Kein Traum in Weiß: Wenn Frauen ungetragene Brautkleider verkaufen

Für viele Frauen ist der Verkauf ihres ungebrauchten Brautkleides ein Schritt in ein neues Leben.
Ungetragene Brautkleider, die im Internet verkauft werden, erzählen besondere Geschichten. Autorin Hannah Winkler hat diese in einem Buch gesammelt.

Mit dem perfekten Brautkleid vor den Traualtar treten: Das war Kerstins sehnlichster Wunsch. Euphorisch suchte sie nach dem Heiratsantrag ihres Freundes in Brautmodengeschäften nach dem passenden Modell. Sie schlüpfte in unzählige Kleider, verliebte sich in eines – und kaufte es. Das Problem: Jedes Mal, wenn Kerstin das Kleid längere Zeit trug, versagte ihr Kreislauf. Sie fiel in Ohnmacht.

Die Vorbereitungen auf den großen Tag entwickelten sich zum Wechselbad der Gefühle. Wenige Wochen vor der Hochzeit fand Kerstin den Grund für ihre Ohnmachtsanfälle heraus: Weil sie mir einer gekrümmten Wirbelsäule geboren wurde, musste sie als Kind ein Korsett tragen. Im engen Brautkleid fühlte sie sich wieder so eingeengt wie damals. Da die Zeit drängte, nähte Kerstins Mutter spontan ein Kleid ohne Korsage, in dem sie schließlich "Ja" sagten konnte. Von ihrem alten Traumkleid trennte sich Kerstin kurz nach der Hochzeit und bot es im Internet zum Verkauf an.

"Ganz neue Welt"

Es sind Geschichten wie diese, die Autorin Hannah Winkler in ihrem Buch "Verkaufe Brautkleid, ungetragen" erzählt. Die Idee zum Buch kam der 31-Jährigen nach ihrem eigenen Heiratsantrag. „Anders als die meisten Bräute wollte ich nicht in ein Brautmodengeschäft gehen und ein teures Kleid kaufen. Ich hatte ein kleines Budget und wollte ein Kleid, das ich später wieder tragen kann. So bin ich im Internet und schließlich auf Ebay Kleinanzeigen gelandet.“ Dort offenbarte sich der Deutschen "eine ganz neue Welt": Unter den Suchbegriffen „Brautkleid ungetragen“ stieß die Filmemacherin und Journalistin auf mehr als 2000 Anzeigen, in denen neue Hochzeitskleider angeboten wurden. "Das hat meine Neugier geweckt. Ich beschloss, nachzufragen." Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten. "Viele Frauen haben mir direkt ihre Geschichte erzählt, wollten telefonieren oder sich treffen. Ich hatte das Gefühl, dass viele froh sind, dass endlich jemand nachfragt", erinnert sie sich.

Tatsächlich scheint der Verkauf ungetragener Hochzeitskleider online zu boomen. Allein in Österreich wurden im Jahr 2017 mehr als 1000 neue Brautkleider auf der Flohmarkt-App Shpock online gestellt. "Oft ist der Grund dafür eine geplatzte Hochzeit", sagt Verena Titze von Shpock. Angeboten werden die Kleider im Schnitt um 160 Euro, die Stilrichtungen könnten nicht unterschiedlicher sein: "Von A-Linien-Kleidern über Roben im Prinzessinnenstil, von schlicht über lange bis hin zu kurzen Kleidern ist alles dabei."

Loslassen

Hinter den oft anonymem Kleideranzeigen verbergen sich emotionale Erlebnisse, weiß Hannah Winkler. Tanja etwa musste ihre Hochzeit mit Chris absagen, weil er die Beziehung plötzlich beendete. Nach der Trennung suchte sie vergeblich nach Gründen für das Liebes-Aus. Als sie Chris nach einiger Zeit besuchte, lebte dieser mit einem Mann zusammen.

"Jede Frau hat auf ihre eigene Art große Hoffnungen mit dem Kleid verbunden, das nun verkauft werden soll. In irgendeinem Sinn haben sich diese nicht erfüllt." Nicht immer sei eine geplatzte Hochzeit der Grund für den Verkauf und nicht alle Geschichten seien traurig. "Aber gerade beim ersten Brautkleid investiert man viel Zeit, Geld und Emotion. Da fällt Loslassen schwer, egal aus welchem Grund." Der Entschluss, sich endgültig von dem Kleid zu trennen, falle oft erst Monate oder Jahre nach dem Kauf.

Stigma

So schwierig wie der Verkauf des Kleides ist auch die Verarbeitung einer abgesagten Hochzeit. Das liegt nicht zuletzt an dem gesellschaftlichen Stigma der traurigen verlassenen Braut, das Betroffenen oft fälschlicherweise zugeschrieben wird. "Es ist etwas, worüber es sich nicht so leicht reden lässt. Vielen Frauen ist es peinlich und sie denken, dass sie nicht genügen, etwas falsch gemacht haben – oder fragen sich, womit sie so viel Schmerz verdient haben", schildert Winkler. Freunde und Familie würden das Thema häufig vermeiden, um keine Wunden aufzureißen. Dabei hätten viele Frauen großen Redebedarf. Ähnlich heilsam wie der offene Umgang mit traumatischen Hochzeitserlebnissen ist das Abgeben des Brautkleides. "Es ist ein Blick nach vorne und setzt einen Schlussstrich unter einen Lebensabschnitt", sagt Winkler. Das könne befreiend wirken.

Mit ihrem Buch richtet sich Winkler an Menschen, die sich für Geschichten aus dem echten Leben interessieren. "In der Welt der Hochzeiten wird alles als heil und harmonisch dargestellt. Mein Buch ist ein Stück näher an der Realität."

Kein Traum in Weiß: Wenn Frauen ungetragene Brautkleider verkaufen

Buchtipp: „Verkaufe Brautkleid, ungetragen: Wahre Geschichten“ von Hannah Winkler ist bei Fischer Taschenbuch erschienen. 256 Seiten, 10,30 Euro

Experten geben Tipps: Was zu tun ist, wenn die Hochzeit nicht stattfindet

Die Location ist fixiert, die Einladungen sind verschickt, Caterer, Musiker und Fotograf gebucht: Eine gelungene Hochzeit bedarf entsprechender Planung. Aber was passiert, wenn die Feier abgesagt werden muss? "Absagen kommen tatsächlich hin und wieder vor", weiß Paula Rys, Hochzeitsplanerin bei HochzeitsHummel. Oft seien die Absagen das Resultat plötzlicher Trennungen: "Das passiert meist aus Überforderung – ein Partner oder beide bekommen kalte Füße", erklärt die Expertin. Auch Krankheitsfälle kämen vor, ebenso wie Unglücksfälle in der Familie.

Absage geht ins Geld

"Wenn Paare ihre Hochzeit absagen wollen, raten wir ihnen, sich das gut zu überlegen", betont Rys. Denn bei Absagen gelten die Stornobedingungen der einzelnen Dienstleister. "Wir achten im Vorfeld darauf, dass Absagen in den Verträgen geregelt sind. Manchmal gibt es aber nur mündliche Verträge mit den Parteien, das wird dann schwieriger zu lösen." Zuerst sollte man mit dem Caterer sprechen, da dieser im Voraus Vorbereitung treffen muss. Dann kann bei der Location angefragt werden, ob es weitere Anfragen für den Termin gab und man diesen wenn möglich abgeben kann. "Dann geht man alle Dienstleister durch, um über die Stornierung zu sprechen." Es gilt: Je weiter weg der Termin, desto niedriger die Kosten.

Portale wie www.abgesagtehochzeiten.at bieten Hochzeiten aus zweiter Hand an. Wirft ein Paar die Heiratspläne über den Haufen, kann die Feier als Gesamtpaket verkauft werden. Rys sieht derartige Angebote kritisch: "Hochzeiten sind etwas sehr Individuelles und auf das Brautpaar zugeschnitten." Sinnvoll sei aber, Teile der Hochzeit, wie zum Beispiel Dekorationsartikel, über soziale Medien oder Flohmarkt-Apps zu verkaufen. 

Versicherung für alle Fälle

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann eine Versicherung abschließen. Dafür wird das Budget der Feier berechnet und eine Prämie festgelegt. "Eine Ausfallversicherung kann bei uns bis zu sechs Wochen vor der Hochzeit abgeschlossen werden", schildert Jutta Wittmann von der Versicherungsmaklergesellschaft Care Consult. Die Versicherung wird schlagend, wenn die Hochzeit aus im Vorfeld vertraglich vereinbarten Gründen abgesagt wird. Es gebe auch Anbieter, die Trennungen versichern. "Kommt es zur Absage, muss man bescheinigen, welche Stornogebühren die Dienstleister verlangen. Die Summe wird übernommen."

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