Ausgelassenes politisches Neujahrsfest

Mitklatschen im Rhythmus der Musik
Die Wiener kurdische Community feierte am Ostersamstag ihr Neujahrsfest im Gasometer.

Rund zwei Wochen nach dem tatsächlichen Neujahrsfest lud die Wiener kurdische Community zum großen Newroz-Fest in die Gasometer-Halle. Bühnenprogramm und nicht zuletzt viele aus dem Publikum, die vor der Bühne mittanzten, ließen zeitweise den doch eher spröden Charme der Halle vergessen. Und wie bei allen Newroz-Festen schwingt in der mitunter ausgelassenen Stimmung immer auch eine starke politisch-kämpferische Note mit – für Demokratie, Freiheit der eigenen Kultur, Schluss mit Unterdrückung...

Zum verrückt werden

Ausgelassenes politisches Neujahrsfest
Die Theatergruppe Koma Rojawa...
Die Theatergruppe von in Wien lebenden kurdischen Flüchtlingen aus Syrien – Koma Rojava – hat die politische Situation auch in ein kurzes Stück „übersetzt“. In „Dine kurdistane“ (Der Verrückte aus Kurdistan) spielen Dokesh Manal, Hagi Geker und Hassan Numan unter der Regie von Osman Sallar und seinem Co-Regisseur Mustafa Chiar die knappe Geschichte eines Mannes, der angesichts des unbegreiflichen Leides von Kurd_innen nicht zuletzt unter dem Regime von Bashar Al Assad irre wird.

Kurdisch, assyrisch, aramäisch...

Ausgelassenes politisches Neujahrsfest
... Neujahrsfest...
Viele andere Auftritte vermittelten die kämpferische Lebensfreude – und nicht zuletzt die Vielfalt der Kulturen in Kurdistan. So spielte die Musikgruppe „Koma hevîdar“, wobei Hevî Hoffnung heißt. Mit „Heyder, heyder“ spielten sie ein bekanntes Lied der Alevit_innen. „Leyle xane“ ist ein berühmtes traditionelles Lied, das jahrzehntelang (zu Sowjetzeiten) in der kurdischen Radiosendung von Radio Eriwan (in dem in den verschiedenen Sprachen des Landes je eine halbe Stunde Programm gesendet wurde) gespielt wurde. Mit „bagiye“ speilte die Gruppe auch ein ursprünglich assyrisch/aramäisches Volkslied. Zum Abschluss gaben die Musikerinnen und Musiker zwei traditionelle Newroz-Feierlieder zum besten und mussten trotz jubelnden und mittanzenden Publikums bei „Em bernadin we gowende“ („wir hören nicht auf zu tanzen“) Schluss machen, weil noch viele andere Kulturschaffenden auf ihre Auftritte warteten.
Ausgelassenes politisches Neujahrsfest
...Pınar Aydınar...
Nicht zuletzt die bekannte türkische Volkslied-Sängerin Pınar Aydınar, die von vielen schon sehnsüchtig erwartet worden war. Bald nach ihrem ersten Lied füllte sich der breite Raum zwischen Bühne und Sitzplätzen mit Hunderten Mit-Tanzenden. Er war sogar deutlich zu klein für alle, die das Tanzbein schwingen wollten.

Und nach ihrem Auftritt von nicht wenigen gestürmt wurde, um mit ihre Selfies zu machen.

Kinder und Jugendliche

Ausgelassenes politisches Neujahrsfest
Girls-Trio
Auch Kinder und Jugendliche tragen immer wieder zum Newroz-Programm bei. Helî, Evîn und Xezal von der Wiener kurdischen Tanzgruppe Koma Raperîn sprechen jeweils alle drei Sprachen – Deutsch, Türkisch und Kurmandschi, tanzen unterschiedlich lange und auch für sie ist Newroz ein ausgelassenes Fest – mit politischem Hintergrund, „weil wir ja schon von klein auf mitbekommen haben, wie unser Volk schon sehr lange unterdrückt wird“.
Ausgelassenes politisches Neujahrsfest
Diyar, Helun
Diyar, Flüchtling aus Syrien, freut sich am Newrozfest im Gasometer vor allem darüber, „dass hier alle Kurdinnen und Kurden gemeinsam feiern, egal ob aus der Türkei, aus Österreich, aus Syrien, dem Irak oder von sonst wo her.“

Politisch

Heuer wurde immer wieder auch der für die ganze freie Welt so vorbildhafte Sieg gegen die IS in Kobanê gefeiert – gepaart mit der Trauer um die vielen Opfer. Natürlich waren immer wieder auch die bevorstehenden Parlamentswahlen in der Türkei (am 7. Juni) ein wichtiges Thema. Eine 10-Prozent-Hürde, die wohl höchste weltweit für den Einzug in die nationale gewählte Volksvertretung – gilt es zu überspringen. Dafür hat die bisherige demokratische Kurd_innen-Partei Bündnisse mit anderen demokratischen und sozialen Bewegungen (unter anderem der auch hierzulande bekannten Gezi-Park-Bewegung in Istanbul) der ganzen Türkei geknüpft. Gemeinsam kandidieren sie als HDP.

Auch heimische Politiker_innen (von den Grünen Aygül Berîvan Aslan, Niki Kunrath und Maria Vassilakou sowie von der SPÖ Şafak Akcay) brachten den feiernden Kurd_innen ihre Glückwünsche, wünschten ihnen viel Kraft für die Freiheitsbestrebungen und wiesen darauf hin, dass der Kampf gegen Rassismus, Unterdrückung und für Selbstbestimmung weltweit zu führen ist.

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