Ehrlichkeit erst am letzten Abend

Szenenfoto aus "Nacht, Mutter" im Theater Forum Schwechat
„Nacht, Mutter“ von Marsha Norman in einer überzeugenden Version des Theater Forums Schwechat.

Dass die Begegnung der längst erwachsenen fast ein bisschen alterslosen Tochter mit der alten Mutter an diesem Abend tödlich enden wird, scheint, klar. Selbst wenn man das vor 34 Jahren publizierte Stück „Nacht, Mutter“ von Marsha Norman, die dafür den Pulitzer-Preis bekommen hat, nicht kennt. Zumindest in der Inszenierung (Regie: Aslı Kişlal) im Theater Forum lässt Manuela Seidl (Tochter Jessie) keinen Zweifel daran, dass sie ihre knapp nach Beginn gemachte Ankündigung in die Tat umsetzen wird. Da fragt sie, wo Papas Pistole sei. Und auf die Frage wofür, sie die denn brauche, dass sie sich damit erschießen wolle. Sogar den Zeitpunkt kündigt sie an. Und über der Tür zu ihrem Zimmer hängt eine echte große Uhr, die die reale Zeit angibt und mitläuft.

Erstmals offen zueinander

Ehrlichkeit erst am letzten Abend
Szenenfoto aus "Nacht, Mutter" im Theater Forum Schwechat
Es wird also der letzte Abend mit der schon leicht verwirrten Mutter, großartig und sehr glaubhaft gespielt von Jutta Schwarz. Der letzte ist vielleicht auch einer der, wenn nicht sogar DER allererste Abend an dem die beiden - Fetzen fliegend - sich Wahrheiten an den Kopf werfen, die sie jahr(zehnt)elang nicht geäußert haben, sich vielleicht sich sogar verkniffen haben, sie zu denken.

Ihre Tat erfolgt – auch das sehr überzeugend gespielt – nicht aus Verzweiflung über ihre Depression und Epilepsie, sondern aus klarer, bewusster Reflexion über ihr bisheriges Leben: „Ich muss es nicht, das mag ich dran!“ Eine freie Entscheidung der Tochter, möglicherweise die allererste ganz freie in ihrem Leben.

Plädoyer fürs Leben

Ehrlichkeit erst am letzten Abend
Szenenfoto aus "Nacht, Mutter" im Theater Forum Schwechat
Apropos Leben: Obwohl die eineinhalb Stunden von Anfang an klar und deutlich auf das tödliche ende zusteuern, obwohl die sich oft fast im Kreis drehenden Streitereien eigentlich beide mehr als nerven, vermittelt das Stück, das Spiel eher ein Plädoyer fürs Leben. Dafür, solche Auseinandersetzungen, das Aussprechen der eigenen Gefühle und Gedanken so rechtzeitig in Angriff nehmen, dass es nicht erst sozusagen eineinhalb Stunden von 21.30 beginnt.

Und obwohl das tragische Ende klar über den 90 Minuten schwebt, beinhalten diese so manchen humorvollen Moment. Diese speisen sich nicht zuletzt daraus, dass Streits und gegenseitige Vorwürfe von Abhängigkeiten, nicht los lassen können, verlogenen Komplimenten („du hast doch den Kakao immer gern gehabt...“) , oft nur aus eigener Anschauung allzu bekannt vorkommen könnten. Und dennoch lächerlich gering sind verglichen mit der Entscheidung dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.

Ehrlichkeit erst am letzten Abend
Teamfoto von "Nacht, Mutter" im Theater Forum Schwechat
Nacht, Mutter
Drama von Marsha Norman
Deutsch von Alissa Walser

Regie: Aslıi Kişlal

Es spielen
Mutter: Jutta Schwarz
Tochter: Manuela Seidl

Regieassistenz: Ivana Nikolić
Bühne: Markus Liszt, Thomas Nichtenberger
Technische Leitung: Thomas Nichtenberger
Technische Assistenz: Reinhard Kralik
Musik: Uwe Felchle

Rechte: Rowohlt Theaterverlag

Wann & Wo?
Bis 1. Juni 2017
Theater Forum Schwechat
2320, Ehrenbrunngasse 24
Telefon: +43 (0)1 707 82 72
www.forumschwechat.com

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