Kinder entwickeln sich in der Natur
Kinder benötigen das Draußensein genauso wie Bewegung, Körperkontakt, elterliche Liebe und all das, was zu geben wir uns täglich bemühen“, schrieb Dokumentarfilmer Malte Roeper in seinem Bildband „Kinder raus. Zurück zur Natur: artgerechtes Leben für den kleinen Homo sapiens“.
Der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich warnte bereits in den 60er-Jahren vor den Auswirkungen des Stadtlebens: „Der junge Mensch braucht seinesgleichen – nämlich Tiere, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann ihn auch ohne dies alles aufwachsen lassen, mit Stofftieren, Teppichen, auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es, doch man soll sich nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nicht mehr erlernt.“
Spielmöglichkeiten
KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger bringt dafür ein Beispiel: „Man muss als Kind Äste von einem Baum abgebrochen haben, damit man versteht, wie sich Materialien verhalten.“ Der typische Spielplatz in der Stadt sei dafür nicht unbedingt geeignet: „Dort darf man ja kaum eine Pflanze angreifen. Das sind gut gemeinte Varianten einer künstlichen Natur. Die genormten Spielgeräte schränken die Fantasie ein. Wirklich experimentieren und erleben kann man nur auf der Wiese und im Wald“, betont sie. Dort könnten Kindern alle Bewegungsabläufe üben, die sie für die Grob- und Feinmotorik brauchen.
„In der Natur können Eltern ihren Kindern auch das Bewusstsein vermitteln, dass die Erde wie eine Einheit, ein Körper, ist und dass alles zusammenhängt“, so Leibovici-Mühlberger. „Besprechen Sie mit dem Kind, was wäre, wenn hier keine Bäume stünden.“
Urlaub am Bauernhof sei eine ideale Möglichkeit, Stadtkindern das Landleben näherzubringen. Ihr Tipp: „Machen Sie mit Ihren Kindern einen Waldtag mit Picknick.“ Was plant sie selbst mit ihren Kindern? „Wir haben uns heuer vorgenommen, ein Indianerzelt zu bauen. Mit Lagerfeuer und kochen.“
Selbstbewusstsein
Erlebnispädagoge Martin Schwiersch analysierte den Zusammenhang zwischen einem guten Selbstbewusstsein und Naturerlebnissen. „Besonders die 13- bis 15-Jährigen sind mehr von ihrer Leistungsfähigkeit überzeugt, wenn sie viel in der Natur waren, bei den Kleineren zeigt sich das noch weniger“, schreibt er in „Kinder raus“. Und er unterscheidet zwischen dem einfachen Aufenthalt in der Natur und einer intensiven Natur-Erfahrung. Etwa „an nicht alltäglichen Orten oder zu ungewohnten Zeiten, die mit geringem Material (Essen, Übernachtung, Ausrüstung) überstanden werden müssen und die mit körperlichen und psychischen Herausforderungen (Märschen, Auf- und Abstiegen, Klettereien, Kajakfahrten) verbunden sind.“
Malte Roeper gönnte seinen Kindern ein solches Erlebnis mit einem Zelturlaub: „Es war anstrengend: Wasser aus Kanistern, Kochen mit Benzin, Waschen unter freiem Himmel. Aber: Nach diesen zehn Tagen hatte sich in den Kindern etwas verändert. Es war, als hätte ein himmlischer Klavierstimmer ihre Seelen neu gestimmt.“
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