Mutter-Kind-Pass wird 40 Jahre alt

(Symbolbild)
Das Ziel, die Säuglingssterblichkeit zu reduzieren, gelang. Heute geht es um Prävention.

Sie galten landläufig als „blaue Babys“. Gemeint waren damit Neugeborene, deren Hautfarbe zum Beispiel aufgrund eines angeborenen Herzfehlers und mangelnder Durchblutung blass-bläulich blieb. „Bis diese Kinder in ein spezialisiertes Zentrum kamen, ging wertvolle Zeit verloren“, erinnert sich der Gynäkologe Thomas Fiedler, Obmann der Bundesfachgruppe Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK).

Heute ist es Standard, schon den werdenden Eltern mithilfe des Mutter-Kind-Passes Empfehlungen für Vorsorgeuntersuchungen zu geben. Wird dabei etwa ein Herzfehler entdeckt, kann in einer Spezialklinik entbunden werden, in der das Baby sofort nach der Geburt operiert wird.

Erfolgsgeschichte

Das ist nur ein Beispiel, wie die Einführung des Mutter-Kind-Passes im Jahr 1974 die Kindergesundheit verändert hat. Fiedler: „Er gehört wohl zu den größten Erfolgsgeschichten in der modernen Medizin.“ Die empfohlenen Untersuchungen für die jeweiligen Schwangerschafts- und Altersphasen des Kindes seien ein Instrument geworden, das werdenden Eltern Leitlinien gebe.

Minister Alois Stöger sieht dies ähnlich. Unter seiner Amtsvorgängerin Ingrid Leodolter waren die kostenlosen Untersuchungen ab Beginn der Schwangerschaft bis zum Kleinkindalter eingeführt worden: „Das Ziel war 1974, die Säuglingssterblichkeit zu senken und ist damit wirklich zu einem großen Erfolg geworden.“

Damals verstarben pro 1000 Lebendgeburten fast 24 Babys in ihrem ersten Lebensjahr. Das waren 23,5 Promille, heute sind es 3,2 Promille. Gynäkologe Fiedler: „Vor 40 Jahren lag der Wert Österreichs noch weit über jenem vergleichbarer Länder. Heute verzeichnen wir den niedrigsten Wert der Geschichte.“ Für diesen Rückgang ist freilich nicht allein die Einführung einer Auflistung empfohlener Untersuchungen verantwortlich. „Selbstverständlich spielt der medizinische Fortschritt eine große Rolle“, betont Fiedler. Viel hab sich etwa bei der Behandlung von Frühgeburten getan. Dazu kommen verbesserte soziale und hygienische Bedingungen.

Neue medizinische Standards flossen immer wieder in das Mutter-Kind-Pass-Programm ein (siehe Grafik). Das soll so bleiben, betont Minister Stöger. „Der Mutter-Kind-Pass muss auch in Zukunft modernen Anforderungen entsprechen.“ Dies sei im Regierungsprogramm auch so festgeschrieben. Der Fokus liege auf einer „verstärkten Verankerung von Prävention und Gesundheitsförderung“.

Für Fiedler geht das nicht ohne wissenschaftliche Begleitung. Die Mutter-Kind-Pass-Kommission des Obersten Sanitätsrats wurde nach ihrer Funktionsperiode Ende 2012 nicht mehr neu eingesetzt. Zum 40. Jubiläum formierte sich jetzt eine interdisziplinäre Expertenkommission, die den derzeitigen Mutter-Kind-Pass wissenschaftlich bewerten soll. Fiedler: „Wir brauchen diese fachlich unverzichtbaren Beiträge für einen optimalen Erfolg.“

Quiz: Wie gut kennen Sie sich aus?

1974 wurde nicht nur der Mutter-Kind-Pass eingeführt. Am 23. Jänner setzte die Regierung Kreisky auch die Fristenlösung durch. Sie besagte, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche straffrei gestellt werden. Das bleibt auch 40 Jahre später so, sagt Gesundheitsminister Alois Stöger. Etwa in Spanien gibt es derzeit Bestrebungen, Schwangerschaftsabbrüche wieder unter Strafe zu stellen.

„An der Fristenlösung wird in Österreich nicht gerüttelt. Darüber gibt es einen breiten Konsens in Gesellschaft und Politik“, sagt Stöger. Es gelte das „Recht der Frau auf Selbstbestimmung über ihren Körper“.

Eine Abtreibung ist wohl die schlechteste Wahl, wenn es um Geburtenkontrolle geht. Das stellte der Nationalrat schon 1974 fest. Aber Frauen in Not sollten nicht in die Illegalität getrieben werden, so Stöger. Abbrüche im Hinterzimmer mit schmutzigen Geräten gefährden die Frauen. „In meiner Rolle als Gesundheitsminister achte ich zudem besonders darauf, dass die medizinische Qualität der Eingriffe stimmt.“

Bei der „aktion leben“ pocht man auf den 1974 im Parlament einstimmig angenommenen Antrag für „positive Maßnahmen zum Schutz des werdenden Lebens“ im Rahmen der Fristenlösung. Generalsekretärin Martina Kronthaler: „Keine Frau wünscht sich einen Abbruch. Es ist daher jede Anstrengung wert, Frauen solche Situationen zu ersparen und die Verhältnisse so zu gestalten, dass man mit Kindern gut leben kann.“

Mutter-Kind-Pass wird 40 Jahre alt

Kommentare