Die Zutaten kommen aus dem Müll

Mal sehen, was ich heute kochen kann: David Groß im Gespräch mit der MA 48
Der Salzburger Koch und Filmemacher David Groß rettet Lebensmittel vor der Entsorgung.

Beim Billa ums Eck wurde er zum ersten Mal fündig. Als der Salzburger Filmemacher David Groß mit Plastikhandschuhen den Müllcontainer neben dem Supermarkt öffnete, misstraute er seinen Augen und seiner Stirnlampe: Gut, er hatte von den Mülltauchern in New York gehört, die seit Jahren fein essen und trinken, ohne dafür einen Cent zu bezahlen. Aber was er in Salzburg aus dem Container fischen konnte, das war selbst für ihn zu viel.

Groß erinnert sich: "Mindestens zwanzig knusprige Baguettes, ganz viele Bananen, Mangos, Äpfel, Gurken, Paprika, Salat, Tomaten, Joghurt, Pudding, Milch. Das war schockierend. Es war eine derart große Menge, dass ich für den nächsten Tag 25 Freunde und Verwandte zu mir nach Hause eingeladen und für sie ein viergängiges Menü gekocht habe."

Nur Abgepacktes

Wichtiger Hinweis für alle, die jetzt die Nase rümpfen: Groß ist Absolvent einer Tourismusschule und gelernter Koch. Er entnimmt dem Müll – wie alle aus der weltweit wachsenden Szene der Mülltaucher – nur Abgepacktes.

Wastediver, Dumpsterdiver nannten sich die Amerikaner zuerst. Die Deutschen gehen "containern" und als Mülltaucher beschreiben sich österreichische Initiativen.

Streng genommen begeben sich die Taucher auf ein heikles Terrain: In Österreich gilt das Betreten eines Supermarkt-Parkplatzes für alle, die dort nicht einkaufen, als Besitzstörung. Strenger ist die Gesetzeslage in Deutschland: Dort wurden Mülltaucher auch schon wegen Diebstahls verurteilt.

Der Müllkoch fordert daher die Legalisierung des Mülltauchens: "Der Skandal ist doch nicht, dass Menschen Lebensmittel retten. Der Skandal ist, dass so viel weggeschmissen wird." Ein Drittel der weltweiten Ernte wandert in den Müll, weil sie nicht den Handelsnormen entspricht, zitiert Groß einen Bericht der Welternährungsorganisation (FAO).

Fünf Wochen lang ist der Koch und Filmemacher mit einem Kamerateam durch halb Europa getaucht, um für arte und den ORF die etwas andere Kochshow zu produzieren.

Groß aufgekocht

David Groß zeigt in der Doku eindrucksvoll, dass auch anderswo Lebensmittel achtlos weggeschmissen werden, dass es aber auch etliche interessante Initiativen gibt, die sich dem nachhaltigen Konsum verschrieben haben.

Die Zutaten kommen aus dem Müll
wastecooking
Die Koch-Roadshow mit dem Waste-Mobil startet auf dem Müllplatz der MA 48 in Wien-Simmering. In einem Spar-Markt in Salzburg fragt der TV-Müllkoch die Konzernsprecherin, warum die Brotregale bis zum Ladenschluss randvoll sein müssen.

In Berlin-Kreuzberg kocht Groß groß auf, mit dem Protestkoch Wam Kat und dem Abfall von einem Biobauern (!) für 350 Menschen. Übrigens im Rahmen einer sogenannten "Schnippeldisco", bei der Partyvolk zum Sound von angesagten DJs Gemüse schneidet (schnippelt), dazu die Hüften bewegt und dadurch auch hungrig wird.

In Frankreich kann auch der gelernte Koch noch was lernen: Zum Beispiel, wie er braun gewordene Bananen im Ofen überbäckt, um sie dann auf seinem Gaumen schmelzen zu lassen. Dafür darf Groß in der Kantine des Europa-Parlaments in Brüssel 200 Menüs vorbereiten, und zwar aus den Rohstoffen, die am Vortag übrig geblieben sind.

Im bretonischen Hafen Guilvinec endet die TV-Reise. Dort besteigt die Filmcrew einen Fischkutter, der auf Langustenfang spezialisiert ist. Aus dem sogenannten Beifang, der sonst achtlos ins Meer gespült wird, zaubert der Müllkoch eine Bouillabaisse auf die Teller, die der Besatzung Hochachtung abverlangt und den Kapitän zu dem Hinweis drängt, dass auf den fabriksähnlichen Fangschiffen auf dem offenen Meer fast die Hälfte des Fangs tot im Meer landet.

Essen vorm Parlament

Am kommenden Dienstag laden der Müllkocher und sein Team vor das Parlament in Wien, wo die Müllküche ab 10 Uhr für alle Müllschlucker aufkochen wird. Mit dieser konsumkritischen Aktion soll der 12. Mai zum National Leftovers Day ausgerufen werden. KURIER-Leser sind herzlich eingeladen.

Präsentiert wird auch ein Manifest, das übrigens die Forderungen des Ossiacher Gemeinderats Oliver Hönigsberger unterstützt. Der wünscht sich, dass die Supermärkte – nach belgischem Vorbild – zur Abgabe unverkäuflicher Ware an die Zivilgesellschaft verpflichtet werden (der KURIER berichtete).

Außerdem gefordert wird die Legalisierung des Mülltauchens sowie der Verkauf oder die Gratisabgabe von krummem Gemüse.

"Der schönste Tag in meinem Leben", erklärt David Groß, "wird sein, wenn ich auf den Parkplätzen der Supermärkte leere Container vorfinde und meine Arbeit überflüssig geworden ist."

Der Film

Wastecooking. Arte zeigt in Kürze die Koch-Tour von David Groß und Georg Misch, die erste Folge wird am 18. Mai, ab 15.50 Uhr, ausgestrahlt. ORF 2 spielt die Langfassung am 7. Juni spätabends ab.

Das Manifest

Wastecooking vor dem Parlament. Am kommenden Dienstag lädt die gleichnamige Initiative zu einem gemeinsamen Essen vor dem Parlament. Dabei wird der erste National Leftovers Day (Lebensmittelretterfeiertag) ausgerufen und ein Manifest präsentiert.

Die Initiative

Wastecooking im Internet. Wissenswertes über die Initiative, ihre Forderungen und Filme auf der Seite www.wastecooking.com .

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