre schaffen wollten, wie sie d a m a l s geherrscht hatte. Und so wird man hier neuerdings in Lindgrün, Silbergrau und Rot gehüllt.

D a m a l s: Da gingen sechs Frauen in der Berggasse ständig aus und ein. Ihnen ist die neue Schau "Das ist das starke Geschlecht." Frauen in der Psychoanalyse gewidmet. Ziel ist es, die männerzentrierte Entstehungsgeschichte der Psychoanalyse zurechtzurücken.

"Die Aufgabe eines Museums ist es, auch die weniger beachteten Aspekte zu beleuchten", sagt Pessler, ihres Zeichens Direktorin des Freud Museums. Experten sei zwar ganz klar, welch wichtige Rolle die Frauen in der Psychoanalyse gespielt hätten. Aber Laien? Die kommen hierher, weil sie Sigmund, dem Vater der Psychoanalyse, begegnen wollen. Dabei gab es auch die Mütter. Sie lieferten Freud als Patientinnen die Grundlage für die Entdeckung des Unbewussten; inspirierten seine Arbeiten oder nahmen sie sogar vorweg; gemeinsam mit ihnen entwickelte er seine Behandlungsmethode der "Redekur"; und sie machten Freuds Psychoanalyse überall in der Welt bekannt: Sabina Spielrein in der Schweiz und Russland, Lou Andreas-Salomé in Deutschland, Marie Bonaparte in Frankreich, Helene Deutsch in den USA und Anna Freud in England.

Frauenbewegung

Die sechste, Emma Eckstein, war es, die die erste Rezension über Freuds Buch "Die Traumdeutung" verfasste. Die Arbeiterzeitung vom 21. Oktober 1900 liegt in der Schau auf. Auf Seite 1: Ecksteins Artikel mit dem Titel "Das Seelenleben im Traum". Darunter ein fett gedruckter Hinweis: "Arbeiter! Haltet die Dokumente zur Nachweisung des Wahlrechtes bereit!"

Wer die Psychoanalyse verstehen will, muss die damaligen Lebensumstände mit einbeziehen, genau das tun die Ausstellungsmacherinnen: Hintergrundwissen zur Kinderbetreuung im Wien der Zwischenkriegszeit, über die erstarkende Frauenbewegung und natürlich über Kernbegriffe der Psychoanalyse – "Ödipuskomplex", "Übertragung und Gegenübertragung" werden in der Schau beleuchtet. Denn es waren vor allem Frauen, die ab 1891 den Weg zum Nervenarzt fanden. Und das hängt mit der rigiden Moral der Zeit zusammen. Viele von Freuds Patientinnen seien verzweifelt gewesen, hatten Probleme mit ihrer Sexualität und der Familienplanung, sagt Pessler. Die Angst der Frauen vor ungewollten Schwangerschaften thematisiert ein "Resorbiteurs" – eine Art Verhütungsschwämmchen –, das jetzt in einer Vitrine in der Berggasse liegt und zu Freuds Zeiten in der Apotheke nebenan verkauft wurde.

Frauenversteher?

Sigmund Freud versuchte also, die Frauen zu verstehen, blieb aber trotzdem extrem konservativ, was die weibliche Sexualität betrifft. Irgendwie passend, dass der Titel der Ausstellung auf Emma Eckstein anspielt: Freuds Ex-Patientin war die erste weibliche Psychoanalytikerin und hat – als ihm übel wurde, weil sie von ihrer verpfuschten Nasen-OP berichtete, mit dem ironischen Kommentar reagiert: "Das ist das starke Geschlecht."

Tipp:"Das ist das starke Geschlecht." Frauen in der Psychoanalyse, bis 12. Juni 2016 Sigmund Freud Museum, Berggasse 19, 1090 Wien

Hommage an die Mütter der Psychoanalyse
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Lou Andreas-Saloméwurde wegen ihrer Affären mit prominenten Männern wie Friedrich Nietzsche und Rainer Maria Rilke lange nur als Femme Fatale wahrgenommen. Dabei beschäftigte sie sich schon vor ihrer Begegnung mit der Psychoanalyse mit weiblicher Sexualität und Selbstbestimmung – um 1900 ein Tabu.
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Anna Freudverwaltete, behütete und verbreitete das Vermächtnis ihres Vaters. Dabei entwickelte sie eine eigenständige Therapieform und lieferte den Nachweis, dass psychoanalytische Erkenntnisse auch auf die Kinderanalyse übertragen werden können.
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Marie Bonapartepublizierte noch vor ihrer Analyse bei Freud unter Pseudonym „Betrachtungen über die anatomischen Gründe der Frigidität von Frauen“. Dafür führte sie mit mehr als 200 Pariserinnen Gespräche und vermaß die Entfernung zwischen Klitoris und Vagina.
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Emma Ecksteinwirkte nach dem Abschluss ihrer Analyse bei Sigmund Freud als erste weibliche Psychoanalytikerin. In ihrem Buch „Die Sexualfrage im Leben des Kindes“ (1904) betonte sie die Wichtigkeit einer vollständigen Sexualaufklärung durch die Eltern.
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Sabina Spielreinwar Parade-Hysterikerin und schaffte den Sprung von der Couch zur Analytikerin. Sie wurde zu einer Pionierin der Kinderpsychologie und war die zweite Frau, die in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde.
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Helene Deutschgilt als Pionierin der Psychoanalyse mit Schwerpunkt „Weiblichkeit“. Ihr Weiblichkeitsentwurf ähnelt dem von Freud, dass es nämlich für die Frau keinen vorrangigen Status außerhalb der Mutterschaft gebe. Aufgrund ihrer Ansichten wurde sie in feministischen Kreisen als Sigmund Freuds „Kollaborateurin“ diffamiert.

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