Das Beziehungsmodell hat einen Namen: „Living Apart Together“ kurz LAT – etwa: getrennt zusammen leben – heißt, dass sich zwei Liebende freiwillig und auf lange Sicht gegen ein gemeinsames „Nest“ entscheiden. Im Gegensatz zu einer „Long Distance Relationship“ (LDR) ist die räumliche Distanz meist geringer, oft liegen die Wohnsitze im selben Viertel. Die Lebensform ist vor allem bei gut situierten Großstädtern beliebt, schließlich bedeutet ein doppelter Wohnsitz auch doppelte Kosten. So soll auch Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein mit ihrem langjährigen Partner eine LAT-Beziehung führen.
Gwyneths Ehegeheimnis
Im Falle von Gwyneth Paltrow dürften die zusätzlichen Finanzen eine untergeordnete Rolle spielen. Die Oscarpreisträgerin und nunmehrige Lifestyle-Unternehmerin ist seit neun Monaten mit dem TV-Produzenten Brad Falchuk verheiratet – äußerst glücklich, wie sie und ihre Instagram-Fotos regelmäßig beteuern. Einen möglichen Grund für das hollywoodreife Liebesglück verriet die 46-Jährige kürzlich in der Sunday Times: Ehemann Brad (48) verbrachte bisher die Hälfte der Woche mit seinen zwei Kindern aus erster Ehe in seiner Villa in Brentwood. Die restlichen vier Tage wohnte er bei Gwyneth und deren beiden Kindern mit Chris Martin, von (mit?) dem sie sich 2014 „bewusst entpaarte“.
Zum LAT-Konzept habe ihr Promi-Therapeutin Michaela Boehm – Paltrow nennt sie ihre „Intimitätstrainerin“ – geraten. Die getrennten vier Wände würden ihre Beziehung „frisch“ halten, erklärte Gwyn: „Alle meine verheirateten Freunde sagen mir, dass unsere Art zu leben ideal klingt.“
Keine Lust auf Alltag
Zurück nach Österreich. Bevölkerungswissenschafter gehen davon aus, dass LAT-Beziehungen in den Großstädten zunehmen und sich auch jüngere Paare bewusst für dieses Modell entscheiden.
Die jüngsten Daten des Instituts für Familienforschung stammen aus dem Jahr 2013: Im Vergleichszeitraum 2009 bis 2013 stieg der Anteil der getrennt wohnenden Paare zwischen 18 und 45 von 19 auf 21 Prozent. In Deutschland stieg die Zahl der „LAT“-Partnerschaften zwischen 1992 und 2006 laut einer Studie der Berliner Humboldt-Universität sogar um mehr als 70 Prozent an.
Die Gründe sind vielfältig: der Wunsch nach Individualisierung und Unabhängigkeit, die gesteigerten Mobilitätsanforderungen, die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt, keine Lust auf Socken-Aufklauben und Streiten um die Fernbedienung. Dafür umso mehr „Quality Time“ am Wochenende.
Auch auf der Couch von Paartherapeut Hitschmann nehmen mittlerweile viele LAT-Pärchen Platz. „Manche stehen vor einer Trennung und entscheiden sich dann doch für den Luxus, einen zweiten Haushalt zu führen. Junge Paare schieben die Entscheidung, ob sie zusammen ziehen sollen, lange hinaus. Man will die gemeinsame Zeit genießen und nicht die Hemden des anderen bügeln oder einander die Schuld an der Unordnung im Badezimmer geben.“
Bewusste Zeit zu zweit
Wichtig sei bewusste Zweisamkeit, um die Nähe nicht zu verlieren. „Die Leute kommen drauf, dass eine Beziehung auch ohne gemeinsames Wohnen funktionieren kann. Das hat es vor zehn Jahren noch nicht gegeben.“
Ingrid und Peter haben ihre Entscheidung nicht bereut. Sie genießt die kurzen Wege und das kulturelle Angebot der Großstadt, er seine Blumen und die Nähe zum Wald. Sie telefonieren mehrmals täglich, verbringen die Wochenenden zusammen und verreisen jeden Winter bis zu drei Monate. „Manchmal treffen wir uns in Wien auf einen Kaffee“, erzählt Ingrid und kichert verlegen wie ein frisch verliebter Teenager. „Und mein Mann macht mir mehr Komplimente, seit wir nicht mehr zusammenwohnen.“
Dass es nie zu spät für getrennte Wohnsitze ist, zeigt ein Blick über den Ärmelkanal. Prinz Philip, 98, soll nach Norfolk übersiedelt sein, die Queen, 93, weilt immer noch in Buckingham Palace. Die Regentin sei der Meinung, ihr Mann hätte einen „richtigen Ruhestand“ verdient. Das muss wahre Liebe sein.
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