Insekten? Warum nicht!?

Insektenbällchen? Schmecken knuspriger!
Waste-Cooking auf Tour: In den Niederlanden fanden Kinder Insektenbällchen knuspriger als die aus reinem Fleisch.

Verwenden statt verschwenden" - ist so etwas wie ein Motto des leidenschaftlichen Kochs aus Abfällen, David Groß - siehe auch:

"Der in den Abfall taucht"

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Insekten? Warum nicht!?

Auf seiner Reise durch fünf europäische Länder für die TV-Doku-Reportage über Waste-Cooking machte sich der gelernte Koch und Journalist speziell in den Niederlanden auf die Suche nach der Verarbeitung von Fleisch sowie Alternativen dazu. Hier wird teils schon in Supermärkten angeboten, was die UNO diskutiert und für mehr als ein bis zwei Milliarden Menschen weltweit auf dem Speiseplan steht: Insekten.

Schulkinder testen Insektenbällchen

Insekten? Warum nicht!?
waste-cooking, würmer, nl

Mehl- und Büffelwürmer, Heuschrecken und Grillen werden hier schon gezüchtet, verkauft, verarbeitet und verspeist. Groß trifft Arnold van Huis von der auf diesem Sektor führenden Uni von Wageningen, und Marian Peters, die massenweise Mehlwürmer züchtet.

Sie erläutert, dass dies auch ein Weg zur Verringerung von Gemüseabfällen sei – aussortierte Karotten sind DIE Flüssigkeitszufuhr für die im Weizenspreu aufwachsenden Mehlwürmer. Der Rest wiederum dient als Dünger in der Landwirtschaft.

Knuspriger

Insekten? Warum nicht!?
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Groß und Peters fahren dann mit zwei Kisten voller noch lebendiger Mehlwürmer in Prinsenakken Schule von Bennekom bei Wageningen. Wie werden die Kinder reagieren? Erst viel „iiiih“, „wie das kitzelt!“, doch dann trauen sich fast alle in die Kiste zu greifen, die Würmer schließlich im Mixer mit anderen Zutaten zu vermengen und sie als Bestandteil von Fleischbällchen raus zu braten. Die mit dem Insekten-Anteil schmecken den meisten besser. „Sie sind knuspriger“, finden viele. „Außerdem“, erinnert einer der Schüler daran, „dass wir im Schlaf unbewusst immer wieder Insekten verschlucken, also warum nicht“ auch bewusst essen?!

Alles verwerten

Insekten? Warum nicht!?
wastecooking

Zwar sind die Frikandel aus dem Automaten („Essen an der Wand“, wie die von der anderen Seite von Menschen immer neu befüllten Boxen genannt werden) aus Hühner- und Rindfleisch, das sonst weggeworfen würde, aber ganz kann sich der Reste-Verwerter nicht damit anfreunden.

Wenn schon Fleisch, dann so wie beim Spitzenkoch Jonathan Karpathios, der seine Mangalica-Schweine im Freien leben lässt, mit ihnen manchmal in den Wald spazieren geht und sie mit Pflanzen und Abfällen aus der Küche füttert. Und wenn er sie schweren Herzens schlachtet, dann verwendet er alles – vom Ringelschwanz bis zur Schweinebacke – exquisit zubereitet. Verwendet er nicht alles Fett der Sau, so tauscht er es mit dem Besitzer einer Windmühle: Schmiermittel für die Mühle gegen Mehl.

In der Nähe von Paris, in Rungis, dem größten Agrar- und Fischmarkt Europas, trifft der Waste-Cooker auf die sich selbst als „Koch-Nomadin“ bezeichnende Sonia Ezgulian. Sie kommt aus der Gastronomie und begann umzudenken, als sie bemerkte, dass rund die Hälfte des Gemüses in den Abfall wandert, weil nur nette Formen aus selbigem serviert werden. Ausgehend von ihrem nunmehrigen Maison de Solodarité, dem Haus der Solidarität, tingelt sie auch durch Frankreich, um Kochkurse anzubieten, die vom Grundsatz „nichts verschwenden“ getragen werden.

Haus der Solidarität

Insekten? Warum nicht!?

In dieser Folge ist beispielsweise zu sehen, wie teils schon braun gewordene Bananen gewürzt und im Ofen überbacken werden, Lauchreis mit Öl aus einer Sardinendose gekocht wird und köstliche Speisen mit den in der Gastronomie gar nicht besonders geschätzten Sardinen zubereitet werden. Mit ein und denselben Zutaten, so die Kochlehrerin mit Anliegen, könnten gut und gern an vier Tagen hintereinander jeweils ganz andere Menüs gezaubert werden.

Gegen Ende seiner Reise begibt sich der Reste-Koch in die Bretagne ans Meer. Dort trifft er unter anderem auf die „Fischaktivistin“ Hélène Rochet, die mit ihrer Organisation seit zehn Jahren rund 650 Tonnen Fisch vor dem Müll gerettet hat. Die werden zubereitet und an Menschen verteilt, die auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind und somit hochwertige eiweißhaltige Nahrung erhalten – Filets aus Fischen, die zu Groß für den Verkauf sind oder kleine Verletzungen an der Haut aufweisen, die natürlich weggeschnitten werden.

Am Fischkutter

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Groß besteigt zum Abschluss der fünfteiligen TV-Reportage-Doku-Serie samt seiner mobilen Küche im bretonischen Hafen Guilvinec einen Fischkutter, der sich auf Langustenfang spezialisiert hat. Der Rest, der sogenannte Beifang, wird wieder ins Meer gespült. Aus einem Teil, den der Waste-Cooking-Aktivist rettet, kocht er eine Fischsuppe. Die Beifang-Bouillabaisse schmeckt sogar der Crew und ihrem Kapitän Eric Pochat. Der weist darauf hin, dass auf diesem kleinen Kutter relativ wenig Beifang anfalle. Aber auf den Großen Fabriks-Fischfangschiffen weit draußen auf dem offenen Meer wird fast die Hälfte des Gefangenen wieder ins Meer gespült.

Obst aus der Umgebung. Und noch dazu gratis. In Berlin trifft David Groß auf Magda. Sie führt ihn zu Obstbäumen auf öffentlichem Grund.

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Schnell sind zwei Körbe mit Mirabellen, wie in dieser deutschen Gegend österreichische Kriecherln genannt werden, gefüllt. Magda ist Aktivistin von www.mundraub.org. Mit Raub hat diese Webplattform nichts zu tun, rund 10.000 User aus halb Europa (auch bereits Dutzende Einträge aus Österreich) haben schon Standorte solcher Bäume, deren Früchte auch offiziell gepflückt werden dürfen, in einer Landkarte eingetragen.

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Am Rand von Berlin trifft Groß mit seinem Waste-Mobil auf Biobauer Christian Heymann, der davon berichtet, dass im Schnitt gut ein Drittel der Gemüse-Ernten auf den Feldern liegen bleibe und wieder eingeackert werde, weil sie zu Groß, zu klein, zu wenig gerade für den Verkauf an Supermärkte seien. Megamäßig Zucchini und anderes wird geerntet und zur monatlichen Schnippel-Disco mit dem Food-Aktivisten und einschlägigen Spitzenkoch Wam Kat gebracht. Gemeinsam wird Gemüse geputzt und geschnitten (geschnippelt wie’s hier heißt), begleitet von Musik, köstlich zubereitet, gegessen und getanzt.

Insekten? Warum nicht!?

In der gemeinsamen Küche unter einem Zeltdach werden innerhalb von einer Stunde 100 Kilo verarbeitet. Die 300 Gäste können gar nicht alles verputzen. Per Megafon werden Vorübergehende eingeladen. Nochmals gut 50 Menschen werden satt.

Köstliches Gelee statt Wildkraut-Vernichtung

In Deutschland traf der „Abfall“-Koch auch Peter Becker, einen Fachmann für Wildkräuter, die oft als Unkraut vernichtet werden. Der weiß, wie beispielsweise aus dem indischen Springkraut alles Mögliche, insbesondere aus deren Blüten, köstliches Gelee werden kann. In einer Stunde sammeln Becker und Groß ein Kilo Blüten, das Gelee daraus ist rund 300 Euro wert.

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