Am roten Teppich
Musiker Lenny Kravitz erschien zur diesjährigen Met Gala, die unter dem Motto "Guilded Glamour“ stand, im Spitzenkorsett (siehe oben). "Die Ringe der Macht“-Schauspieler Ismael Cruz Cordova schloss sich ihm unlängst bei der Filmpremiere der neuen Blockbuster-Serie an – und trat im Korsett-Oberteil vor die Kameras.
Nichts Ungewöhnliches, sagt die Kulturwissenschafterin Sarah Held von der Akademie der bildenden Künste zum KURIER: "Auch im Bürgertum trugen Männer im frühen 19. Jahrhundert Korsette.“ Wem das einschnürende Kleidungsstück vorbehalten war, wurde nicht vom Geschlecht, sondern von der Gesellschaft bestimmt. "Sie waren Teil der feudalen Kleiderordnung und markierten gesellschaftlichen Status“, erklärt sie.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt auch: Die ersten korsettähnlichen Kleidungsstücke tauchten bereits 1600 v. Chr. auf. Seitdem hat es eine kontroverse Karriere hingelegt. Fürsprecherinnen betonen die stützende Funktion, Gegnerinnen sehen ein Folterinstrument, das den weiblichen Körper zu einer Sanduhr presst. Warum also ist das vorbelastete Kleidungsstück unter Jungen heute derart beliebt? "Modische Korsette, die uns heute begegnen, sind von den soziokulturellen Gegebenheiten historischer Korsette gelöst“, stellt Held klar.
Die Form des Kleidungsstücks veränderte sich im Laufe der Jahre ständig. Mal war es länger, mal kürzer; in den 1920er-Jahren kamen dank Elastik bequemere Sportmodelle hinzu. Heute hat es den modischen Wandel von Unterwäsche zu Oberbekleidung endgültig abgeschlossen: In der zeitgenössischen Variante, in der Designerinnen und Designer Elemente von Korsett, Korsage und Bustier mischen, geht es nicht mehr um bedrückende Enge, sondern Komfort und Selbstbewusstsein im eigenen Körper.
Und auch wenn Korsette jahrzehntelang aus dem Alltag verschwunden waren, kamen sie letztlich doch nie ganz aus der Mode.
Designer wie Vivienne Westwood, Thierry Mugler und Jean-Paul Gaultier verpassten ihnen bereits in den 80er-Jahren den Befreiungsschlag. Madonna machte eine rosa Satinvariante von Letzterem auf ihrer "Blonde Ambition Tour“ 1991 zu einem wichtigen Stück Modegeschichte.
Selbst Designerin Victoria Beckham schlüpfte in der "Spice Girls“-Ära oft in die schmale Rüstung. Stiltechnisch nähert man sich daran wieder an: Grelle Farben und gemusterte Korsett-Tops werden heute ganz im Stil der frühen 2000er-Jahre zu tief sitzenden Jeans, Cargohosen oder Miniröcken kombiniert. Wer weniger Haut zeigen möchte, trägt darunter ein einfärbiges Hemd oder schlichtes T-Shirt. Die Stoffe sind leichter, statt Stäben gibt es Stretch und Reißverschluss. So bleibt beim neuen alten Lieblingsaccessoire niemandem der Atem weg – es sei denn vor Begeisterung.
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