Der König von Österreich und seine liebste Dame
Die Oma war immer Weiß, erinnert sich Markus Ragger, das Jahrhunderttalent unter Österreichs Schachspielern. Von seiner Oma und vom Opa, einem Tischler-Ehepaar aus Sankt Michael am Zollfeld, habe er das Brettspiel früh gelernt. "Nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen haben die beiden immer Schach gespielt."
Der junge König
Und auch Österreichs beste Schachspieler haben mehr als nur Königsangriffe und Damenopfer zu bieten: Die Nummer eins unter den wettkampfmäßig spielenden Männern und die Nummer zwei bei den Damen sind ebenso jung wie Schach- und Mode-Ikone Carlsen. Und sie sind darüber hinaus ein Paar.
Seine Leidenschaft
Wir treffen Markus Ragger, 26, und seine Freundin Tina Kopinits in ihrer Wohnung in Graz, in einer ruhigen Anlage nahe der Mur. Dort haben es sich der Kärntner und die gebürtige Wienerin vor zwei Jahren gemütlich eingerichtet. "Wir kennen einander seit frühester Jugend", eröffnet er. "Von gemeinsamen Fahrten zu internationalen Schach-Meisterschaften", ergänzt sie. Ragger spielt heute im Rang eines internationalen Großmeisters. Mit der höchsten ELO-Zahl (aktuell 2644, beschreibt die jeweilige Spielstärke), die jemals ein Österreicher erreicht hat. Seit seinem dritten Lebensjahr spielt er Schach, seit seinem siebenten Lebensjahr in einem Verein. Kopinits, Tochter einer Wiener AHS-Lehrerin, begann zeitgleich. "Meine Mutter hatte immer schon den Ehrgeiz, Schach auch den Frauen zu eröffnen." Die 28-jährige Akademikerin lächelt. "Mit sieben bin ich zum ersten Mal bei den Wiener Landesmeisterschaften angetreten. Gespielt haben dort de facto die Schülerinnen meiner Mutter – und ich."
Sein Professionalismus
Im Unterschied zu ihr, die bei der Caritas in Graz einen interessanten Job angenommen hat, lebt Ragger vom Schachspielen. Das ist heute möglich, wenngleich weitaus weniger leicht als vergleichsweise für heimische Fußballer oder Skifahrer. Sechs Stunden Training in seinem Schachzimmer, abwechselnd am Brett und am Computer, der ihn via Skype unter anderem mit seinen Trainern und Trainingspartnern verbindet, sind Alltag. Tägliche Norm. "Weniger geht nicht, wenn man international mithalten möchte", sagt Ragger, der im Moment viel daran setzt, den Sprung zurück unter die Top 100 der Welt zu schaffen. Dazu fehlt ihm nicht allzu viel, erklären kundige Schachexperten.
Was Ragger freut: Seit dem Jahr 2005 wird das Brettspiel in Österreich von der Bundessportorganisation als Sportart anerkannt. Das ist insoferne plausibel, als ein Spiel bei Turnieren bis zu sechs Stunden dauert, hohe Konzentration und damit viele Kalorien abverlangt.
Dazu kommen für den Profi unendlich viele Reisen. Um finanziell einigermaßen über die Runden zu kommen ("Reich kann man mit Schach nicht werden"), spielt Markus Ragger nicht nur in der österreichischen Bundesliga (für den SK Maria Saal), sondern als Legionär in anderen Ligen. So sitzt er schon seit Langem mehrere Wochenenden im Jahr für die deutsche Schachgesellschaft Solingen am Brett. Gespielt hat er für Vereine in Maribor, Dubrovnik und Sarajevo sowie in Frankreich und in Griechenland.
Ihre Berufung
"Beim Markus ist Schach Beruf und Berufung. Er muss sich zum Training und Spiel nicht zwingen", sagt seine Freundin. Selbst im Urlaub verschlingt er Bücher, in denen die Stellungen von hunderten Spielen dokumentiert und kommentiert werden.
Gemeinsam auf der Terrasse ihrer Grazer Wohnung spielen sie übrigens nur selten, und wenn, dann nur zur Zerstreuung. Verständlich, wer arbeitet schon gerne in seiner Freizeit?www.KURIER.at/lebensnahMehr "Ansichten von unterwegs" im gleichnamigen Blog von Uwe Mauch.
Er engagiert sich für Schach in der Schule. Er spielt fernsehwirksam Schach mit Bill Gates, indem er ihn nach nur neun Zügen matt setzt. Er ist nicht nur in seinem Heimatland Norwegen ein König der Herzen. Das Time Magazine hat ihn in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt aufgenommen. Er hat schon lange mehr ELO-Punkte (aktuell 2881) als Schachlegende Garri Kasparow. Seit dem November des Vorjahres darf er sich vor allem auch als regierender Weltmeister im Schach vorstellen.
Interviews mit ihm sind kurzweilig, daher ist der junge Mann öfter in den Medien abgebildet als alle Weltmeister vor ihm. Wenn man gegen ihn spielt, erinnert sich Österreichs Nr. 1, Markus Ragger, dann spielt man immer auch vor 15 Fotografen und mindestens zwei TV-Teams.
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