Wo es in der Schule brennt - und welche Lösungen Praktiker hätten

Seit den Reformen der 60er Jahre hat sich das Bild von Schule radikal verändert
Die Pandemie hat viele Probleme im Bildungssystem verschärft, wissen die Experten des KURIER-Bildungsbeirats. Welche Baustellen es gibt und welche Lösungen.

Über den Lehrermangel reden derzeit viele. Dabei gibt es noch weitaus mehr Baustellen in der Schule, wie sich bei einem Treffen des KURIER-Bildungsbeirats gezeigt hat (s.u.). Hier sitzen Praktiker aus unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. Sie wissen, was im Schulsystem gut läuft und wo es Handlungsbedarf gibt. Und sie wünschen sich, dass Verantwortliche in der Politik mehr auf die Praktiker hören.

Die Baustellen

In diesen Bereichen sehen die Expertinnen und Experten großen Handlungsbedarf.

Lehrerausbildung: Sie dauert nicht nur zu lange (das Volksschullehramt geht über fünf Jahre, das für die Mittelschule und Gymnasium sogar über sechs Jahre), sie beinhaltet auch zu wenig Praxis. Besser wäre es, wenn die Studierenden früher in der Klasse stehen würden, und die Schule Möglichkeiten hätte, ihnen im ersten Unterrichtsjahr besser fachlich zur Seite zu stehen. Das System des Mentoring, das beim Berufseinstieg in der sogenannten Induktionsphase Junglehrpersonen begleitet, ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem früheren Unterrichtspraktikum (einst das erste Jahr der Lehrpersonen im Klassenzimmer). Zudem häufen sich Klagen von Schulen, wonach junge Kolleginnen und Kollegen fachlich nicht sattelfest genug sind.

Mangelfächer: In Ballungszentren müssen junge Lehrpersonen in Fächern wie Mathematik besonders viele Stunden unterrichten. Das erschwert eine gute Begleitung.

Fehlende Planung: Es gibt zwar einen Lehrermangel – allerdings nur in bestimmten Fächern. Wer zum Beispiel eine Kombination Geschichte und Französisch studiert, der hat kaum eine Chance auf eine Anstellung. Anders sieht es mit naturwissenschaftlichen Fächern aus, wo es einen massiven Mangel gibt. Hier bräuchte es mehr Steuerung seitens des Ministeriums. Man könnte z.B. nur bestimmte Fächerkombinationen erlauben – so wie das in Bayern heute schon der Fall ist. Oder man könnte den Unis und Pädagogischen Hochschulen (PH) die Möglichkeit geben, manche Fächer zeitweise auszusetzen.

Kooperation mit PHs und Unis: Häufig gehen Studierende schon in die Schulen, um dort die fehlenden Lehrkräfte zu ersetzen. Bisher war die Kooperation zwischen Schulen und Unis bzw. Pädagogischen Hochschulen nicht optimal – die Vereinbarkeit von Studium und Arbeit hätte für Junglehrer besser sein können. Allerdings laufen derzeit Gespräche, die Optimierungen bringen sollen.

Weiterbildungen: Dass Mentoren und Schulleiterinnen sowie andere Spezialisten eine Zusatzausbildung machen müssen, ist selbstverständlich. Nicht immer bringen diese Kurse den Mehrwert, den sie haben sollten. Zudem sind sie häufig zu zeitintensiv für Berufstätige.

Mittleres Management: Es braucht Personen, die neben der Direktion Führungsverantwortung übernehmen. Sie sollten dafür eine Zulage bezahlt bekommen oder ein paar Stunden weniger unterrichten müssen. Dafür könnten sie Aufgaben wie Mitarbeit bei Schulentwicklungsthemen, Führung eines Subteams und administrative Agenden übernehmen. Die Schulleitung könnte sich verstärkt pädagogischen Aufgaben widmen. Den Lehrpersonen würden so auch weitere Jobperspektiven eröffnet.

Kindergarten: Hier fehlt noch mehr Fachpersonal als in den Schulen. Abhilfe könnten bessere Rahmenbedingungen schaffen – etwa, dass Pädagoginnen mehr Zeit für Vorbereitung, Elterngespräche etc. bekommen – also Zeit außerhalb der Gruppe, wie es für Lehrpersonen bereits völlig normal ist. Zudem wären mehr Ausbildungsangebote für Erwachsene von Vorteil, weil die Drop-out-Rate dabei weitaus geringer ist als in der 5-jährigen BAfEP – eine berufsbildende höhere Schule, die zum Kindergartenpädagogen ausbildet.

Leseschwächen: Die Pandemie hat die Situation verschärft: Kinder und Jugendliche haben zunehmend Probleme, sinnerfassend zu lesen – auch weil Kinder sich immer weniger konzentrieren können. Hier braucht es aktive Programme. Und mehr analogen Unterricht.

Was schon gut läuft

Doch bei allen Baustellen, gibt es auch gute Nachrichten:

Nahtstelle Kindergarten-Schule: Die Professionalisierung der Elementarpädagoginnen und die Zusammenarbeit mit lokalen Volksschulen funktioniert in einigen Regionen sehr gut. Screenings und Tests geben einen guten Einblick, wo die Kinder stehen. Allerdings sind die Tests für die Pädagogen sehr zeitintensiv.

Wo es in der Schule brennt - und welche Lösungen Praktiker hätten

Der KURIER-Bildungsbeirat im KURIER-Newsroom (v.li.):Sonja Schärf-Stangl, Michel Fleck, Doris Pfingstner, Erwin Greiner, Gerda Reißner, Susanna Haas und Isabella Zins.    

Das Gremium setzt sich aus Experten aus der Praxis zusammen, die wissen, wo die Probleme im Bildungsbereich liegen: Sonja Schärf-Stangl (Bildungsdirektion NÖ), Michel Fleck (NMS/AHS Anton-Krieger-Gasse), Doris Pfingstner (Modulare Mittelstufe Aspern), Erwin Greiner (Projekt Seitenwechsel), Gerda Reißner (ehem. NMS-Lehrerin), Susanna Haas (Kindergärten St. Nikolausstiftung).  Isabella Zins (AHS-Direktorensprecherin). Nicht im Bild sind Michael Sörös (Bildungsdirektion Wien), Rainer Graf (ehemaliger Direktor des Schulzentrums Ybbs) und Heidi Schrodt (einst Direktorin AHS Rahlgasse)

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