Große Schnauze

Große Schnauze
Hunde wollen sich mitteilen. Erziehung verhindert Dauerkläffen.

Justy ist ein heiserer Dauer-Kläffer vor dem Herrn. Wo der Chihuahua geht und steht, gibt er ohrenbetäubende Geräusche von sich. Dabei zählt das Großmaul zu den Winzlingen unter den Vierbeinern. Kleiner Hund, große Klappe – stimmt das Klischee?

"Es hängt nicht nur von der Rasse ab, ob ein Hund viel bellt oder nicht. Auch das Temperament spielt eine Rolle", sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn macht vor allem aber Haustierhalter für das Bellen ihres Lieblings verantwortlich. Erziehung ab dem Welpenalter ist damit das Um und Auf.

Rassen mit lockerem Hals neigen dazu, ihren Kehlkopf ausgiebig zu strapazieren. Spitze z. B. wurden als Wachhunde gezüchtet, ihr Bellen war erwünscht. Lernen diese Vierbeiner nicht von Klein an ihr Melden auf Kommando einzustellen, schlägt der geborene Kläffer durch.

Süß

"Kleine Rassen werden zum Teil auch anders behandelt. Man lässt den süßen Hündchen mehr durchgehen als den großen", erklärt Schratter einen weiteren Grund für die Überzahl kleiner Tölen. Auch in diesem Fall beugt konsequente Erziehung der hausgemachten Lärmbelästigung vor.

Darüber hinaus setzen selbst wohlerzogene Hunde ihre Stimme gerne lauthals ein. "Bellen ist der Versuch der Tiere, mit uns Menschen zu sprechen", sagt die Expertin. In der Kommunikation mit dem Zweibeiner entwickelten die Vierbeiner eine bunte Lautsprache: Ein hohes Klangbild z. B. ist Ausdruck von Nervosität und Aufgeregtheit. Es begleitet freudige Erwartung, wenn der geliebte Besuch kommt oder wenn der Besitzer die Ausgehleine vom Haken nimmt.

Helles, forderndes Bellen ist zu hören, wenn der Hund Aufmerksamkeit erregen will: "Hallo, füttere mich, gib mir etwas von deinem Teller." Mit kurzem, tiefen Bellen, das in Knurren übergehen kann, alarmiert der Vierbeiner seinen Besitzer: "Es steht ein Fremder vor der Türe, da kommt jemand den Zaun entlang." Schrilles, hohes Bellen zeigt Angst an. Frustration, Langeweile, Einsamkeit werden mit monotonem Dauerbellen kommentiert: "He, ich langweile mich hier allein im Garten." Kurze, schnelle Kläffer sind eindeutige Drohlaute – kurz vor dem Angriff.

"Hunde dürfen bellen. Diese Form der Kommunikation ist wichtig und gut", betont der Tiercoach: "Aber jeder Hund muss frühzeitig lernen, dass er damit auch wieder aufhören muss." Mit dem eindeutigen Kommando "Ruhe" muss das Bellen abgestellt sein. Neurotisches Kläffen soll sich erst gar nicht einschleichen. "Bellen ist mit großen Emotionen verbunden. Daher ist das Abgewöhnen unglaublich schwierig", warnt Schratter.

Erziehung

Mühsames Üben über Wochen bleibt dann als einziger Weg. Ist Trennungsangst der Grund für andauerndes Bellen, muss der Hund lernen, sich auch alleine sicher zu fühlen: Der Besitzer verlässt kurz das Zimmer und kommt wieder, später geht der Rudelführer ohne überschwängliche Abschiedsszene kurz aus der Wohnung und kehrt ohne Begrüßung über Gebühr zurück. Die Wartezeit wird schrittweise verlängert.

Ist Alarmbellen unerwünscht, kann eine stressfreie Trainingssituation beim Abgewöhnen der Unsitte helfen: Ein eingeweihter Bekannter klingelt an der Tür, der Besitzer öffnet, kniet sich zum Hund, schaut ihm fest in die Augen, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und gibt mit ruhiger Stimme das Kommando "Ruhe". Belohnung folgt auf Gehorsam. "Personen anzukläffen oder Kindern und Radfahrern bellend nachzulaufen – dieses Verhalten muss verboten sein", sagt der KURIER-Tiercoach: "Da hilft kein ,Ruhe‘-Kommando. Das muss mit ,Platz‘, ,Hier‘ oder ,Fuß‘ sofort gestoppt werden."

Wann Hunde sich angesprochen fühlen

Hunde sind wie kleine Kinder – zumindest, wenn es um das Erkennen von Vorboten menschlicher Kommunikation geht. Wissenschaftler haben in vergleichbaren Versuchen herausgefunden, dass die Art des Blicks sowie der Ansprache die Reaktion von Vierbeinern entscheidend beeinflusst.

Jozsef Topal und Erno Teglas von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest spielten 61 Hunden Videos vor. In einem Film wandte sich eine Frau demonstrativ dem Hund zu, sagte mit hoher Stimme "Hallo, Hund" und blickte direkt in Richtung ihres vierbeinigen Zuschauers. In einem zweiten Film fehlte die betonte Hinwendung, die Frau grüßte mit tiefer Stimme und ohne Augenkontakt. In beiden Videos schaute sie dann auf einen von zwei Behältern.

Die Wissenschaftler erfassten die Augenbewegungen der Hunde. Diese folgten vor allem dann dem Blick der Frau auf den Behälter, wenn die Vierbeiner zuvor direkt angeschaut und mit hoher Stimme angesprochen worden waren. Andernfalls sahen sie beliebig zu einem der beiden Behälter; da erregte selbst eine bunte Scheibe am Kopf der Frau kaum ihre Aufmerksamkeit.

Wie Hunde sich fühlen und wie sie mitfühlen

Können sich Hunde in die Gefühlswelten von Artgenossen und von Menschen versetzen? Inwiefern stimmen ihre emphatischen Fähigkeiten mit den menschlichen überein? Um diese Fragen zu beantworten, wollen Wissenschaftler nun Verhaltensexperimente entwickeln, die sowohl von Zweibeinern als auch von Vierbeinern absolviert werden können, und objektive Methoden etablieren. Die internationale Pionierarbeit steht unter Wiener Leitung, sie setzt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Wissenschaftler der Uni Wien und der Veterinärmedizinischen Uni Wien gehen davon aus, dass Hunde aufgrund des langen Zusammenlebens mit Menschen Strategien entwickelt haben, die es ihnen erlauben, auch menschliches Verhalten empathisch zu deuten. Sie hoffen zudem, Einblicke in das emotionale Erleben der Vierbeiner zu erhalten, was im Hinblick auf den Einsatz von Rettungs- und Blindenhunden relevant sei.

Die Experten werden den Zweibeinern bei der Bewältigung der Aufgaben mittels Magnetresonanztomografie "ins Gehirn schauen". Bei den Vierbeinern ist das derzeit noch nicht möglich. Ergebnisse sollen in drei Jahren vorliegen.

Bellen: Die Sprache der Hunde

Anatomie Alle Laute, die ein Hund von sich geben kann, kommen aus dem Kehlkopf. Für das Bellen muss dieser relativ groß sein, man nennt das auch "lockeren Hals".

Entwicklung Wölfe, die nächsten Verwandten der Hunde, schaffen nur ein einsilbiges Wuff. Sie bellen so gut wie nie. Auch bei den Urhunden war der Kehlkopf zu flach zum Bellen. Erst im Laufe der Evolution entwickelten Hunde zur Körpersprache eine tonreiche Lautsprache – ein Ergebnis des Zusammenlebens von Zwei- und Vierbeiner.

Kläffen Andauerndes Keifen ist eine Unart von Hunden, ein Resultat falscher oder fehlender Erziehung. Unverhältnismäßiges Hundegebell kann in Mietwohnungen ein
Kündigungsgrund sein.

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