Es war Erika Freemans ausdrücklicher Wunsch, den sogenannten "Hitler-Balkon“ betreten zu dürfen. Im Vorfeld bezeichnete sie die Begehung als ihre "Rache an Hitler“, und zwar eine "jüdische Rache: kein Blut, nur Freude, Freiheit und Hoffnung“.
Nur zwei Jahre nach dem "Anschluss“ musste Freeman, damals zwölf Jahre alt, in die USA flüchten. Alleine. Ihr Vater kam ins KZ Theresienstadt, ihre Mutter starb in den letzten Kriegstagen in einem Bombenhagel. Freeman beschloss, ihr Leben nicht von den Gräueltaten der Nazis bestimmen zu lassen. Sie studierte, wurde eine gefragte Psychoanalytikerin und unermüdliche Botschafterin der Hoffnung. In den vergangenen Jahren näherte sie sich ihrem Heimatland wieder an, besitzt seit heuer neben der US- sogar die österreichische Staatsbürgerschaft. "Hassen ist nicht gesund“ wurde einer ihrer Stehsätze. Den "Nazi-Pass“ mit dem "J“ für "Jüdin“ besitzt Freeman immer noch, ebenso das Ticket der Holland-Amerika-Linie, die sie im Februar 1940 von Rotterdam nach New York, in ein neues Leben, brachte.
Beide Dokumente vermachte die 95-Jährige nun dem Haus der Geschichte Österreich (hdgö), dessen Eingang sich direkt unter dem Altan der Neuen Burg befindet. Dabei sprach sie sich auch dafür aus, den Balkon für Besucher zugänglich zu machen: Man dürfte den historisch belasteten Ort nicht seiner düsteren Vergangenheit überlassen.
"Die Terrasse der Neuen Burg zu öffnen, wäre ein wichtiges Symbol für einen neuen Umgang der Republik mit diesen verstörenden Orten“, sagte Museumsdirektorin Monika Sommer. Bereits vor drei Jahren hatte das hdgö zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen, wie man die Fläche gestalten und nützen könnte. Auf einem interaktiven Bildschirm im Museum können Besucher abstimmen, ob die Besichtigung des Balkons wieder erlaubt werden sollte. Die überwiegende Mehrheit ist für "Ja“.
Was Besucher an und von diesem "schönen Ort“ lernen können? "Hab keine Angst, es wird sich alles ändern“, antwortet die Psychoanalytikerin mit ihrem unnachahmlichen amerikanisch-jiddischen Akzent. "Und wenn es sich nicht ändert, hast du selbst die Macht, es zu ändern.“
Freeman wirkt erleichtert, als sie – begleitet von ihrer Vertrauten, Ex-First-Lady Margit Fischer – zurück ins Museum kehrt. "Jetzt gehört der Balkon nicht mehr zu ihm“, sagt sie, nicht ohne einen gewissen, ganz leisen Triumph in der Stimme.
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