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Szenenfoto aus "Die weiße Rose" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend), Wien)
Im Stück über die antifaschistische Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ im Theater der Jugend (Wien) sitzt das Publikum teilweise mitten im Geschehen.

„Wer war das?!“ herrscht der Typ im Schulwartmantel eine Zuschauerin an, bevor das Stück beginnt. „Das“ ist der Schriftzug „FREIHEIT“ mit weißer Farben an die Schulmauer gepinselt. Die Zuschauerin, eine Pädagogin, habe kurz überlegt, ob sie sagen solle, sie wär’s gewesen, meint sie nach der Premiere von „Die weiße Rose“ im kleineren Haus des Wiener Theaters der Jugend.

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Szenenfoto aus "Die weiße Rose" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend), Wien)

In der knapp mehr als eineinhalb-stündige Inszenierung kommen die Schauspieler_innen immer wieder von mehreren Seiten ins Publikum. So herrscht ein Nazi-Uniformierter eine Reihe an, aufzustehen. Die Reaktionen werden sicher in jeder Vorstellung anders sein. Diese Regie-Idee (Petra Wüllenweber) trägt dazu bei, sich gerade angesichts dieses Themas nicht nur zurückzulehnen und das Geschehen vor sich ablaufen zu lassen. Darauf wäre es angekommen und kommt es stets (wieder) an.

Entwicklung

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Szenenfoto aus "Die weiße Rose" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend), Wien)

Genial auch die Besetzung der Darsteller_innen: Lara Sienczak als Sophia Magdalena Scholl, ihr Bruder Fritz Hans (Felix Strobel) und Christoph Probst (Daniel Jeroma), die von den Nazis ermordeten Mitglieder der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“ sind nicht Held_innen schlechthin. Die Scholl-Kinder waren - zum Leidwesen des von Anfang an skeptischen Vaters – ursprünglich sogar Anhänger_innen des Hitler-Regimes, der neues, Veränderung usw. versprach. Erst nach und nach kamen der Jungmädel-Führerin Sophie Bedenken, weshalb sie jetzt nicht mehr mit der jüdischen Freundin, die blond und viel deutscher aussah als sie selbst zusammen sein dürfte usw. Nach und nach – und dies im Stück gut nachvollziehbar – wurde aus Zweifeln, Distanz und Skepsis die Erkenntnis, das ist nicht genug. Es brauche Taten, Handlungen – wenigstens Flugblätter, die über die Wahrheit aufklären...

Auf welcher Seite?!

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Szenenfoto aus "Die weiße Rose" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend), Wien)
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Szenenfoto aus "Die weiße Rose" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend), Wien)

Dass bei einem kleinen Ensemble Darsteller_innen immer wieder auch in mehrere Rollen schlüpfen (müssen), ergibt sich von selbst. Aber der „Schachzug“, dass etwa Clemens Matzka sowohl den nazi-kritischen Vater Robert Scholl als auch den Schulwart in Blockwart-Manier, Jakob Schmid, spielt, löst immer wieder den Gedanken aus, wo wäre ich gestanden?! Und Zitate aus Flugblättern der Weißen Rose mit Kritik an Parolen der Nazis führen zu erschreckenden aktuellen Parallelen und die Frage: Was mach ich heute?

Spannend dazu, dass das vom Schulwart weggewischte „FREIHEIT“ nach und nach wieder auftaucht und so die Zeit der Diktatur überdauert!

Übrigens: Die Premiere fand just am Abend jenes Tages statt an dem der neue Herr Innenminister davon sprach, Asylwerber in Lagern zu „konzentrieren“!

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FREIHEIT. Freiheit der Rede. Freiheit des Bekenntnisses. Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten. Heutzutage sind diese Grundlagen unseres Europas nicht wegzudenken, doch Hans Scholl, Alexander Schmorell und der Universitätsprofessor Kurt Huber verfassten diese Grundlagen mit dem Wunsch die Menschen im Nazi Deutschland wachzurütteln – auf Flugblättern, die die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“, der nicht zuletzt Hans‘ Schwester Sophie angehörte, verteilten und verschickten obwohl sie wussten, dass könnte ihnen das Leben kosten im deutschen Reich, dem Österreich angehörte. Ein Land des Schmerzes. Ein Land der geheimen Staatspolizei. Ein Land der Gewalt. Ein Land OHNE Freiheit. Freiheit, Toleranz oder die Liebe zu den Mitmenschen hatte keinen Platz in Hitlers Reich.

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Anđjela Čegar

Das Stück im Theater im Zentrum verschlägt einem die Sprache, wenn man die Bedingungen unter denen die Menschen, damals gelebt haben, vorgeführt bekommt. Unter den Grausamkeiten die herrschten ist es kein Wunder, dass auch Studierende Mut gefasst haben und eine Widerstandsbewegung gegen die Diktatur des Nationalsozialismus gegründet haben.Flugblätter. Flugblätter. Flugblätter. Flugblätter. Flugblätter. Tausende Flugblätter wurden verteilt mit der Absicht ihre MitbürgerInnen wachzurütteln und ihnen die Augen zu öffnen für eine Zukunft die keinen Hass, kein Töten und keine Gewalt beinhaltet.Das emotional bewegende Stück zeigt die Entwicklung eines Geschwisterpaares in der NS-Zeit die, obwohl sie am Anfang zu der Hitlerjugend dazugehörten, sich dem Ende hingehend für die Freiheit eingesetzt haben.Schock machte sich im Raum breit als man nicht nur den Mut gespürt hat den diese jungen Menschen aufgebracht haben, sondern auch wie die Gestapo, die geheime Staatspolizei, mit diesen Menschen umgegangen ist.„Es lebe die Freiheit!“ waren/sind die letzten Worte von Hans Scholl.Anđela Čegar, 17

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Der Schriftzug "Freiheit"
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Ein ausführliches Programmheft – auch als PDF zum Download auf der Homepage des Theaters der Jugend – siehe Infos – liefert nicht nur historische Hintergrundinformationen, sondern stellt immer wieder auch Brücken zum Heute her – ob über Hass nicht zuletzt im Internet oder auch über Zitate von Stéphane Hessel. Der war Mitglied der französischen Widerstandsbewegung gegen die Nazis, arbeitete an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 mit und veröffentlichte im hohen Alter von mehr als 90 Jahren sein prägnantes Büchlein „Empört euch!“: „Verschließen wir nicht die Augen vor den schreienden Ungerechtigkeiten um uns herum. Lassen wir uns nicht vor Tatsachen stellen, die wir als leider vollendet zu akzeptieren hätten. Macht euch klar, was euch stört und empört, und dann versucht herauszufinden, was ihr konkret dagegen unternehmen könnt.“Zitat

Zitat aus einem Flugblatt

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt. Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!“ – Mit diesen eindringlichen Worten appelliert ein kleiner Kreis von Münchner Studierenden in einem Flugblatt an das Gewissen ihrer Mitmenschen, nicht länger die Augen vor den grausamen Verbrechen der NS-Diktatur zu verschließen und Widerstand zu leisten. Diese Gruppe wird unter dem Namen „Weiße Rose“ in die Geschichtsbücher eingehen, ihre Mitglieder – allen voran Sophie und Hans Scholl – werden zu Symbolfiguren der Menschlichkeit in unmenschlicher Zeit.

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Die Weiße Roseab 13 J., 100 Minuten

Sophie Scholl: Lara Sienczak Hans Scholl / Fritz Hartnagel: Felix Strobel Christoph Probst / Gestapo-Beamter / Robert Mohr: Daniel Jeroma Robert Scholl / Jakob Schmid Clemens Matzka Else Gebel / Susanne / Wärterin: Elisabeth Waldburg Kurt Huber / Braunhemd / Roland Freisler: Uwe Achilles

Regie: Petra Wüllenweber Bühne: Peter Engel Kostüme: Regina Rösing Musikalische Einstudierung: Stephanie Hacker Licht: Fritz Gmoser Dramaturgie: Brigitte Auer Assistenz und Inspizienz: Felix Metzner Teilinspizienz: Florian Pilz Hospitanz: Simone Tomas Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien

Wann & wo? Bis 21. März 2018 Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 Telefon: (01) 521 10-0www.tdj.at

Ein Materialienheft des Theaters der Jugend mit vertiefenden Informationen gibt es zum Download (als pdf-file) und zwar hier

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