U4-Gründer Ossi Schellmann hat Sie zum Star gemacht.
Ja. Weil ich so goschert war, habe ich immer das beste Trinkgeld gekriegt. Vor meiner allerersten Moderation mit 20 Jahren hat mir Ossi gesagt: „Es kommt da eine Künstlerin aus London, die heißt Sade Adu.“ Sie war damals 25. Dafür gab es sogar ein Bussi von ihr, man kann es auf Youtube nachschauen. Später hat Ossi die U-Mode erfunden, die Underground-Fashion: Das war dann der echte Start von mir als Moderator. Ich habe die Leute unterhalten.
Wie wuchsen Sie auf?
Als Sohn eines jugoslawischen Paares war es nicht einfach für mich, in der Pubertät zu bemerken: „Bist du vielleicht – oh Gott, allein das Wort! what! – homosexuell?! Wie sag ich es?“ Das war in den Siebzigerjahren wirklich belastend. Man kann sich Homosexualität, das ist ganz wichtig, ja nicht aussuchen! Es ist keine Krankheit, sondern halt genetisch bedingt. Dieses Anderssein hat mich geprägt.
Und – noch komplizierter: Als Jugendlicher wurde Intersexualität bei Ihnen festgestellt – in einer Zeit, wo man eigentlich so sein will, wie alle anderen. So ist es. Ich habe in der Pubertät begonnen, Brüste zu entwickeln. Das nennt sich Gynäkomastie. Ich entdeckte, so etwas wie ein Hermaphrodit zu sein, und habe das Beste daraus gemacht, indem ich Drag Queen geworden bin – eine Kunstfigur, wo ich natürlich auch meine Brüste eingesetzt habe. (lacht) Ich habe viel Spaß damit gehabt und kann damit umgehen. Ich war die „Dame Galaxis“ und damit eine eigene Kunstfigur. Ich bin eine lebende Legende.
Wie kleiden Sie sich heute?
Normalerweise trage ich einen Kaftan, à la Gustav Klimt. Aber für einen Ball verkleide ich mich noch immer gerne wie früher als „Dame Galaxis“.
Also alles erreicht für die Schwulenbewegung?
Wir können heiraten, uns verpartnern, scheiden lassen, Kinder adoptieren. Das haben wir in der westlichen Welt erreicht, und darauf können wir stolz sein. Leider gibt es einen irrsinnigen Backlash. Ich bin nie jemandem auf die Nerven gegangen und mit einem Demonstrationsschild gekommen: „Ich muss das oder das haben.“ Ich wollte als Kind Diplomat, Dolmetscher oder Schauspieler werden. Die Drag-Queen-Persona „Dame Galaxis“ war für mich das Ausleben meiner Schauspielkunst. Ich bin ein schwuler Mann, aber wenn ich mich auftakle, dann möchte ich vor allem, dass sich die Leute amüsieren.
Sie sind als Gastarbeiterkind in Österreich schnell angekommen. Doch mittlerweile gibt es an allen Ecken und Enden Integrationsprobleme.
1966 hat uns mein Vater Rudi nach Wien gebracht, um hier zu arbeiten und den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Das war schon ein Kulturschock für mich. Ich bin im Rubenspark in Wieden aufgewachsen und habe dort als Vierjähriger von den Damen im Beserlpark Deutsch gelernt: „Mei, du bist aber liab, kumm her“, sagten sie. Wir sind dann nach Döbling gezogen, wo ich sozialisiert wurde. Das Liebste war mir die Schulzeit. Dort habe ich so viel gelernt! Geschichte, Geografie, Latein! Das bedeutete, die Welt neu kennenlernen. Meine Eltern wollten, dass ich an die Uni gehe.
Das ist jetzt wohl alles nicht mehr so.
Warum ist das nicht mehr so? Weil zu Hause von den Eltern anscheinend kein Wert darauf gelegt wird, die Sprache, in die man sich integrieren sollte, zu lernen. Die Studie hat eh gerade Schlagzeilen gemacht: Dass so viele Sechsklässler, die in Wien geboren sind, kein Deutsch können. Diese Entwicklung gefällt mir nicht. Sehr viele Leute aus uns komplett fremden Kulturkreisen kochen hier ihr eigenes Süppchen.
Müssten die Koalitionsverhandler dieses Thema bearbeiten?
Es wurde sehr vieles jahrelang nur durchgewunken. Ich bin bekennender Atheist. Vor einigen Jahren habe ich überlegt, in die Politik zu gehen, aber Freunde haben mir abgeraten. Ich will, dass alle Religionen – Hinduismus, muslimischer Glaube, Katholizismus, Judentum – nur noch Privatsache sind. Lasst alle beten, zu wem sie wollen, aber kein ostentatives Tragen religiöser Bekleidungen!
Also noch striktere Trennung von Staat und Religion?
Alle Förderungen für Religionen müssten gekürzt oder eingestellt werden. Dieses Geld könnte man in die lebenden Menschen investieren – mehr Bildung, mehr Renaturierung. Wir müssen Integration ernster nehmen und durchsetzen. Angela Merkel hat eine Leitkultur-Debatte losgetreten. Ja, es gibt tatsächlich eine Kultur, die wir sind. Ich bin stolz darauf, ein Freigeist zu sein und in einer Demokratie zu leben. Ich hab mich integriert und bin ein echter Wiener. Man muss sich der Kultur anpassen. Ich halte mich auch in anderen Ländern an die Regeln. Leider Gottes wird das bei uns immer wieder missachtet. Wir kommen alle nackt auf die Welt, der Mensch ist unbeschrieben, ohne Ideologie. Ich bin heilfroh, in diesem Kulturkreis geboren zu sein. Wie wäre es mir zum Beispiel in Pakistan oder in Afghanistan gegangen? Ich habe auch im Religionsunterricht immer alles hinterfragt und immer Konter gegeben, was meine katholische Religionsprofessorin geschätzt hat! Dennoch habe ich mich später vom Religionsunterricht abgemeldet, um länger schlafen zu können.
Was bedeutet Mode für Sie?
Sie ist für mich angewandte Kunst. Kleidervorschriften sind hingegen Mittelalter. In den Siebzigerjahren haben die Frauen in Iran, Afghanistan und Pakistan Miniröcke wie in Europa getragen. Warum muss ein achtjähriges Mädchen ein Kopftuch tragen? Das regt mich auf. Wie kann man Haare sexuell anregend finden? Wir dürfen uns unsere Demokratie nicht wegnehmen lassen und müssen aufpassen, dass unsere Werte nicht unterminiert werden.
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