Lange Suche nach einer eigenen Figur

Lange Suche nach einer eigenen Figur
Beim Clownfrauenfestival im Wiener Kosmostheater trat erstmals eine Künstlerin aus Japan auf. Über das schwierige Finden ihres Bühnencharakters erzählt sie im Interview. Heuer erstmals Nach-Spiel, den Auftakt dabei macht Gardi Hutter aus der Schweiz.
Lange Suche nach einer eigenen Figur
Neben den Großen, den mittlerweile weitgereisten und weltberühmten Clownfrauen wie Laura Herts (US-Amerikanerin, die derzeit in Frankreich lebt), der Argentinierin Lila Monti, der genial-clownesken Band As Levianas (Brasilien) und der ebenfalls längst internationalen „Lokalmatadorin“ Tanja Simma, der Pionierin Gardi Hutter aus der Schweiz und vor allem der in Schweden lebenden in Simbabwe geborenen Stacey Sacks war sie wohl DIE Entdeckung des nunmehr vierten Clownin-Festivals im Wiener Kosmos-Theater, dem weltweit größten dieses Genres: Madoka Nishino.

Erstmals aus Japan

Im Kimono, mit recht großer Brille auf der Nase und einem alten Koffer in der einen sowie einem Papiersackerl mit Orangen und Zitronen in der anderen Hand trippelt die Japanerin als „eine Fremde in Wien“ auf die Bühne. Mal fliegen ihr Orangen, mal Zitronen beim Vorbeugen aus dem Sackerl. Klassisch. Und dennoch frisch – wie das Obst. Als schließlich das Papier durchreißt, will sie – eh kloar – die Früchte im Koffer verstauen.
Nun beginnt das – recht leise und doch zu lauten Lachstürmen hinreißende – Slapstick-Feuerwerk. Doch der Schlüssel… ist im versperrten Koffer. Kreuzschnitt mit dem Messer vom Schlüsselbund auf der Rückseite des Koffers und an einer Schnur den Schlüssel rausgeholt… Und, natürlich ist zu wenig Platz im Koffer. Raus/rein/umräumen samt Leertrinken von Flaschen und Essen eines Schnitzels – mit Stäbchen. Zuletzt scheint kein Platz für einen Sack Reis. Was kommt, liegt auf der Hand, was dann folgt nicht. Öffnen des Sacks und Reiskörner in der Koffer gestreut… Und ab geht’s. Aber! Genau! Das Loch auf der schmalen Unterseite des Koffers. Die Protagonistin hinterlässt eine weiße Spur. Und welche? Am Ende liegt ihr Österreich zu Füßen. Beim Auftritt in Paris und anderen französischen Städten waren’s natürlich die von Frankreich. Grenzen, die sich leicht beseitigen lassen – kochen und essen!
 

Wie bist du zur Clownerie gekommen?
Madoka Nishino: Das erste Mal stand ich im Kindergarten auf der Bühne. Als Zwerg in einer Art Musicalversion von Schneewittchen. Das wollt ich überhaupt nicht. Noch dazu, wo wir in so unmöglichen Kostümen auftreten mussten, in weiten Ballettröcken. Ich wollte schon ein Tanzstar werden, hätt aber gern das Schneewittchen gespielt. Das hätt ich cool gefunden. Aber der Zwerg war lächerlich. Aber nicht lustig wie ein Clown.
In der Schule bin ich dann in Tanz-Clubs gegangen – die gibt’s bei uns als Freifächer wie andere Sportarten Volleyball usw. machen.
Nach der Schule begann ich Schauspiel zu studieren – und internationale (Wirtschafts-)Beziehungen – ich wollte unbedingt ins Ausland.
Freunde haben eine Theatergruppe gegründet, sie haben Stücke geschrieben, ich hab gespielt, ich wollte eine Rolle spielen, die starke Ähnlichkeit mit einer Clownfigur hat. Ich fühlte, die passt zu mir. Irgendwie hab ich mich in dieser am ehesten wieder gefunden.

Ab da warst du dann Clownin?
Nein, es war noch ein schwieriger Weg, ich ging nach Frankreich, in die Nähe von Paris zu Philippe Gaulier (einem weltberühmten Meisterclown, der beim vielleicht noch berühmteren Großmeister Lecoq studiert hatte). Zurück in Japan war ich nicht glücklich mit meinem Leben. Die meisten meiner Schulkolleginnen waren schon verheiratet, hatten Kinder – so ein Leben wollte ich aber nicht. Ich hab eine Clownschule in Tokyo besucht, aber als Clown bist du in Japan nicht wirklich akzeptiert. Mein Selbstvertrauen ist gesunken, so fuhr ich wieder nach Paris. Aber am Ende des Workshops war der Lehrer von meiner Abschluss-Performance sehr enttäuscht. Er langweile sich, meinte er. Ich verstecke mich hinter Charakteren, spiele wie eine Puppe, wirke gar nicht lebendig und müsste erst meine eigene Figur finden, riet er mir.

Wie hast du die gefunden?
Das hat noch lange gedauert, ich war mir aber sicher, dass ich genau das will. Ich war bei Workshops in verschiedenen Ländern, immer auf der Suche. Und vor zwei Jahren war sie plötzlich da, meine Figur. Als Japanerin, die mit Klischees spielt. Und die Idee mit dem Reis. In Frankreich hab ich dann das zum ersten Mal gemacht mit der Landkarte. Und hier eben mit den Umrissen von Österreich.
Ach ja, und das ist auch meine Botschaft an Kinder, weil du ja vom KiKu bist: Du musst den Weg zu dir selbst suchen und darfst nicht aufgeben, dich zu finden. Und: So wie ein guter Clown glücklich sein muss, so musst du einen Beruf finden, der dich glücklich macht.
 

Gardi Hutter (Schweiz)

Mit ihrem jüngsten Programm, „Die Schneiderin“ schloss Gardi Hutter das diesjährige Festival fulminant ab. Und eröffnet den Reigen des neuen „Nach-Spiels“ im gastgebenden Kosmos-Theater. Unter einer Art Ringelspiel in luftiger Höhe, an dem (halb-)fertige Kleidungsstücke hängen, agiert die mit Polstern ausgestopft leicht unförmige auf den ersten Blick bewegungsunfähige Schneiderin. Und natürlich genial, verspielt und immer wieder beinahe akrobatisch. Genial auch die Konfrontation mit einem scheinbar eigenständigen Spiegelbild (ein vor-aufgezeichnetes Video). Wenn die Show aufs Ende zusteuert, so richtig final. Die Hauptfigur stirbt – und alle lachen sich beinahe tot.
„Ich wollt diesmal (vor zwei Jahren) ein Stück über den Tod machen, erzählt Gardi Hutter, die Pionierin unter den Clownfrauen (seit 33 Jahren), dem KURIER. „Natürlich war für mich klar, sie muss großartig abgehen. Dann kam ich auf die Idee ihrer letzten eise mit einem Segelschiff. Da braucht’s wen, der die Segel näht. Und je mehr ich mich mit dem Thema und verschiedenen Mythen beschäftigt habe, desto mehr baute sich rund um die Figur der Schneiderin auf – die zuletzt auch alle Lebensfäden durchschneidet.“

Die Schneiderin
9./10. Dezember, 19.30 Uhr

Nola Rae (GBR)
Exit Napoleon – Pursued by Rabbits
12./13. Dezember, 19.30 Uhr

Lila Monti (ARG)
Povnia!
14./15. Dezember, 19.30 Uhr

Kosmos-Theater
1070, Siebensterngasse 42
Telefon: (01) 523 12 26

www.kosmostheater.at
www.clownin.at



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