Josef Cser: Ringrichter im Gemeindebau

Rot und Blau im Infight: Josef Cser als Schiri bei der Box-WM und im Karl-Marx-Hof
Als Chef der "wohnpartner" und Schiedsrichter beim Boxen bemüht er sich vor allem um eines: um mehr Fairness.
Von Uwe Mauch

In die Gosch’n hauen! Selbstverständlich kennt er den uralten Wiener Kraftausdruck, immerhin ist er in Praternähe aufgewachsen, immerhin hat er jahrelang fünf Mal pro Woche in einem Boxclub trainiert. Josef Cser haut jedoch selbst niemandem in die Gosch’n. Und auch nur im äußersten argumentativen Ausnahmefall verwendet er einen Kraftausdruck.

Josef Cser: Ringrichter im Gemeindebau
Josef Cser Chef der Wiener Wohnpartner, Kampfrichter beim Boxen

Etwa, wenn dem ehrenamtlichen Präsidenten des Boxclubs Wien und international anerkannten Ringrichter wieder einmal zu Ohren kommt, "dass wir Boxer dumme, dumpfe Hinhauer sind". Dann muss er entgegenhalten: "Ja, wir hauen uns im Ring in die Gosch’n, aber wir würden dem Gegenüber absichtlich nie auf die Zehen treten. Fairness ist in unserem Sport oberstes Gebot."

Nicht nur Hiebe

Gegen das Klischee ringt der 52-jährige Wiener auch im Gemeindebau. Josef Cser ist Mitbegründer und Leiter der wohnpartner. Seine Leute, mehr als 150 an der Zahl, bemühen sich seit fünf Jahren um ein gutes Klima in den 2000 städtischen Wohnhausanlagen mit rund 500.000 Bewohnern. Dass das Image des sozialen Wohnbaus ramponiert ist, weiß auch der oberste Wohnpartner: "Wenn ich erzähle, wo ich arbeite, sagen neun von zehn Leuten: ‚Na bumm, da hast sicherlich viel Arbeit.‘"

Doch diese Defensivposition ist dem Boxfan Josef Cser gar nicht unangenehm. In die Ecke gedrängt, läuft er zur Höchstform auf. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gab ihm 2009 die Chance, innerhalb der städtischen Verwaltung ein neues Netzwerk der Nachbarschaft aufzubauen.

"Das war nicht Malen nach Zahlen", erinnert sich Josef Cser. "Es gab keine Vorbilder." Schon öfters sind aus Beschwerden von Mietern konkrete Projekte entstanden: Als sich zum Beispiel ein Mieterbeirat in Favoriten fürchterlich aufregte, dass die "Neuösterreicher" nicht grüßen, wurde er zum ersten Sonderbotschafter im Gemeindebau erkoren und mit ihm die Aktion "Willkommen Nachbar" gestartet.

Als dann im Hof eines Gemeindebaus in der Donau-stadtstraße ein Kulturkampf auszubrechen drohte, in der einen Ecke ältere Damen und Herrschaften, die ihre Ruhe haben wollten, in der anderen Ecke Kinder mit Migrationshintergrund, wurde mit allen Beteiligten gemeinsam eine Hof-Charta erstellt.

Nicht nur Misstöne

Josef Cser: Ringrichter im Gemeindebau
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Nicht zu überhörendes Unbehagen stand auch am Beginn eines Schachturniers für die Mieter, das inzwischen wienweit ausgetragen wird. Misstöne führten auch zur Gründung des 1. Wiener Gemeindebauchors, der heute auch im Ausland auftritt, und zur Eröffnung der BewohnerInnenzentren, in denen die Mieter selbst entscheiden, wie sie die zur Verfügung gestellten Räume bespielen wollen.

Klar gibt es unter den 500.000 Menschen weiterhin Wickel. Josef Cser streitet das nicht ab, wehrt sich jedoch gegen Behauptungen, wonach im Gemeindebau Mord und Totschlag Tür an Tür wohnen. Die Erfahrung lehrt ihn: "Jeder Konflikt ist ein Ersuchen um Veränderung, und ein Schrei nach Aufmerksamkeit."

Wichtig ist ihm auch der Hinweis, dass die Mitarbeiter von wohnpartner nur selten als Streitschlichter auftreten müssen: "Die Konfliktzahlen sind markant zurückgegangen: Von 4000 im Jahr 2010 auf 2500 im Vorjahr."

Sei fair zu deinen Mannschaftskollegen! Und respektiere immer auch deinen Gegner im Boxring! Die Anweisungen seiner ehemaligen Trainer gibt Cser heute auch seinem Team, den Mietern im Gemeindebau und den Boxern bei internationalen Turnieren mit auf den Weg: "Man kann schon in der Sache hart verhandeln, aber man muss dabei sein Gegenüber immer als Mitmensch akzeptieren."

Weltweit einzigartig

500.000 Menschen wohnen in Wien im Gemeindebau, der aus 2000 Wohnhausanlagen und 220.000 Wohnungen besteht. Im Gemeindebau vermietet die Stadt Wien auch 5400 Lokale sowie 47.000 Abstellplätze.

Kampf um den Gemeindebau

Josef Cser: Ringrichter im Gemeindebau

Heimat der sozialen Ungleichheit: Jeder dritte Gemeindebaumieter muss mit weniger als 1000 Euro im Monat das Auslangen finden. Die Arbeitslosenrate ist doppelt so hoch wie im Wien-Schnitt. Im Gemeindebau wohnt die Kern- wählerschaft von SPÖ und FPÖ.

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