Weit weg und doch so nah

Szenenfoto aus "Fahraway"
„Fahraway“, ein Stück der Theatergruppe „Die Fremden“: Eineinhalb Stunden zwischen Flucht, Gefahr, Tanz und Sehnsüchten.

Auf der einen Seite eine elegante Frau, die in Gedanken versunken vor sich hinspricht – auf Farsi (Persisch). Von der anderen Bühnenhälfte kommt eine Frau in weitem Kleid, die versucht ein unsichtbares kleines Mädchen anzutreiben. Schnell, schnell, sie müssten zum bereit stehenden LKW. So startet „Fahraway“, das mittlerweile 21. Stück der multikulturellen Theatergruppe „Die Fremden“. Die wurde 1992 gegründet, also lange bevor solches „modern“ wurde. 75 Mitwirkende aus 41 verschiedenen Ländern spielten in diesen 25 Jahren in „Die Fremden“-Produktionen.

Nach der Anfangsszene, die schon atmosphärisch Eindrücke von auf der Flucht oder irgendwie fremd sein gibt und auf Sprachenvielfalt setzt, spielt sich das folgende Stück – rund eineinhalb Stunden – in einem Bus ab. Einziges Bühnenelement: die allseits bekannten weißen Kunststoffsessel mit Rücken- und Armlehnen aus einem Guss, wie sie praktisch überall auf der Welt (rund eine Milliarde Stück) anzutreffen sind, Mono-Block genannt.

Geschichten mit Geschichte

Weit weg und doch so nah
Szenenfoto aus "Fahraway"
Nach und nach erzählen – oft nur bruchstückhaft – die Fahrgäste, weshalb sie einst von irgendwo flüchten mussten/wollten und nun gemeinsam auf der – vorübergehenden – Heimreise sind, um Verwandte zu besuchen usw. Flucht vor Krieg und Not oder auch „nur“ vor der Tante Malija (Niloofar Nadimi), die die Nichte Tara (Bojana Djogović ) jahrelang belogen hatte. Ein junger Mann namens Rasha (Edo Marinkov), der einst nett Gitarre gespielt hat, wurde zum ungustl-haften erpresserischen Schlepper, weil sich damit viel leichter Geld verdienen ließ als durch die harte, wenig einbringende Feldarbeit, zu der ihn sein Onkel Jusef (Tomasz Nowak) anhalten will. Ein Fahrgast, Sakko (Armen Abisoghomyan), dem ständig bei jeder Erzählung einer/eines anderen einfällt: „Ich kenn da jemanden...“, der ansonsten aber eher genervt auf fast alles reagiert – meisterhaft oft nur durch kleine Gesten oder Blicke. Amir (Szabolcs Hejas) fällt durch seine fast Sprachlosigkeit auf: „Ich hab schon alles gesagt!“

"Entführung"

Weit weg und doch so nah
Szenenfoto aus "Fahraway"
Vor der Pause sind sie mit dem Busfahrer Jojo (Osas Imafidon), einem eher alles auf locker nehmenden Kerl unterwegs, der sie durch Späße aufheitert – und durch seine Musikkassette – mit diversen Rolling-Stones-Songs. Bei einer Klo-Pause kapert allerdings ein anderer Mann, der von Anfang an wirkt, als wäre er gar kein Lenker, den Bus. Dieser Bill (Markus Payer) faselt ständig von Verfolgern – die die anderen nicht sehen. Später wird er seine Geschichte erzählen, womit klar wird, weshalb er sich verfolgt – und auch immer schuldig fühlt.

Gefahr + Spaß + Tanz

Sein nicht-fahrerisches Können führt immer wieder zu gefährlichen Situationen. Zum Unfall mit Crash kommt es aber erst, als alle zu einer Stones-Nummer im Bus tanzen. Bus kaputt – alle schieben ihn zur Raststation der herzensguten Zoja (Vanda Sokolović). Die Reparatur bewerkstelligt Angel (Sofie Leplae), das unsichtbare Mädchen aus der ersten Szene. Und obwohl sie ihr Handwerk perfekt beherrscht, strahlt sie wenig Selbstsicherheit aus, spielt perfekt, die unischere, gehemmte. Erst als sie Tara bittet, ihr tanzen beizubringen, geht sie aus sich heraus – später noch sehr heftig – das sei aber nicht verraten.

Weit weg und doch so nah
Szenenfoto aus "Fahraway"
Was hingegen gern preisgegeben sei: Trotz teils sehr tragischer Geschichten wirken Erzählungen und Szenen nie peinlich, auf Tränendrüsen drückend, sondern authentisch, möglich – und sind vielfach durch Humor, ja herzhaftes Lachen gebrochen und nicht zuletzt durch die Musik bekannter „Hadern“ der Stones aufgelockert. Die Szenen entstanden in Improvisation rund um sehr persönliche Berichte der Mitwirkenden der „politischen Laientheatergruppe“, wie sich „Die Fremden“ selbst bezeichnen.

Fahraway
Multikulturelle Theatergruppe „Die Fremden“

Leitung und Regie: Dagmar Ransmayr

Es spielen:
Sakko: Armen Abisoghomyan
Tara: Bojana Djogović
Amir: Szabolcs Hejas
Jojo: Osas Imafidon
Angel: Sofie Leplae
Rasha: Edo Marinkov
Malija: Niloofar Nadimi
Jusef: Tomasz Nowak
Bill: Markus Payer
Zoja: Vanda Sokolović

Und Mono-Block, der bekannte weltweit in rund einer Milliarde Stück existierende weiße Kunststoff-Sessel ;)

Wann & wo?
14. Mai 2017, 20 Uhr
Off Theater, 1070 Wien, Kirchengasse 41
Karten: diefremden@gmx.at oder
Off Theater: (01) 523 17 29
www.off-theater.at

www.diefremden.at/

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