Der ganz normale Beziehungs-Wahnsinn

Der ganz normale Beziehungs-Wahnsinn
Die KURIER-Kolumnisten Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl im Beziehungsgespräch und im Video.

Eine glückliche Ehe mit alltäglichen Schlagabtäuschen um verschwundene Socken, volle Handtaschen und andere Beziehungs-Banalitäten – Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl nennen ihre sonntägliche Paarkolumne aus gutem Grund "Paaradox". Was da seit knapp drei Jahren zu lesen ist, wird seit Herbst als Bühnenshow im Wiener Rabenhof-Theater gezeigt, stets ausverkauft. Und ist seit dieser Woche als Buch erhältlich. Der Erfolg wirft die Frage auf: Warum interessiert so viele ein Mann/Frau-Blick auf den Alltag? Und ist er überhaupt echt? Zu Beginn des Gesprächs, das mit den Kollegen im gewohnten Duwort stattfindet, reichen rosa Herzen, damit Kuhn und Hufnagl die zweite Frage wortlos beantworten: Sie spielen damit wie junge Verliebte.

KURIER: Die Sichtweisen in der Kolumne sind oft bis zum Klischee überspitzt. Seid das ihr oder bedient ihr Kunstfiguren?

Gabriele Kuhn: Überhöhte Figuren, aber authentische, es wird auch als authentisch erlebt. Natürlich zugespitzt, aber es entspricht der Wahrheit, das sind schon wir.

Michael Hufnagl: Wir beschreiben Alltagssituationen. Würden wir sie nicht überhöhen, wären sie fad. Der Erfolg der Kolumne liegt darin, dass sich Menschen damit identifizieren. Die Leute kennen diese Muster. Wir schreiben sie auf, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit mildem Spott und Ironie.

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Zu viel Banalität kann aber auch fad wirken, oder?

Hufnagl: Die Banalität ist der Schmäh der Geschichte. Es ist eben keine geistig tiefsinnige Abhandlung über das Mann-Frau-Thema und die Probleme, die sich aus dem Gemeinsamen ergeben. Wir bilden die Banalität ab, so dass man über die Dinge, die einen eigentlich ärgern, lachen kann. Mich machen diese Dinge ja narrisch, der Witz ergibt sich aber aus dem Blick auf mich, wie ich mich ärgere.

Kuhn: Wesentlich ist, dass man zu dem, was man tut, immer wieder Abstand gewinnt und die Situation in ihrer Absurdität erkennt. Darüber zu lachen, bringt einen näher, man erkennt, wer bin ich ich, wer sind wir. Ich schau mich oft selbst von oben an und sage: Ich kepp’l nur mehr, da muss man schon fragen: Was ist der Urgrund des Keppelns, wo ist die eigene Unzufriedenheit?

Hufnagl:Gaby hat einmal gesagt: Wir sind wie in einer italienischen Komödie. Wenn du das über dich sagen kannst, übereinander und miteinander lachen kannst, hast du viel gewonnen.

Klingt fast wie ein therapeutischer Tipp. Werden Menschen mit Beziehungsdrama durch eure Texte therapiert?

Hufnagl: Therapie ist zu hochgegriffen, aber wenn man selbst in der Falle drinsteckt, tut es manchmal gut zu sehen: Das ist wie bei uns, mein Gott, worüber wir uns eigentlich aufregen. Das kann ein Krampflöser sein.

Ihr seid also Role Models. Im Buch schreibt ihr: "Die große Kunst des Paarseins ist es, an der Zeit zu wachsen." Wie seid ihr in 17 Jahren gewachsen?

Kuhn: Ich glaube, man kann nur an der Reibung und an Tiefs wachsen, und wir hatten einige in der lange Zeit. Ich halte Beziehungen, die nie Tiefs haben, für fragwürdig. Uns haben sie toleranter, größer und selbstreflektierter gemacht.

Hufnagl: Ich habe durch diese Frau Weisheit, Gelassenheit gelernt, und über den Schatten zu springen, um sich auf Tiefgang einzulassen. Das war mir früher nie wichtig. Offensichtlich habe ich unbewusst immer eine ältere Frau gesucht, die mir das Wilde runterräumt.

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Ihr seid zehn Jahre auseinander, dazu passt die Rollenverteilung im "Paaradox", die weise Gabriele und der locker-leiwande Michael. Wie oft sagt denn einer von euch: Das ist gemein, das kannst du nicht schreiben?Hufnagl:Ich bin der Angerührtere, mir ist die Außendarstellung wichtiger als der Gaby. Ich denke, wer das aller liest, was denken sich die dann? Gaby ist gut im Nehmen.

Apropos: Über Sex schreibt ihr im „Paaradox“ gar nicht.
Kuhn: Das ist der intimste Bereich, das ginge nicht. Auch über echte Probleme oder Beziehungskrisen würde da nie etwas stehen. Oder Details aus unserem Familienumfeld.
Hufnagl: Ich glaube, dass unser Publikum das gar nicht will. Es wäre eher irritiert, wenn ich schreiben würde, welche Stellung wie nicht funktioniert. Das ist ein automatisches Tabu.
Kuhn: Ich bin durch zwölf Jahre Sexkolumne (KURIER freizeit) sehr abgebrüht.

Aus dem Buch: "Der Alltag und genau solche Situationen sind der größte Feind der Liebe." Führen die Scharmützel in einer Ehe immer zum Ende oder gehört das einfach dazu?

Kuhn: Viele Ehen werden geschlossen, da hatten beide noch kein Leben davor. Michi ist aber mein zweiter Mann, wir hatten beide ein intensives Vorleben. Da weiß man schon, dass man immer wieder an die gleichen Problemstellen kommt. Und dass man daran arbeiten muss. Beziehungen sind harte Arbeit. Hat man das noch nicht erfahren, bricht bei der ersten Krise ein Traum zusammen.

Michi: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es passiert so lange immer das Gleiche, bis man in sich geht und sagt, was stimmt mit mir nicht? Wenn der wirklich große Wickel kommt, kann man sich schleichen oder sagen: Schauen wir uns das an! Das tut weh und ist mühsam. Wir beide haben uns auch schon nächtelang erklärt, mit Tränen und Wut, so weit kommen viele gar nicht.

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Auf der Bühne sagt ihr euch als Schlussnummer einmal etwas Nettes. Was gefällt euch am anderen noch immer?

Hufnagl: Für mich ist es das Bild, wenn ich aufwache und ich sehe sie noch schlafen, dann ist das Gefühl in diesem Frieden, ich würde mich in der Sekunde wieder in diese Frau verlieben. Da halte ich alles andere aus.

Kuhn: Das beste Indiz ist, sich immer wieder auf den Menschen zu freuen. Du denkst nicht, der sollte einmal auf Urlaub fahren, ich will alleine sein, sondern man freut sich immer auf den Tag mit ihm, weil er mich neugierig aufs Leben macht.

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