Stopp der Hetze im Netz

Konsensorientiert

Genau darum dreht sich die Arbeit der Jüngst-Abgeordneten für einen Tag. Freitag Früh bekamen die 74 Abgeordneten (andere Schülerinnen und Schüler übernahmen die Medienarbeit für ein eigen Zeitung, einen Videobeitrag sowie die Parlamentskorrespondenz und die Facebookseite) einen - fiktiven - Gesetzesvorschlag zur Änderung des §283 des Strafgesetzbuches. Der Tatbestand der „ Verhetzung“ sollte an die Gegebenheiten der modernen Informationsgesellschaft angepasst werden. Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren sah der Entwurf vor.

Mit dem Vorschlag zeigten sich die Jugendlichen aller vier Fraktionen - Gelb, Türkis, Violett und Weiß - in so manchen Punkten nicht einverstanden. Schon bei der ersten Ausschusssitzung am Vormittag brachten die Vertreterinnen und Vertreter aus ihren vier Klubs den einhelligen Wunsch mit, die Aufzählung von Gruppen von Menschen zu erweitern, die nicht verhetzt werden dürften, sowohl Geschlecht als auch sexuelle Orientierung und Hautfarbe sollten noch explizit hinzugefügt werden. Ferner brachten mehrere Abgeordnete einen zusätzlichen Straftatbestand ein. Sollte ein Aufruf zu Gewalt tatsächlich andere dazu bringen, diese Gewalt auszuüben, dann wäre jedenfalls eine Haftstrafe sicherzustellen.

Noch selten wurde bei einem der vorangegangenen 15. Jugendparlamente (einmal im Halbjahr für Jugendliche der 9. Schulstufe jenes Bundeslandes, das gerade den Vorsitz im Bundesrat, der Länderkammer des Parlaments) führt, gleich von Beginn an so lebhaft diskutiert. Weiters bewegten sich mehr oder minder alle vier Klubs auf einen möglichen gemeinsamen Antrag zu. Die Unterschiede beschränkten sich eher auf Details, wie die Staffelung der Strafhöhe bzw. ob ein „Ausrutscher“, sprich eine erstmalige Verhetzung, milder beurteilt werden solle bzw. ob Tatausgleichens soziale Arbeit anstelle von Gefängnisstrafen forciert werden sollte.

Letztlich brachten drei Fraktionen einen gemeinsamen abgeänderten Gesetzesvorschlag ein, die Fraktion Gelb diskutierte während der Koalitionsverhandlungen noch im eigenen Klub - und entschloss sich letztlich, im Plenum zuzustimmen.

Apropos Plenum. Rund ein Drittel der Abgeordneten ergriff das Wort am wohl berühmtesten Redner_innen-Pult des Landes. keine einzige Polemik, kaum Debatten, „nur“ sachliche Argumente, warum so eine Gesetz gegen Hetze vor allem im Internet wichtig wäre. Weshalb keine Gruppen von Menschen niedergemacht werden sollten, alle einander mit Respekt und Toleranz begegnen sollten - was sie selbst den Tag über übrigens vorbildlich vorgelebt hatten. In mehreren Reden fiel das Postulat: Denn Mensch ist Mensch.

Neben dem Gesetzesvorschlag brachten mehrere Abgeordnete auch insgesamt sechs Entschließungsanträge ein, die unter anderem Informationskampagnen verlangten, um möglichst viele Menschen für die gefährliche Wirkung von Hate-Speech/Hassrede zu sensibilisieren, um Opfern von Hasskampagnen Therapie zu ermöglichen und nicht zuletzt - an so manche „großen“ Abgeordneten gerichtet, um einen einen Kodex für die politische Kommunikation von Parteien zu verlangen, der folgende Schwerpunkte definiert: diskriminierungsfrei, Menschenwürde sowie Toleranz.

Spannender als erwartet

Wie bei fast jedem Jugendparlament meinten praktisch alle befragten Jugendlichen, „dass der Tag viel spannender war, als wir uns das vorgestellt haben. Da wurde uns nicht nur von Demokratie erzählt und darüber geredet. Es war cool, selbst in die Rolle von Abgeordneten rein zu schlüpfen, zu diskutieren und abzustimmen. Da siehst du wirklich, wie die Arbeit im Parlament so läuft. Und alle nehmen uns voll ernst….“

Mobbing miterlebt

Eine Gruppe von Schülerinnen aus dem Gym Schärding, u.a. Jessica Friedrich, Alena Ziegler, Asmaa Razek und Iduna Pöschl, meinte: „Wir hätten zwar zuerst ein anderes Thema, nämlich Flüchtlinge, für viel aktueller gehalten, aber dann sind wir bald draufgekommen, dass das ja eh stark zusammenhängt.“ Sie haben in ihrer Klasse, „wir sind eine neu zusammengewürfelte 5. Klasse mit Hetze, Ausgrenzung, Mobbing überhaupt kein Problem, wir haben echt ein gutes Klima.“ insbesondere Asmaa Razek bestätigt das, die erst vor zwei Jahren aus München nach Schering gekommen ist. „In München war ich selbst zwar in der Klasse ziemlich beliebt, aber bei uns gab’s alles von Ausgrenzung, Provokationen. Da hat’s auch nichts geholfen, dass eine Schulpsychologin zum Einsatz kam.“

Kyra Palisa von der HLW (Höhere Lehranstalt für Wirtschaftliche Berufe) Kommunikations- und Mediendesign der Kreuzschwestern Linz erinnert sich auch an ihre vorige Schule, „da gab’s ganz arge Ausgrenzung und Hass - einmal gegen jemanden mit Behinderung, dann wieder gegen Mädchen, die magensüchtig waren, einmal ist alles so eskaliert, dass sogar die Schulpsychologin kommen musste.“

Diskussions-Leidenschaft

Sowohl im Klub als auch im Ausschuss und nicht zuletzt im Plenum erwies sich der eingangs genannte Leonard Reder vom Gymnasium Hamerlingstraße in Linz als sehr eloquent. „Ja, ich diskutiere gern und viel mit meinen Freunden. Und ich sage gern meine Meinung. Ich bin in keinem Debattierklub oder so, aber ich liebe es, ich kann mich gar nicht erinnern, wann das begonnen hat, es ist einfach eine Charaktereigenschaft von mir und es ist zu meiner Leidenschaft geworden.“ Politik ist jedoch nicht sein Ziel, „mich interniert die Justiz, ich will Jus studieren und vielleicht Anwalt werden.“

Das Jugendparlament findet jedes halbe Jahr einmal statt. Seit diesem Jahr gibt es zusätzlich einmal im Jahr ein Lehrlingsparlament.

Fürs Jugendparlament können sich jeweils Klassen der neunten Schulstufe jenes Bundeslandes bewerben, das gerade den Vorsitz im Bundesrat, der Länderkammer des Parlaments, führt. Dieser wechselt halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge. Jetzt war Oberösterreich dran. Aus den Schulen, die sich beworben hatten, wurden die folgenden eingeladen: Akademisches Gymnasium Linz, Klasse 5a BG/BRG/BORG Schärding, Klasse 5G BRG Hamerlingstraße Linz, Klasse 5m HLW für Kommunikations- und Mediendesign der Kreuzschwestern Linz, Klasse 1ahl PTS Urfahr, klassenübergreifend (P1, P2, P3, P4, P5, P6, P7)

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