42,2 Kilometer: Gefühlschaos pur
Die Tage vor einem Marathon sind für mich der blanke Horror. Außer Ruhe geben und sich möglichst gut ernähren, kann man auf den großen Lauf nämlich keinen Einfluss mehr nehmen. Die Vorbereitung lief gut. Rund 1000 Kilometer hatte ich seit Anfang des Jahres in den Beinen. Doch es kann im Vorfeld noch so gut laufen, die Gefühle eine Woche vor dem Start fahren Achterbahn: Vorfreude (juhu, es ist endlich soweit) versus Angst (kommt der Mann mit dem Hammer? Das schaffe ich nicht,...). Eine nervenaufreibende Kombi. Bei Freunden und Kollegen gab es nur noch ein Thema: Hamburg.
Einen Startplatz gewonnen!
Eigentlich wollte ich beim Vienna City Marathon (VCM) meinen zweiten Marathon laufen. Angemeldet war ich schon lange, Vorfreude kam aber nie so richtig auf. Denn ich gebe zu: ich liebe Wien, aber mit dem (Halb)Marathon in der Heimatstadt hatte ich bisher keine guten Erfahrungen gemacht. Egal, denn nur einen Tag nachdem ich bei einem Gewinnspiel für einen Startplatz beim Hamburg Marathon mitgemacht hatte, bekam ich Bescheid: Sie haben gewonnen. Ich war aus dem Häuschen und wusste: Das wird mein Tag! Beim VCM war ich trotzdem dabei. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vergangenen Freitag war es schließlich soweit. Zwei Tage vor dem Start ging es los. Nach der Ankunft in Hamburg gleich mal zur Messe die Startnummer abholen, bisschen Sightseeing und das war’s dann auch schon mit dem ersten Tag in der Hansestadt. Am nächsten Tag noch ein kurzes Läufchen und vor allem eines: nur nicht zu viel hatschen. Denn diesen Fehler hatte ich im Herbst in Berlin gemacht. Damals hat mir am Abend des Vortages alles so weh getan, dass ich dachte, der Marathon ist eigentlich schon gelaufen. Aber wie es so schön heißt, aus Fehlern lernt man. Also ab dem Nachmittag Beine hoch.
Im Auge des Sturms
Schon seit zwei Wochen hatte ich eines immer im Auge: das Wetter. Die Vorhersage meinte es nicht gut mit den rund 16.000 Marathonis und zusätzlichen 6000 Staffelläufern. "Steife Böen mit bis zu 60km/h“, lautete die Prognose – noch dazu sollte es vor allem auf dem letzten Viertel ordentlich Gegenwind geben. Mein absoluter Horror! Schon die Böen am Samstag lassen nichts Gutes verheißen. Die Fahnen vor unserem Hotel wehen was das Zeug hält, an eine Frisur im Freien ist nicht zu denken. "Wie soll ich da morgen mein geplantes Tempo laufen?“, frage ich mich. "Der Wind ist dein Freund, er macht dich stark“, kommen noch am Abend aufmunternde Worte von meinem Lauftrainer Wilhelm Lilge vom Verein team2012.at. "Naja“, denke ich mir, "es gibt bessere Freunde...“
Es ist 5.03 Uhr als ich auf mein Handy neben dem Bett im Hotelzimmer schaue. Endlich. Nach gefühlten drei Stunden Schlaf kann ich aufstehen. Es ist so weit. Ich reiße das Fenster auf und meine Befürchtung bewahrheitet sich: Die Fahnen wehen schon wieder oder noch immer. Die Laufsachen liegen alle bereit. Frühstücken und auf geht’s zum Startbereich. Auf dem Vorplatz der Messehalle ist schon einiges los. Da werden Beine mit Tigerbalsam eingeschmiert, Dehnübungen gemacht, nervös auf und ab gelaufen und sich noch ein letztes Mal vor einem Dixi-Klo angestellt. Ich mag dieses Kribbeln vor Wettkämpfen. Man spürt: heute ist ein besonderer Tag.
Im Startblock habe ich Dank Laufkollegin Lena aus Wien keine Gelegenheit noch nervöser zu werden. Wir quatschen und dann fällt auch schon der Startschuss und ab geht’s – 42,195 Kilometer quer durch die Stadt. "Hamburg ist eine einzige große Marathon-Party. Das Publikum ist super“, hatte es im Vorfeld geheißen. Auf den ersten Kilometern entlang der Reeperbahn zum Hafen bemerke ich nicht viel davon. "Das soll eine gute Stimmung sein“, denke ich mir und bin ein wenig enttäuscht weil kaum Menschen auf der Straße sind. Dementsprechend läuft es noch etwas unrund bei mir.
Partystimmung pur
Dann plötzlich bei Kilometer Elf – Fischmarkt – die Wende: Jubelnde Menschen links und rechts. Dazu Musik von zwei Matrosen. Es herrscht Partystimmung pur. Und obwohl die Sonne mir bereits ordentlich eingeheizt hat, ziehe ich Gänsehaut auf – einfach nur wow. Mein Blick fällt auf ein Plakat: "Hör niemals auf an dich zu glauben“, lese ich. Dieser Spruch sollte mich mein ganzes Rennen über begleiten. Angetrieben von der guten Stimmung vergehen die nächsten Kilometer sehr rasch. Außerdem wartet mein Freund bei Kilometer 17 auf mich, um mich anzufeuern. Das gibt Kraft. Doch nun erst einmal hinein in den Tunnel. Wider Erwarten herrscht auch hier Partystimmung pur. Dieses Mal durch uns Läufer selbst: jubeln, klatschen, dazu Musik aus Boxen, die alle paar Meter aufgestellt sind. Das zweite Mal an diesem Tag bekomme ich eine Gänsehaut.
Weiter geht’s. Ich komme zu Kilometer 17, sehe meinem Freund, jubel ihm zu, er schreit mir nach und ich bin auch schon wieder weg. Nächstes Etappenziel ist Kilometer 21,1 – die Hälfte ist geschafft. 1:55 zeigt meine Uhr. Knapp über der angepeilten Zeit. Egal, es ist noch nichts verloren. "Hör niemals auf an dich zu glauben“, fällt mir ein. Dazu stelle ich mir vor, wie ich ins Ziel einlaufe. Ein Motivationskick.
Ab da läuft’s nun richtig. Das Publikum ist grandios: "Super Natascha! Los, du schaffst das!“, rufen wildfremde Menschen entlang der Strecke. Sie haben meinen Namen auf der Startnummer gelesen. Das pusht. Ich kann zulegen, werde schneller, überhole. Ich bin im Flow und habe "nur" noch zwölf Kilometer vor mir. Ab da an sollte es nur noch Gegenwind geben. Egal, nicht daran denken. Die Böen sind mal mehr, mal weniger stark. "Der Wind ist dein Freund“, rufe ich mir die Worte meines Coachs in Erinnerung. Und: "Du ziehst das jetzt durch. Wie im Training, da schaffst du es ja auch“, denke ich mir. "Hör niemals auf an dich zu glauben.“ Also los, weiter geht’s. Bei Kilometer 35 fällt mir der berühmt berüchtigte Mann mit dem Hammer ein. Er bleibt auch heute aus. Mir geht’s gut. Nur noch sieben Kilometer.
Die Partystimmung an der Strecke ist nach wie vor ungebrochen. Bei Kilometer 40 nehme ich ein letztes Mal ein paar Schluck Wasser. "Super! Nur noch 2000 Meter“, sagt das junge Mädchen, das mir den Becher gibt. "2000 Meter, das ist nichts mehr. Ich hab's gleich geschafft“, freue ich mich und laufe weiter. Ein Blick auf die Uhr verrät: ich liege super in der Zeit.
Dann ist es endlich soweit: der rote Teppich mit dem Zielbogen ist in Sicht. Das Publikum feuert unterdessen noch mehr an, jubelt, schreit. „Los, zieh noch einmal an. Da geht noch was“, versucht mich ein Läufer neben mir mitzuziehen. „Super, gleich geschafft!“, ruft er. Also ziehe ich mit und überquere nach 3:49:02 die Ziellinie. Knapp zehn Minuten schneller als bei meinem Debüt in Berlin im vergangenen Herbst. Ich kann es kaum glauben. Es ist ein überwältigender Moment, ich bin den Tränen nahe und platze gleichzeitig vor Freude und Stolz. Der Unbekannte neben mir gratuliert mir. Ich bedanke mich fürs Mitziehen auf den letzten Metern. Mein Freund erwartet mich. Überglücklich mich zu sehen und ebenfalls überwältigt von meiner Zeit. Danach wird erst einmal angestoßen. Die Party geht jetzt richtig los.
Danke Hamburg, es war einzigartig großartig!
Die Tage vor einem Marathon sind für mich der blanke Horror. Außer Ruhe geben und sich möglichst gut ernähren, kann man auf den großen Lauf nämlich keinen Einfluss mehr nehmen. Die Vorbereitung lief gut. Rund 1000 Kilometer hatte ich seit Anfang des Jahres in den Beinen. Doch es kann im Vorfeld noch so gut laufen, die Gefühle eine Woche vor dem Start fahren Achterbahn: Vorfreude (juhu, es ist endlich soweit) versus Angst (Kommt der Mann mit dem Hammer? Das schaffe ich nicht,...). Eine nervenaufreibende Kombi. Bei Freunden und Kollegen gab es nur noch ein Thema: Hamburg. Eigentlich wollte ich beim Vienna City Marathon (VCM) meinen zweiten Marathon laufen. Angemeldet war ich schon lange, Vorfreude kam aber nie so richtig auf. Denn ich gebe zu: ich liebe Wien, aber mit dem (Halb)Marathon in der Heimatstadt hatte ich bisher keine guten Erfahrungen gemacht. Egal, denn nur einen Tag nachdem ich bei einem Gewinnspiel für einen Startplatz beim Hamburg Marathon gewonnen hatte, bekam ich Bescheid: Sie haben gewonnen. Ich war aus dem Häuschen und wusste: Das wird mein Tag! Beim VCM war ich trotzdem dabei. Aber das ist eine andere Geschichte. VERLINKEN!!! Panikmacher WindVergangenen Freitag war es schließlich soweit. Zwei Tage vor dem Start, ging es los. Nach der Ankunft in Hamburg gleich mal zur Messe die Startnummer abholen, bisschen Sightseeing und das war’s dann auch schon mit dem ersten Tag in der Hansestadt. Am nächsten Tag noch ein kurzes Läufchen und vor allem eines: nur nicht zu viel hatschen. Denn diesen Fehler hatte ich im Herbst in Berlin gemacht. Damals hat mir am Abend des Vortages alles so weh getan, dass ich dachte, der Marathon ist eigentlich schon gelaufen. Aber wie es so schön heißt, aus Fehlern lernt man. Also ab dem Nachmittag Beine hoch. Schon seit zwei Wochen hatte ich eines immer im Auge: das Wetter. Die Vorhersage meinte es nicht gut mit den rund 16.000 Marathonis und zusätzlichen 6000 Staffelläufern. „Steife Böen mit bis zu 60km/h“, lautete die Prognose – noch dazu sollte es vor allem auf dem letzten Viertel ordentlich Gegenwind geben. Mein absolute Horror! Schon die Böen am Samstag ließen nichts Gutes verheißen. Die Fahnen vor unserem Hotel wehten was das Zeug hielt, an eine Frisur im Freien war nicht zu denken. „Wie soll ich da morgen mein geplantes Tempo laufen?“, fragte ich mich. „Der Wind ist dein Freund, er macht dich stark“, kamen noch am Abend aufmunternde Worte von meinem Coach Wilhelm Lilge. Naja, es gibt bessere Freunde... Der große TagEs ist 5.03 Uhr als ich auf mein Handy neben dem Bett im Hotelzimmer schaue. Endlich. Nach gefühlten drei Stunden Schlaf kann ich aufstehen. Es ist soweit. Ich reiße das Fenster auf und meine Befürchtung bewahrheitet sich: Die Fahnen wehen schon wieder oder noch immer. Die Laufsachen liegen alle schon bereit. Frühstücken und auf geht’s zum Startbereich. Auf dem Vorplatz der Messehalle war schon einiges los. Da wurden Beine mit Tigerbalsam eingeschmiert, Dehnübungen gemacht, nervös auf und ab gelaufen und sich noch ein letztes Mal vor einem Dixi-Klo angestellt. Ich mag dieses Kribbeln vor Wettkämpfen Man spürt: heute ist ein besonderer Tag. Im Startblock hatte ich Dank Laufkollegin Lena aus Wien keine Gelegenheit noch nervöser zu werden. Dann fiel auch schon der Startschuss und ab ging’s – 42,195 Kilometer quer durch die Stadt. Der Lauf„Hamburg ist eine große Marathon-Party. Das Publikum ist super“, hatte es im Vorfeld geheißen. Auf den ersten Kilometern entlang der Reeperbahn zum Hafen bemerke ich nicht viel davon. „Das soll eine gute Stimmung sein“, denke ich mir und bin ein wenig enttäuscht weil kaum Menschen auf der Straße sind. Dementsprechend läuft es noch etwas unrund bei mir. Dann plötzlich bei Kilometer Elf – Fischmarkt – die Wende: Jubelnde Menschen links und rechts. Dazu Musik von zwei Matrosen. Es herrschte Partystimmung pur. Und obwohl die Sonne mir bereits ordentlich eingeheizt hatte, ziehe ich Gänsehaut auf – einfach nur wow. Mein Blick fällt auf ein Plakat: „Hör niemals auf an dich zu glauben“, lese ich. Dieser Spruch sollte mich mein ganzes Rennen über begleiten. Angetrieben von der guten Stimmung vergehen die nächsten Kilometer sehr rasch. Außerdem wartet mein Freund bei Kilometer 17 auf mich, um mich anzufeuern. Das gibt Kraft. Doch nun erst einmal hinein in den Tunnel. Wider Erwarten herrscht auch hier Partystimmung pur. Dieses Mal durch uns Läufer selbst: jubeln, klatschen, dazu Musik aus Boxen, die alle paar Meter aufgestellt sind. Das zweite Mal an diesem Tag bekomme ich eine Gänsehaut. Weiter geht’s und ich komme zu Kilometer 17, sehe meinem Freund, jubel ihm zu und bin auch schon wieder weg. Nächstes Etappenziel ist Kilometer 21,1 – die Hälfte ist geschafft. 1:55 zeigt meine Uhr. Knapp über der angepeilten Zeit. Egal, es ist noch nichts verloren. „Hör niemals auf an dich zu glauben“, fällt mir ein. Dazu kommen Gedanken, wie ich ins Ziel einlaufe. Ein Motivationskick. Nun läuft’s richtig. Das Publikum ist grandios: „Super Natascha, los, du schaffst das!“, rufen sie entlang der Strecke. Die Vornamen sind nämlich groß auf der Startnummer abgegedruckt. Das pusht. Ich kann zulegen, werde immer schneller, überhole nur noch. Ich bin im Flow und hab nur noch zwölf Kilometer vor mir. Von da an war Gegenwind angesagt. Die Böen sind mal mehr, mal weniger stark, auch je nachdem wie viele Läufer um mich herum sind. „Der Wind ist dein Freund“, rufe ich mir die Worte meines Coachs in Erinnerung. Und: „Du ziehst das jetzt durch. Wie im Training, da schaffst du es ja auch“, denke ich mir. Also los, weiter geht’s. Bei Kilometer 35 denke ich an den berühmt berüchtigten Mann mit dem Hammer. Er bleibt auch heute aus. Mir geht’s gut. Nur noch sieben Kilometer. Den Tränen nahDie Partystimmung an der Strecke ist nach wie vor ungebrochen. Bei Kilometer 40 nehme ich ein letztes Mal ein paar Schluck Wasser. „Super. Nur noch 2000 Meter“, sagt das junge Mädchen, das mir den Becher gibt. „2000 Meter, das ist nichts mehr“, denke ich mir und laufe weiter. Ein Blick auf die Uhr verrät: ich liege super in der Zeit. Dann ist es endlich soweit: der rote Teppich mit dem Zielbogen ist in Sicht. Das Publikum feuert unterdessen noch mehr an, jubelt, schreit. „Los, zieh noch einmal an. Da geht noch was“, versucht mich ein Läufer neben mir mitzuziehen. „Super, los, gleich geschafft!“, ruft er. Also ziehe ich mit und überquere nach 3:49:02 die Ziellinie. Knapp zehn Minuten schneller als beim meinem Debüt in Berlin im vergangenen Herbst. Ich kann es kaum glauben. Es ist ein überwältigender Moment, bin den Tränen nahe und platze gleichzeitig vor Freude und Stolz. Danke Hamburg, es war einzigartig großartig!
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